machen, so viel wir wollen, nur die Güter höher abgeschätzt als sie werth sind; und alles das sollen wir leichtsinnig hinopfern um einen sogenannten Ehrenpunkt! Das fordern gewisse Menschen! Wissen Sie, was ich glaube, daß der geheime Grund von Lombard's Sendung ist? -- Er soll versuchen, ob Napoleon sich nicht abfinden läßt mit Friedrich's Rock und Hut. Ja, ich vermuthe noch etwas. Besteht der Kaiser drauf, so geben wir auch die Krücke, aber das wäre auch das Ultimatum -- den Leichnam, nein, nimmermehr! Wenigstens für jetzt nicht. -- Bester Kammerherr, ich lese Ihre Gedanken, Sie wollen sagen, das sei wieder nur ein halber Schritt, Na¬ poleon würde doch nicht eher ruhen, bis er das Ganze, bis er Friedrichs Sarg in Paris hat, und wir würden auch da nachgeben. Möglich, aber lieb¬ ster Mann, wahren Sie Ihre Zunge, wer spricht denn so was aus! Grade diesen Vorwurf verträgt man nicht: Halbes, immer Halbes! 'S ist richtig, aber es ist nun mal so. Wer änderts: Zwei Halbes macht ein Ganzes. Erst geben wir den Rock, und dann den Leib. Und wenn man mehr will, noch mehr, Seele und Geist, wenn -- wir noch davon ha¬ ben. Ein guter Unterthan, lieber St. Real, findet sich in Alles. Der liebe Gott wird's zum Guten fü¬ gen, und das Genie unserer großen Staatsmänner, und wir haben einen guten König; was will man mehr! A propos, was halten Sie von unserm König?"
machen, ſo viel wir wollen, nur die Güter höher abgeſchätzt als ſie werth ſind; und alles das ſollen wir leichtſinnig hinopfern um einen ſogenannten Ehrenpunkt! Das fordern gewiſſe Menſchen! Wiſſen Sie, was ich glaube, daß der geheime Grund von Lombard's Sendung iſt? — Er ſoll verſuchen, ob Napoleon ſich nicht abfinden läßt mit Friedrich's Rock und Hut. Ja, ich vermuthe noch etwas. Beſteht der Kaiſer drauf, ſo geben wir auch die Krücke, aber das wäre auch das Ultimatum — den Leichnam, nein, nimmermehr! Wenigſtens für jetzt nicht. — Beſter Kammerherr, ich leſe Ihre Gedanken, Sie wollen ſagen, das ſei wieder nur ein halber Schritt, Na¬ poleon würde doch nicht eher ruhen, bis er das Ganze, bis er Friedrichs Sarg in Paris hat, und wir würden auch da nachgeben. Möglich, aber lieb¬ ſter Mann, wahren Sie Ihre Zunge, wer ſpricht denn ſo was aus! Grade dieſen Vorwurf verträgt man nicht: Halbes, immer Halbes! 'S iſt richtig, aber es iſt nun mal ſo. Wer änderts: Zwei Halbes macht ein Ganzes. Erſt geben wir den Rock, und dann den Leib. Und wenn man mehr will, noch mehr, Seele und Geiſt, wenn — wir noch davon ha¬ ben. Ein guter Unterthan, lieber St. Real, findet ſich in Alles. Der liebe Gott wird's zum Guten fü¬ gen, und das Genie unſerer großen Staatsmänner, und wir haben einen guten König; was will man mehr! A propos, was halten Sie von unſerm König?“
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machen, ſo viel wir wollen, nur die Güter höher
abgeſchätzt als ſie werth ſind; und alles das ſollen
wir leichtſinnig hinopfern um einen ſogenannten
Ehrenpunkt! Das fordern gewiſſe Menſchen! Wiſſen
Sie, was ich glaube, daß der geheime Grund von
Lombard's Sendung iſt? — Er ſoll verſuchen, ob
Napoleon ſich nicht abfinden läßt mit Friedrich's Rock
und Hut. Ja, ich vermuthe noch etwas. Beſteht
der Kaiſer drauf, ſo geben wir auch die Krücke, aber
das wäre auch das Ultimatum — den Leichnam, nein,
nimmermehr! Wenigſtens für jetzt nicht. — Beſter
Kammerherr, ich leſe Ihre Gedanken, Sie wollen
ſagen, das ſei wieder nur ein halber Schritt, Na¬
poleon würde doch nicht eher ruhen, bis er das
Ganze, bis er Friedrichs Sarg in Paris hat, und
wir würden auch da nachgeben. Möglich, aber lieb¬
ſter Mann, wahren Sie Ihre Zunge, wer ſpricht
denn ſo was aus! Grade dieſen Vorwurf verträgt
man nicht: Halbes, immer Halbes! 'S iſt richtig,
aber es iſt nun mal ſo. Wer änderts: Zwei Halbes
macht ein Ganzes. Erſt geben wir den Rock, und
dann den Leib. Und wenn man mehr will, noch
mehr, Seele und Geiſt, wenn — wir noch davon ha¬
ben. Ein guter Unterthan, lieber St. Real, findet
ſich in Alles. Der liebe Gott wird's zum Guten fü¬
gen, und das Genie unſerer großen Staatsmänner,
und wir haben einen guten König; was will man
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/349>, abgerufen am 24.11.2024.
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