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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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können? Wissen Sie nun, warum Seine Majestät
betrübt sind?"

"Ich habe nichts mit den Tuchlieferungsgeschäf¬
ten zu thun! rief der Kammerherr aus. Ich bin
kaum ein Mal in meinem Leben im Lagerhause ge¬
wesen."

"Sie haben mit andern Lieferungsgeschäften
genug zu thun, ich weiß es. Aber Vorsicht, lieber
Kammerherr. Um Gottes willen, was soll der Mo¬
narch sagen, wenn er wieder von dieser Geschichte
hört!"

"Bovillard, liebster, bester Freund, Sie werden
doch nicht!"

"Ich nicht, aber Sie können sich doch leicht vor¬
stellen, daß Andre ihm davon sagen werden, was er
wissen soll. Beim Frühstück, ehe er die letzte Tasse
geleert, weiß er alles, was am vorigen Tage passirt
ist. Und wenn erst alle Zeugen vernommen sind, die
Polizei kreuz und quer fragt und spionirt, Hergang,
Wirkung, Ursach, 's ist nichts so fein gesponnen, es
kommt an's Licht der Sonnen. Liebster Kammerherr,
ich bin im Ernst um Sie besorgt. In diesen Ange¬
legenheiten ist der Monarch sehr irascibel."

"Wenn ich nur ganz gewiß sein könnte -- sagte
gedehnt mit scharfem und schüchternem Blick auf den
Plagegeist der Kammerherr, -- von unsern Freun¬
den
wird die Sache schon in dem rechten Lichte vor¬
getragen werden."

Bovillard drückte ihn heftig an die Brust: "Wie Sie

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können? Wiſſen Sie nun, warum Seine Majeſtät
betrübt ſind?“

„Ich habe nichts mit den Tuchlieferungsgeſchäf¬
ten zu thun! rief der Kammerherr aus. Ich bin
kaum ein Mal in meinem Leben im Lagerhauſe ge¬
weſen.“

„Sie haben mit andern Lieferungsgeſchäften
genug zu thun, ich weiß es. Aber Vorſicht, lieber
Kammerherr. Um Gottes willen, was ſoll der Mo¬
narch ſagen, wenn er wieder von dieſer Geſchichte
hört!“

„Bovillard, liebſter, beſter Freund, Sie werden
doch nicht!“

„Ich nicht, aber Sie können ſich doch leicht vor¬
ſtellen, daß Andre ihm davon ſagen werden, was er
wiſſen ſoll. Beim Frühſtück, ehe er die letzte Taſſe
geleert, weiß er alles, was am vorigen Tage paſſirt
iſt. Und wenn erſt alle Zeugen vernommen ſind, die
Polizei kreuz und quer fragt und ſpionirt, Hergang,
Wirkung, Urſach, 's iſt nichts ſo fein geſponnen, es
kommt an's Licht der Sonnen. Liebſter Kammerherr,
ich bin im Ernſt um Sie beſorgt. In dieſen Ange¬
legenheiten iſt der Monarch ſehr irascibel.“

„Wenn ich nur ganz gewiß ſein könnte — ſagte
gedehnt mit ſcharfem und ſchüchternem Blick auf den
Plagegeiſt der Kammerherr, — von unſern Freun¬
den
wird die Sache ſchon in dem rechten Lichte vor¬
getragen werden.“

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[337/0351] können? Wiſſen Sie nun, warum Seine Majeſtät betrübt ſind?“ „Ich habe nichts mit den Tuchlieferungsgeſchäf¬ ten zu thun! rief der Kammerherr aus. Ich bin kaum ein Mal in meinem Leben im Lagerhauſe ge¬ weſen.“ „Sie haben mit andern Lieferungsgeſchäften genug zu thun, ich weiß es. Aber Vorſicht, lieber Kammerherr. Um Gottes willen, was ſoll der Mo¬ narch ſagen, wenn er wieder von dieſer Geſchichte hört!“ „Bovillard, liebſter, beſter Freund, Sie werden doch nicht!“ „Ich nicht, aber Sie können ſich doch leicht vor¬ ſtellen, daß Andre ihm davon ſagen werden, was er wiſſen ſoll. Beim Frühſtück, ehe er die letzte Taſſe geleert, weiß er alles, was am vorigen Tage paſſirt iſt. Und wenn erſt alle Zeugen vernommen ſind, die Polizei kreuz und quer fragt und ſpionirt, Hergang, Wirkung, Urſach, 's iſt nichts ſo fein geſponnen, es kommt an's Licht der Sonnen. Liebſter Kammerherr, ich bin im Ernſt um Sie beſorgt. In dieſen Ange¬ legenheiten iſt der Monarch ſehr irascibel.“ „Wenn ich nur ganz gewiß ſein könnte — ſagte gedehnt mit ſcharfem und ſchüchternem Blick auf den Plagegeiſt der Kammerherr, — von unſern Freun¬ den wird die Sache ſchon in dem rechten Lichte vor¬ getragen werden.“ Bovillard drückte ihn heftig an die Bruſt: „Wie Sie I. 22

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/351>, abgerufen am 24.11.2024.