Spionen geschützt. Es ist sogar gut, daß Sie sich ihm arglos zeigen."
"Wie sollte er aber dazu kommen, uns Auf¬ schlüsse zu geben?"
"Er gehört nicht zu den zugeknöpften Diplo¬ maten. Ueberdem ist er jetzt satt. Bonapartes Ge¬ sandter hat, was er will, hier erreicht. Er kann den nonchalanten Plauderer spielen. Er kann nicht allein den Rock aufknöpfen, auch das Hemde auf¬ reißen, damit wir seine Brust schlagen sehen. Die gewinnende Vertraulichkeit wird auch wohl noch zum Leimstock für eine harmlose Fliege. Wie vergnügt Alle von ihm fortgehen! Trauen Sie keinem seiner Worte, und doch ist es möglich, daß er uns die reinste Wahrheit schenkt. Denn ob er mit ihr, oder mit der Lüge uns täuscht, ist ihm gleichgültig. Uebri¬ gens weiß er alles was hier geschieht, und früher und genauer als der Polizeipräsident. Was der Kö¬ nig beim Frühstück geäußert, läßt er schon am Mittag chiffriren. Er kennt die Anträge der Minister, die nicht bis zum Könige durchgedrungen sind, weil die Ka¬ binetsräthe Widerstand leisten, und ehe noch Seine Majestät eine Sylbe davon erfahren, fliegt der Cou¬ rier damit schon nach Paris."
"Warum macht man Laforest nicht zum Minister des Auswärtigen."
"Besser des Innern. Der russischen Fürstin ward vorgestern ein Brillanthalsband gestohlen. Die Polizei suchte umsonst. Er hat es gefunden. Ge¬
II. 7
Spionen geſchützt. Es iſt ſogar gut, daß Sie ſich ihm arglos zeigen.“
„Wie ſollte er aber dazu kommen, uns Auf¬ ſchlüſſe zu geben?“
„Er gehört nicht zu den zugeknöpften Diplo¬ maten. Ueberdem iſt er jetzt ſatt. Bonapartes Ge¬ ſandter hat, was er will, hier erreicht. Er kann den nonchalanten Plauderer ſpielen. Er kann nicht allein den Rock aufknöpfen, auch das Hemde auf¬ reißen, damit wir ſeine Bruſt ſchlagen ſehen. Die gewinnende Vertraulichkeit wird auch wohl noch zum Leimſtock für eine harmloſe Fliege. Wie vergnügt Alle von ihm fortgehen! Trauen Sie keinem ſeiner Worte, und doch iſt es möglich, daß er uns die reinſte Wahrheit ſchenkt. Denn ob er mit ihr, oder mit der Lüge uns täuſcht, iſt ihm gleichgültig. Uebri¬ gens weiß er alles was hier geſchieht, und früher und genauer als der Polizeipräſident. Was der Kö¬ nig beim Frühſtück geäußert, läßt er ſchon am Mittag chiffriren. Er kennt die Anträge der Miniſter, die nicht bis zum Könige durchgedrungen ſind, weil die Ka¬ binetsräthe Widerſtand leiſten, und ehe noch Seine Majeſtät eine Sylbe davon erfahren, fliegt der Cou¬ rier damit ſchon nach Paris.“
„Warum macht man Laforeſt nicht zum Miniſter des Auswärtigen.“
„Beſſer des Innern. Der ruſſiſchen Fürſtin ward vorgeſtern ein Brillanthalsband geſtohlen. Die Polizei ſuchte umſonſt. Er hat es gefunden. Ge¬
II. 7
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Spionen geſchützt. Es iſt ſogar gut, daß Sie ſich
ihm arglos zeigen.“
„Wie ſollte er aber dazu kommen, uns Auf¬
ſchlüſſe zu geben?“
„Er gehört nicht zu den zugeknöpften Diplo¬
maten. Ueberdem iſt er jetzt ſatt. Bonapartes Ge¬
ſandter hat, was er will, hier erreicht. Er kann
den nonchalanten Plauderer ſpielen. Er kann nicht
allein den Rock aufknöpfen, auch das Hemde auf¬
reißen, damit wir ſeine Bruſt ſchlagen ſehen. Die
gewinnende Vertraulichkeit wird auch wohl noch zum
Leimſtock für eine harmloſe Fliege. Wie vergnügt
Alle von ihm fortgehen! Trauen Sie keinem ſeiner
Worte, und doch iſt es möglich, daß er uns die
reinſte Wahrheit ſchenkt. Denn ob er mit ihr, oder
mit der Lüge uns täuſcht, iſt ihm gleichgültig. Uebri¬
gens weiß er alles was hier geſchieht, und früher
und genauer als der Polizeipräſident. Was der Kö¬
nig beim Frühſtück geäußert, läßt er ſchon am Mittag
chiffriren. Er kennt die Anträge der Miniſter, die
nicht bis zum Könige durchgedrungen ſind, weil die Ka¬
binetsräthe Widerſtand leiſten, und ehe noch Seine
Majeſtät eine Sylbe davon erfahren, fliegt der Cou¬
rier damit ſchon nach Paris.“
„Warum macht man Laforeſt nicht zum Miniſter
des Auswärtigen.“
„Beſſer des Innern. Der ruſſiſchen Fürſtin
ward vorgeſtern ein Brillanthalsband geſtohlen. Die
Polizei ſuchte umſonſt. Er hat es gefunden. Ge¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/107>, abgerufen am 08.07.2024.
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