wöhnlich. Die Talglichter, die der Lampenputzer vor den Augen des Publikums ansteckte, duldeten auch keinen entfernten Vergleich mit dem Glanz der Theater von heut. Man sah wohl damals schärfer, denn man sah mehr, aber das Licht kam aus der Darstellung, versichern uns die, welche aus jener Zeit das deutsche Theater kennen. Für die Geheimräthin aber blieb es dunkel, obgleich Fleck als Odoardo seine ganze adlige Kraft entfaltete, die spätere Händel-Schütz als Orsina das Publikum entzückte. Lessings Meister¬ werk schien ihr an einem Etwas zu lahmen, das sie sich nicht erklären konnte; der jungen Schauspielerin, welche die Emilie zum ersten Male gab, hätte sie nachhelfen mögen. Wenn sie sich Rechenschaft gab, war es aber nicht die Schauspielerin, sondern sie hätte ihrer Rolle, ihrem Character eine andere Rich¬ tung geben mögen. Ihre Phantasie beschäftigte sich, eine welche andere Rolle Emilie spielen können, selbst glücklich und beglückend, glänzend und Glanz um sich verbreitend, wenn sie den Pulsen folgte, die für den Prinzen schlugen. Eine welche andere Herrschaft über ihn blühte ihr als der stolzen Orsina, vermöge ihres Liebreizes, ihrer geistigen Vorzüge. Sie hatte es in ihrer Macht, auch dieses Prinzen Wankelmuth zu fesseln, und Tausende, ein ganzes Land glücklich zu machen. Und alles das vernichtet ein plumper Dolchstoß, der Alle unglücklich macht und -- die Thörin bat selbst darum!
Die Geheimräthin war gewohnt in ihrer Loge
wöhnlich. Die Talglichter, die der Lampenputzer vor den Augen des Publikums anſteckte, duldeten auch keinen entfernten Vergleich mit dem Glanz der Theater von heut. Man ſah wohl damals ſchärfer, denn man ſah mehr, aber das Licht kam aus der Darſtellung, verſichern uns die, welche aus jener Zeit das deutſche Theater kennen. Für die Geheimräthin aber blieb es dunkel, obgleich Fleck als Odoardo ſeine ganze adlige Kraft entfaltete, die ſpätere Händel-Schütz als Orſina das Publikum entzückte. Leſſings Meiſter¬ werk ſchien ihr an einem Etwas zu lahmen, das ſie ſich nicht erklären konnte; der jungen Schauſpielerin, welche die Emilie zum erſten Male gab, hätte ſie nachhelfen mögen. Wenn ſie ſich Rechenſchaft gab, war es aber nicht die Schauſpielerin, ſondern ſie hätte ihrer Rolle, ihrem Character eine andere Rich¬ tung geben mögen. Ihre Phantaſie beſchäftigte ſich, eine welche andere Rolle Emilie ſpielen können, ſelbſt glücklich und beglückend, glänzend und Glanz um ſich verbreitend, wenn ſie den Pulſen folgte, die für den Prinzen ſchlugen. Eine welche andere Herrſchaft über ihn blühte ihr als der ſtolzen Orſina, vermöge ihres Liebreizes, ihrer geiſtigen Vorzüge. Sie hatte es in ihrer Macht, auch dieſes Prinzen Wankelmuth zu feſſeln, und Tauſende, ein ganzes Land glücklich zu machen. Und alles das vernichtet ein plumper Dolchſtoß, der Alle unglücklich macht und — die Thörin bat ſelbſt darum!
Die Geheimräthin war gewohnt in ihrer Loge
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wöhnlich. Die Talglichter, die der Lampenputzer vor
den Augen des Publikums anſteckte, duldeten auch
keinen entfernten Vergleich mit dem Glanz der Theater
von heut. Man ſah wohl damals ſchärfer, denn man
ſah mehr, aber das Licht kam aus der Darſtellung,
verſichern uns die, welche aus jener Zeit das deutſche
Theater kennen. Für die Geheimräthin aber blieb
es dunkel, obgleich Fleck als Odoardo ſeine ganze
adlige Kraft entfaltete, die ſpätere Händel-Schütz als
Orſina das Publikum entzückte. Leſſings Meiſter¬
werk ſchien ihr an einem Etwas zu lahmen, das ſie
ſich nicht erklären konnte; der jungen Schauſpielerin,
welche die Emilie zum erſten Male gab, hätte ſie
nachhelfen mögen. Wenn ſie ſich Rechenſchaft gab,
war es aber nicht die Schauſpielerin, ſondern ſie
hätte ihrer Rolle, ihrem Character eine andere Rich¬
tung geben mögen. Ihre Phantaſie beſchäftigte ſich,
eine welche andere Rolle Emilie ſpielen können, ſelbſt
glücklich und beglückend, glänzend und Glanz um ſich
verbreitend, wenn ſie den Pulſen folgte, die für den
Prinzen ſchlugen. Eine welche andere Herrſchaft über
ihn blühte ihr als der ſtolzen Orſina, vermöge ihres
Liebreizes, ihrer geiſtigen Vorzüge. Sie hatte es in
ihrer Macht, auch dieſes Prinzen Wankelmuth zu feſſeln,
und Tauſende, ein ganzes Land glücklich zu machen.
Und alles das vernichtet ein plumper Dolchſtoß, der
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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