Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht absattelt,
denn ein edel Roß will gute Reiter."

"Bester Herr v. Bovillard!" rief der Kammerherr,
dem das Haar sich zu sträuben anfing, als der andere
im Selbstgespräch fortfuhr, und dabei bald mit dem
Glase, bald mit der Flasche auf den Tisch stieß.

"Angestoßen, Kammerherr, schrie jener auf, auf
die große lustige Wirthschaft, wo Einer den Andern
betrügt, eine Hand die andere wäscht. Angestoßen
auf den Kleister und Firniß der die Fäulniß zusam¬
menhält bis -- angestoßen!"

Der Zitternde stieß mit dem Glas gegen die
Flasche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann
in den Kamin schleuderte, wo sie in tausend Stücken
zerbrach. "Bis dahin! Nicht wahr, -- zu Wasser,
bis er bricht, darin sind wir einverstanden, wie es
für vernünftige und gesetzte Leute sich schickt."

Er war aufgestanden und klopfte auf die Hand
des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an
seine Brust hielt: "Ja mein theuerster Herr v. St.
Real, wenn Alle so verständig und gesetzt wären, wie
wir beide! Diese Tagesfliegen schwärmen ums Licht,
und wenn einer sich verbrennt, lacht der andre ver¬
gnügt, daß es ihn traf. Wir aber sehen die Nacht,
wir sehen was hinter uns liegt, und sehen was vor
uns kommt. A propos, was halten Sie denn von
Napoleon?"

"Sie belieben zu scherzen. Ein Genie! Ein
großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen."

aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht abſattelt,
denn ein edel Roß will gute Reiter.“

„Beſter Herr v. Bovillard!“ rief der Kammerherr,
dem das Haar ſich zu ſträuben anfing, als der andere
im Selbſtgeſpräch fortfuhr, und dabei bald mit dem
Glaſe, bald mit der Flaſche auf den Tiſch ſtieß.

„Angeſtoßen, Kammerherr, ſchrie jener auf, auf
die große luſtige Wirthſchaft, wo Einer den Andern
betrügt, eine Hand die andere wäſcht. Angeſtoßen
auf den Kleiſter und Firniß der die Fäulniß zuſam¬
menhält bis — angeſtoßen!“

Der Zitternde ſtieß mit dem Glas gegen die
Flaſche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann
in den Kamin ſchleuderte, wo ſie in tauſend Stücken
zerbrach. „Bis dahin! Nicht wahr, — zu Waſſer,
bis er bricht, darin ſind wir einverſtanden, wie es
für vernünftige und geſetzte Leute ſich ſchickt.“

Er war aufgeſtanden und klopfte auf die Hand
des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an
ſeine Bruſt hielt: „Ja mein theuerſter Herr v. St.
Real, wenn Alle ſo verſtändig und geſetzt wären, wie
wir beide! Dieſe Tagesfliegen ſchwärmen ums Licht,
und wenn einer ſich verbrennt, lacht der andre ver¬
gnügt, daß es ihn traf. Wir aber ſehen die Nacht,
wir ſehen was hinter uns liegt, und ſehen was vor
uns kommt. A propos, was halten Sie denn von
Napoleon?“

„Sie belieben zu ſcherzen. Ein Genie! Ein
großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0347" n="333"/>
aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht ab&#x017F;attelt,<lb/>
denn ein edel Roß will gute Reiter.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Be&#x017F;ter Herr v. Bovillard!&#x201C; rief der Kammerherr,<lb/>
dem das Haar &#x017F;ich zu &#x017F;träuben anfing, als der andere<lb/>
im Selb&#x017F;tge&#x017F;präch fortfuhr, und dabei bald mit dem<lb/>
Gla&#x017F;e, bald mit der Fla&#x017F;che auf den Ti&#x017F;ch &#x017F;tieß.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ange&#x017F;toßen, Kammerherr, &#x017F;chrie jener auf, auf<lb/>
die große lu&#x017F;tige Wirth&#x017F;chaft, wo Einer den Andern<lb/>
betrügt, eine Hand die andere wä&#x017F;cht. Ange&#x017F;toßen<lb/>
auf den Klei&#x017F;ter und Firniß der die Fäulniß zu&#x017F;am¬<lb/>
menhält bis &#x2014; ange&#x017F;toßen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Zitternde &#x017F;tieß mit dem Glas gegen die<lb/>
Fla&#x017F;che, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann<lb/>
in den Kamin &#x017F;chleuderte, wo &#x017F;ie in tau&#x017F;end Stücken<lb/>
zerbrach. &#x201E;Bis dahin! Nicht wahr, &#x2014; zu Wa&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
bis er bricht, darin &#x017F;ind wir einver&#x017F;tanden, wie es<lb/>
für vernünftige und ge&#x017F;etzte Leute &#x017F;ich &#x017F;chickt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er war aufge&#x017F;tanden und klopfte auf die Hand<lb/>
des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an<lb/>
&#x017F;eine Bru&#x017F;t hielt: &#x201E;Ja mein theuer&#x017F;ter Herr v. St.<lb/>
Real, wenn Alle &#x017F;o ver&#x017F;tändig und ge&#x017F;etzt wären, wie<lb/>
wir beide! Die&#x017F;e Tagesfliegen &#x017F;chwärmen ums Licht,<lb/>
und wenn einer &#x017F;ich verbrennt, lacht der andre ver¬<lb/>
gnügt, daß es ihn traf. Wir aber &#x017F;ehen die Nacht,<lb/>
wir &#x017F;ehen was hinter uns liegt, und &#x017F;ehen was vor<lb/>
uns kommt. <hi rendition="#aq">A propos</hi>, was halten Sie denn von<lb/>
Napoleon?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie belieben zu &#x017F;cherzen. Ein Genie! Ein<lb/>
großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0347] aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht abſattelt, denn ein edel Roß will gute Reiter.“ „Beſter Herr v. Bovillard!“ rief der Kammerherr, dem das Haar ſich zu ſträuben anfing, als der andere im Selbſtgeſpräch fortfuhr, und dabei bald mit dem Glaſe, bald mit der Flaſche auf den Tiſch ſtieß. „Angeſtoßen, Kammerherr, ſchrie jener auf, auf die große luſtige Wirthſchaft, wo Einer den Andern betrügt, eine Hand die andere wäſcht. Angeſtoßen auf den Kleiſter und Firniß der die Fäulniß zuſam¬ menhält bis — angeſtoßen!“ Der Zitternde ſtieß mit dem Glas gegen die Flaſche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann in den Kamin ſchleuderte, wo ſie in tauſend Stücken zerbrach. „Bis dahin! Nicht wahr, — zu Waſſer, bis er bricht, darin ſind wir einverſtanden, wie es für vernünftige und geſetzte Leute ſich ſchickt.“ Er war aufgeſtanden und klopfte auf die Hand des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an ſeine Bruſt hielt: „Ja mein theuerſter Herr v. St. Real, wenn Alle ſo verſtändig und geſetzt wären, wie wir beide! Dieſe Tagesfliegen ſchwärmen ums Licht, und wenn einer ſich verbrennt, lacht der andre ver¬ gnügt, daß es ihn traf. Wir aber ſehen die Nacht, wir ſehen was hinter uns liegt, und ſehen was vor uns kommt. A propos, was halten Sie denn von Napoleon?“ „Sie belieben zu ſcherzen. Ein Genie! Ein großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/347
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/347>, abgerufen am 24.11.2024.