"Ich dachte, er würde nach der Rheincampagne retiriren, da hätte ich ihm mit 'ner Antwort gedient. Nein, er sagte, hören Sie, ich hab's des Spaßes wegen behalten: uns stehe ein Heer gegenüber, das aus dem jugendlichen Volksbewußtsein stets neue Kräfte schöpft, wie der heidnische Riese, ich weiß nicht wie der Kerl heißt, der zu jedem neuen Kampfe seine Mutter-Erde küßte. Ob wir denn mit unsern ge¬ schlossenen Phalangen von altem Ruhme, aber ohne den Genius, der ewig zeugt, uns getrauten eine Kraft zu werfen, die ewig neu wächst? Ich sage Ihnen, es war zum Bersten. Gut, daß keiner meiner Ca¬ meraden es gehört. Ich sagte ihm nur: Mein lieber Herr, wer die Erde küßt macht sich das Maul schmutzig, und hol mich der und jener wenn wir unsern Sol¬ daten nicht die Proprete eingefuchtelt haben."
Der Verlegenheit über die Rede zu lächeln oder sich zu äußern wurden die Zuhörer durch den Wirth überhoben, der plötzlich mit einer Stimme die eher auf die Kanzel als an den Whisttisch gehörte, laut sprach:
"Aber, meine verehrte Herren und Damen, Gott sei Dank, daß wir der Beantwortung dieser Frage durch die Weisheit unsrer Staatsmänner überhoben sind, welche es nicht dahin kommen lassen werden, daß der Degen des großen Friedrich aus der Gruft geholt wird, um mit dem Degen des großen Mannes sich zu kreuzen, und die es nicht dulden werden, daß die beiden ruhmwürdigen und erleuchteten Nationen in
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„Ich dachte, er würde nach der Rheincampagne retiriren, da hätte ich ihm mit 'ner Antwort gedient. Nein, er ſagte, hören Sie, ich hab's des Spaßes wegen behalten: uns ſtehe ein Heer gegenüber, das aus dem jugendlichen Volksbewußtſein ſtets neue Kräfte ſchöpft, wie der heidniſche Rieſe, ich weiß nicht wie der Kerl heißt, der zu jedem neuen Kampfe ſeine Mutter-Erde küßte. Ob wir denn mit unſern ge¬ ſchloſſenen Phalangen von altem Ruhme, aber ohne den Genius, der ewig zeugt, uns getrauten eine Kraft zu werfen, die ewig neu wächſt? Ich ſage Ihnen, es war zum Berſten. Gut, daß keiner meiner Ca¬ meraden es gehört. Ich ſagte ihm nur: Mein lieber Herr, wer die Erde küßt macht ſich das Maul ſchmutzig, und hol mich der und jener wenn wir unſern Sol¬ daten nicht die Propreté eingefuchtelt haben.“
Der Verlegenheit über die Rede zu lächeln oder ſich zu äußern wurden die Zuhörer durch den Wirth überhoben, der plötzlich mit einer Stimme die eher auf die Kanzel als an den Whiſttiſch gehörte, laut ſprach:
„Aber, meine verehrte Herren und Damen, Gott ſei Dank, daß wir der Beantwortung dieſer Frage durch die Weisheit unſrer Staatsmänner überhoben ſind, welche es nicht dahin kommen laſſen werden, daß der Degen des großen Friedrich aus der Gruft geholt wird, um mit dem Degen des großen Mannes ſich zu kreuzen, und die es nicht dulden werden, daß die beiden ruhmwürdigen und erleuchteten Nationen in
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„Ich dachte, er würde nach der Rheincampagne
retiriren, da hätte ich ihm mit 'ner Antwort gedient.
Nein, er ſagte, hören Sie, ich hab's des Spaßes
wegen behalten: uns ſtehe ein Heer gegenüber, das
aus dem jugendlichen Volksbewußtſein ſtets neue
Kräfte ſchöpft, wie der heidniſche Rieſe, ich weiß nicht
wie der Kerl heißt, der zu jedem neuen Kampfe ſeine
Mutter-Erde küßte. Ob wir denn mit unſern ge¬
ſchloſſenen Phalangen von altem Ruhme, aber ohne
den Genius, der ewig zeugt, uns getrauten eine Kraft
zu werfen, die ewig neu wächſt? Ich ſage Ihnen,
es war zum Berſten. Gut, daß keiner meiner Ca¬
meraden es gehört. Ich ſagte ihm nur: Mein lieber
Herr, wer die Erde küßt macht ſich das Maul ſchmutzig,
und hol mich der und jener wenn wir unſern Sol¬
daten nicht die Propreté eingefuchtelt haben.“
Der Verlegenheit über die Rede zu lächeln oder
ſich zu äußern wurden die Zuhörer durch den Wirth
überhoben, der plötzlich mit einer Stimme die eher
auf die Kanzel als an den Whiſttiſch gehörte, laut
ſprach:
„Aber, meine verehrte Herren und Damen, Gott
ſei Dank, daß wir der Beantwortung dieſer Frage
durch die Weisheit unſrer Staatsmänner überhoben
ſind, welche es nicht dahin kommen laſſen werden,
daß der Degen des großen Friedrich aus der Gruft
geholt wird, um mit dem Degen des großen Mannes
ſich zu kreuzen, und die es nicht dulden werden, daß
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/65>, abgerufen am 22.11.2024.
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