Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie er aus Aegypten. Wissen Sie wie? --
Er hat sich dem Teufel verschrieben; in einer Pyra¬
mide war's, eine Nacht wie diese! Ja, ich habe auch
meine diplomatischen Mittheilungen. Der Teufel hat
ihm die ganze Welt versprochen, und weiter nichts
dafür gefordert als seine Seele. Kammerherr den¬
ken Sie, wenn Sie für solche Bagatell könnten Gro߬
mogul werden!"

"Das erzählen Sie mir alles weiter -- aber
nachher."

"Ein einziges Hinderniß nur muß er forträumen
-- die Gruft in Potsdam. Darum -- Sie verstehn
mich. -- Nun bitte ich Sie aber, als einen vernünfti¬
gen Mann, ist das ein so unübersteigliches Hinderniß?
Braucht es eines Krieges um einen Leichnam? --
Denn Sie werden mir wieder zugeben, es ist jetzt
nur noch ein Leichnam. Sollen wir um ein point
d'honneur
so eigensinnig sein, darum Blut vergießen,
einen Krieg anfangen, der sechszigtausend Menschen
kosten kann, darum das Wohl von Hunderttausenden,
von Millionen aufs Spiel setzen. Unsre Seehand¬
lung, unsre Zuckersiedereien, unser Messingwerk in
Neustadt-Eberswalde? Ich bitte Sie, Ruh und Frie¬
den unsrer Bürger -- was wirft die Porzellanmanu¬
factur nicht ab; wenn auch die Juden nicht mehr
kaufen müssen zu ihren Hochzeiten, wir haben ja
schon die Meißner Fabrik überhohlt -- das ist auch
ein Ehrenpunkt! Und unsre Gold- und Silberfabrik,
und unser Pfandbriefsystem; wir können ja Geld

„Wie er aus Aegypten. Wiſſen Sie wie? —
Er hat ſich dem Teufel verſchrieben; in einer Pyra¬
mide war's, eine Nacht wie dieſe! Ja, ich habe auch
meine diplomatiſchen Mittheilungen. Der Teufel hat
ihm die ganze Welt verſprochen, und weiter nichts
dafür gefordert als ſeine Seele. Kammerherr den¬
ken Sie, wenn Sie für ſolche Bagatell könnten Gro߬
mogul werden!“

„Das erzählen Sie mir alles weiter — aber
nachher.“

„Ein einziges Hinderniß nur muß er forträumen
— die Gruft in Potsdam. Darum — Sie verſtehn
mich. — Nun bitte ich Sie aber, als einen vernünfti¬
gen Mann, iſt das ein ſo unüberſteigliches Hinderniß?
Braucht es eines Krieges um einen Leichnam? —
Denn Sie werden mir wieder zugeben, es iſt jetzt
nur noch ein Leichnam. Sollen wir um ein point
d'honneur
ſo eigenſinnig ſein, darum Blut vergießen,
einen Krieg anfangen, der ſechszigtauſend Menſchen
koſten kann, darum das Wohl von Hunderttauſenden,
von Millionen aufs Spiel ſetzen. Unſre Seehand¬
lung, unſre Zuckerſiedereien, unſer Meſſingwerk in
Neuſtadt-Eberswalde? Ich bitte Sie, Ruh und Frie¬
den unſrer Bürger — was wirft die Porzellanmanu¬
factur nicht ab; wenn auch die Juden nicht mehr
kaufen müſſen zu ihren Hochzeiten, wir haben ja
ſchon die Meißner Fabrik überhohlt — das iſt auch
ein Ehrenpunkt! Und unſre Gold- und Silberfabrik,
und unſer Pfandbriefſyſtem; wir können ja Geld

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0348" n="334"/>
        <p>&#x201E;Wie <hi rendition="#g">er</hi> aus Aegypten. Wi&#x017F;&#x017F;en Sie wie? &#x2014;<lb/>
Er hat &#x017F;ich dem Teufel ver&#x017F;chrieben; in einer Pyra¬<lb/>
mide war's, eine Nacht wie die&#x017F;e! Ja, ich habe auch<lb/>
meine diplomati&#x017F;chen Mittheilungen. Der Teufel hat<lb/>
ihm die ganze Welt ver&#x017F;prochen, und weiter nichts<lb/>
dafür gefordert als &#x017F;eine Seele. Kammerherr den¬<lb/>
ken Sie, wenn Sie für &#x017F;olche Bagatell könnten Gro߬<lb/>
mogul werden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das erzählen Sie mir alles weiter &#x2014; aber<lb/>
nachher.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein einziges Hinderniß nur muß er forträumen<lb/>
&#x2014; die Gruft in Potsdam. Darum &#x2014; Sie ver&#x017F;tehn<lb/>
mich. &#x2014; Nun bitte ich Sie aber, als einen vernünfti¬<lb/>
gen Mann, i&#x017F;t das ein &#x017F;o unüber&#x017F;teigliches Hinderniß?<lb/>
Braucht es eines Krieges um einen Leichnam? &#x2014;<lb/>
Denn Sie werden mir wieder zugeben, es i&#x017F;t jetzt<lb/>
nur noch ein Leichnam. Sollen wir um ein <hi rendition="#aq">point<lb/>
d'honneur</hi> &#x017F;o eigen&#x017F;innig &#x017F;ein, darum Blut vergießen,<lb/>
einen Krieg anfangen, der &#x017F;echszigtau&#x017F;end Men&#x017F;chen<lb/>
ko&#x017F;ten kann, darum das Wohl von Hunderttau&#x017F;enden,<lb/>
von Millionen aufs Spiel &#x017F;etzen. Un&#x017F;re Seehand¬<lb/>
lung, un&#x017F;re Zucker&#x017F;iedereien, un&#x017F;er Me&#x017F;&#x017F;ingwerk in<lb/>
Neu&#x017F;tadt-Eberswalde? Ich bitte Sie, Ruh und Frie¬<lb/>
den un&#x017F;rer Bürger &#x2014; was wirft die Porzellanmanu¬<lb/>
factur nicht ab; wenn auch die Juden nicht mehr<lb/>
kaufen mü&#x017F;&#x017F;en zu ihren Hochzeiten, wir haben ja<lb/>
&#x017F;chon die Meißner Fabrik überhohlt &#x2014; das i&#x017F;t auch<lb/>
ein Ehrenpunkt! Und un&#x017F;re Gold- und Silberfabrik,<lb/>
und un&#x017F;er Pfandbrief&#x017F;y&#x017F;tem; wir können ja Geld<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0348] „Wie er aus Aegypten. Wiſſen Sie wie? — Er hat ſich dem Teufel verſchrieben; in einer Pyra¬ mide war's, eine Nacht wie dieſe! Ja, ich habe auch meine diplomatiſchen Mittheilungen. Der Teufel hat ihm die ganze Welt verſprochen, und weiter nichts dafür gefordert als ſeine Seele. Kammerherr den¬ ken Sie, wenn Sie für ſolche Bagatell könnten Gro߬ mogul werden!“ „Das erzählen Sie mir alles weiter — aber nachher.“ „Ein einziges Hinderniß nur muß er forträumen — die Gruft in Potsdam. Darum — Sie verſtehn mich. — Nun bitte ich Sie aber, als einen vernünfti¬ gen Mann, iſt das ein ſo unüberſteigliches Hinderniß? Braucht es eines Krieges um einen Leichnam? — Denn Sie werden mir wieder zugeben, es iſt jetzt nur noch ein Leichnam. Sollen wir um ein point d'honneur ſo eigenſinnig ſein, darum Blut vergießen, einen Krieg anfangen, der ſechszigtauſend Menſchen koſten kann, darum das Wohl von Hunderttauſenden, von Millionen aufs Spiel ſetzen. Unſre Seehand¬ lung, unſre Zuckerſiedereien, unſer Meſſingwerk in Neuſtadt-Eberswalde? Ich bitte Sie, Ruh und Frie¬ den unſrer Bürger — was wirft die Porzellanmanu¬ factur nicht ab; wenn auch die Juden nicht mehr kaufen müſſen zu ihren Hochzeiten, wir haben ja ſchon die Meißner Fabrik überhohlt — das iſt auch ein Ehrenpunkt! Und unſre Gold- und Silberfabrik, und unſer Pfandbriefſyſtem; wir können ja Geld

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/348
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/348>, abgerufen am 24.11.2024.