mich beruhigen! Offenherzig gestanden, ich bedurfte dieser Beruhigung nicht, ich wollte Sie nur auf die Probe stellen. Ein Thor, wer da sagt, daß die Tu¬ gend von der Erde Abschied nahm. Wer noch auf Freunde sein Vertrauen setzt, übt sie. Und Ihre Freunde werden sie ebenfalls üben. O ich möchte bei dem Vortrage sein, ob nun ein Kammerdiener, oder ein Kammerherr ihn übernimmt; wie sie wei߬ brennen werden, was schwarz ist, und vielleicht an¬ schwärzen, was weiß wie Schnee ist. Ja, so beim Kaffee, so unter der Hand, gelegentlich hingeworfen, erfährt ein Fürst die Wahrheit -- von guten Freunden. Sorgen Sie aber auch für einen Sündenbock. Denn wenn nach dem Hofe der officielle Vortrag kommt, muß er doch ergrimmt werden über die falsche Dar¬ stellung. Er weiß es ja alles besser, er hat es alles wie selbst erlebt. Wenn der Vortragende da erblaßt, stockt, nicht vorbereitet ist, keinen Zornableiter zur Hand hat, dann wird es schlimm. Lassen Sie den Commissar opfern, mich, wen es sei, retten Sie sich nur selbst dem Vaterlande. -- Na nu wollen wir uns aber zusammen retten."
Der Kammerherr sah mit einigem Befremden auf das Messer, welches plötzlich in seiner Hand blitzte: "Sein Sie ohne Sorge; nur im höchsten Nothfall stoße ich es einem durch die Gurgel!" Er holte noch aus dem Kamin ein altes Ofeneisen. Er mußte schon vorher die Gelegenheiten geprüft haben. In der alten Ausgangsthür des Vorzimmers war in
mich beruhigen! Offenherzig geſtanden, ich bedurfte dieſer Beruhigung nicht, ich wollte Sie nur auf die Probe ſtellen. Ein Thor, wer da ſagt, daß die Tu¬ gend von der Erde Abſchied nahm. Wer noch auf Freunde ſein Vertrauen ſetzt, übt ſie. Und Ihre Freunde werden ſie ebenfalls üben. O ich möchte bei dem Vortrage ſein, ob nun ein Kammerdiener, oder ein Kammerherr ihn übernimmt; wie ſie wei߬ brennen werden, was ſchwarz iſt, und vielleicht an¬ ſchwärzen, was weiß wie Schnee iſt. Ja, ſo beim Kaffee, ſo unter der Hand, gelegentlich hingeworfen, erfährt ein Fürſt die Wahrheit — von guten Freunden. Sorgen Sie aber auch für einen Sündenbock. Denn wenn nach dem Hofe der officielle Vortrag kommt, muß er doch ergrimmt werden über die falſche Dar¬ ſtellung. Er weiß es ja alles beſſer, er hat es alles wie ſelbſt erlebt. Wenn der Vortragende da erblaßt, ſtockt, nicht vorbereitet iſt, keinen Zornableiter zur Hand hat, dann wird es ſchlimm. Laſſen Sie den Commiſſar opfern, mich, wen es ſei, retten Sie ſich nur ſelbſt dem Vaterlande. — Na nu wollen wir uns aber zuſammen retten.“
Der Kammerherr ſah mit einigem Befremden auf das Meſſer, welches plötzlich in ſeiner Hand blitzte: „Sein Sie ohne Sorge; nur im höchſten Nothfall ſtoße ich es einem durch die Gurgel!“ Er holte noch aus dem Kamin ein altes Ofeneiſen. Er mußte ſchon vorher die Gelegenheiten geprüft haben. In der alten Ausgangsthür des Vorzimmers war in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0352"n="338"/>
mich beruhigen! Offenherzig geſtanden, ich bedurfte<lb/>
dieſer Beruhigung nicht, ich wollte Sie nur auf die<lb/>
Probe ſtellen. Ein Thor, wer da ſagt, daß die Tu¬<lb/>
gend von der Erde Abſchied nahm. Wer noch auf<lb/>
Freunde ſein Vertrauen ſetzt, übt ſie. Und Ihre<lb/>
Freunde werden ſie ebenfalls üben. O ich möchte<lb/>
bei dem Vortrage ſein, ob nun ein Kammerdiener,<lb/>
oder ein Kammerherr ihn übernimmt; wie ſie wei߬<lb/>
brennen werden, was ſchwarz iſt, und vielleicht an¬<lb/>ſchwärzen, was weiß wie Schnee iſt. Ja, ſo beim<lb/>
Kaffee, ſo unter der Hand, gelegentlich hingeworfen,<lb/>
erfährt ein Fürſt die Wahrheit — von guten Freunden.<lb/>
Sorgen Sie aber auch für einen Sündenbock. Denn<lb/>
wenn nach dem Hofe der officielle Vortrag kommt,<lb/>
muß er doch ergrimmt werden über die falſche Dar¬<lb/>ſtellung. Er weiß es ja alles beſſer, er hat es alles<lb/>
wie ſelbſt erlebt. Wenn der Vortragende da erblaßt,<lb/>ſtockt, nicht vorbereitet iſt, keinen Zornableiter zur<lb/>
Hand hat, dann wird es ſchlimm. Laſſen Sie den<lb/>
Commiſſar opfern, mich, wen es ſei, retten Sie<lb/>ſich nur ſelbſt dem Vaterlande. — Na nu wollen wir<lb/>
uns aber zuſammen retten.“</p><lb/><p>Der Kammerherr ſah mit einigem Befremden<lb/>
auf das Meſſer, welches plötzlich in ſeiner Hand<lb/>
blitzte: „Sein Sie ohne Sorge; nur im höchſten<lb/>
Nothfall ſtoße ich es einem durch die Gurgel!“ Er<lb/>
holte noch aus dem Kamin ein altes Ofeneiſen. Er<lb/>
mußte ſchon vorher die Gelegenheiten geprüft haben.<lb/>
In der alten Ausgangsthür des Vorzimmers war in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[338/0352]
mich beruhigen! Offenherzig geſtanden, ich bedurfte
dieſer Beruhigung nicht, ich wollte Sie nur auf die
Probe ſtellen. Ein Thor, wer da ſagt, daß die Tu¬
gend von der Erde Abſchied nahm. Wer noch auf
Freunde ſein Vertrauen ſetzt, übt ſie. Und Ihre
Freunde werden ſie ebenfalls üben. O ich möchte
bei dem Vortrage ſein, ob nun ein Kammerdiener,
oder ein Kammerherr ihn übernimmt; wie ſie wei߬
brennen werden, was ſchwarz iſt, und vielleicht an¬
ſchwärzen, was weiß wie Schnee iſt. Ja, ſo beim
Kaffee, ſo unter der Hand, gelegentlich hingeworfen,
erfährt ein Fürſt die Wahrheit — von guten Freunden.
Sorgen Sie aber auch für einen Sündenbock. Denn
wenn nach dem Hofe der officielle Vortrag kommt,
muß er doch ergrimmt werden über die falſche Dar¬
ſtellung. Er weiß es ja alles beſſer, er hat es alles
wie ſelbſt erlebt. Wenn der Vortragende da erblaßt,
ſtockt, nicht vorbereitet iſt, keinen Zornableiter zur
Hand hat, dann wird es ſchlimm. Laſſen Sie den
Commiſſar opfern, mich, wen es ſei, retten Sie
ſich nur ſelbſt dem Vaterlande. — Na nu wollen wir
uns aber zuſammen retten.“
Der Kammerherr ſah mit einigem Befremden
auf das Meſſer, welches plötzlich in ſeiner Hand
blitzte: „Sein Sie ohne Sorge; nur im höchſten
Nothfall ſtoße ich es einem durch die Gurgel!“ Er
holte noch aus dem Kamin ein altes Ofeneiſen. Er
mußte ſchon vorher die Gelegenheiten geprüft haben.
In der alten Ausgangsthür des Vorzimmers war in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/352>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.