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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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vom Ruf der Frau Geheimräthin Lupinus sie dieser
Auszeichnung werth hält."

Die Geheimräthin war durch die Vorstellung
nicht unangenehm berührt. Sie fragte leise überge¬
beugt: "Wer ist eigentlich die junge Person, ich hörte
den Namen nicht deutlich." -- Der Name des Kriegs¬
raths mochte der Geheimräthin eine sehr gleichgül¬
tige Bekanntschaft sein. Aber sie stieß plötzlich den
Schlag auf und breitete ihre Arme dem jungen Mäd¬
chen entgegen, welches der Legationsrath rasch hin¬
einhob.

"Meine wertheste Demoiselle, mein liebes Kind,
wie konnte ich auch nicht gleich die Tochter meines
Freundes, des wackern Kriegsraths erkennen! Das
ist ja abscheulich, daß Ihre Gouvernante so wenig
Ortskenntniß hat und sich in das Haus verirren
mußte! Aber wie sind Sie in diesem Jahre gewachsen,
ach und wie echauffirt! Johann, schnell den Mantel
aus dem Kasten. Ich hoffe, das wird nicht von üblen
Folgen sein. Wie sie zittert! -- Herr v. Wandel,
es giebt eine Justiz hier und einen König, der sol¬
chen Affront, einer achtungswerthen Familie angethan,
strafen wird!"

"Dessen bin ich gewiß!" rief der Legationsrath
seinen Hut abziehend.

"Mein Gott, Sie steigen doch auch ein?"

"Meine Gegenwart könnte stören."

"Wie das! Wer verdient wie Sie den Dank des
erfreuten Vaters entgegen zu nehmen! O rasch ein,

vom Ruf der Frau Geheimräthin Lupinus ſie dieſer
Auszeichnung werth hält.“

Die Geheimräthin war durch die Vorſtellung
nicht unangenehm berührt. Sie fragte leiſe überge¬
beugt: „Wer iſt eigentlich die junge Perſon, ich hörte
den Namen nicht deutlich.“ — Der Name des Kriegs¬
raths mochte der Geheimräthin eine ſehr gleichgül¬
tige Bekanntſchaft ſein. Aber ſie ſtieß plötzlich den
Schlag auf und breitete ihre Arme dem jungen Mäd¬
chen entgegen, welches der Legationsrath raſch hin¬
einhob.

„Meine wertheſte Demoiſelle, mein liebes Kind,
wie konnte ich auch nicht gleich die Tochter meines
Freundes, des wackern Kriegsraths erkennen! Das
iſt ja abſcheulich, daß Ihre Gouvernante ſo wenig
Ortskenntniß hat und ſich in das Haus verirren
mußte! Aber wie ſind Sie in dieſem Jahre gewachſen,
ach und wie echauffirt! Johann, ſchnell den Mantel
aus dem Kaſten. Ich hoffe, das wird nicht von üblen
Folgen ſein. Wie ſie zittert! — Herr v. Wandel,
es giebt eine Juſtiz hier und einen König, der ſol¬
chen Affront, einer achtungswerthen Familie angethan,
ſtrafen wird!“

„Deſſen bin ich gewiß!“ rief der Legationsrath
ſeinen Hut abziehend.

„Mein Gott, Sie ſteigen doch auch ein?“

„Meine Gegenwart könnte ſtören.“

„Wie das! Wer verdient wie Sie den Dank des
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[315/0329] vom Ruf der Frau Geheimräthin Lupinus ſie dieſer Auszeichnung werth hält.“ Die Geheimräthin war durch die Vorſtellung nicht unangenehm berührt. Sie fragte leiſe überge¬ beugt: „Wer iſt eigentlich die junge Perſon, ich hörte den Namen nicht deutlich.“ — Der Name des Kriegs¬ raths mochte der Geheimräthin eine ſehr gleichgül¬ tige Bekanntſchaft ſein. Aber ſie ſtieß plötzlich den Schlag auf und breitete ihre Arme dem jungen Mäd¬ chen entgegen, welches der Legationsrath raſch hin¬ einhob. „Meine wertheſte Demoiſelle, mein liebes Kind, wie konnte ich auch nicht gleich die Tochter meines Freundes, des wackern Kriegsraths erkennen! Das iſt ja abſcheulich, daß Ihre Gouvernante ſo wenig Ortskenntniß hat und ſich in das Haus verirren mußte! Aber wie ſind Sie in dieſem Jahre gewachſen, ach und wie echauffirt! Johann, ſchnell den Mantel aus dem Kaſten. Ich hoffe, das wird nicht von üblen Folgen ſein. Wie ſie zittert! — Herr v. Wandel, es giebt eine Juſtiz hier und einen König, der ſol¬ chen Affront, einer achtungswerthen Familie angethan, ſtrafen wird!“ „Deſſen bin ich gewiß!“ rief der Legationsrath ſeinen Hut abziehend. „Mein Gott, Sie ſteigen doch auch ein?“ „Meine Gegenwart könnte ſtören.“ „Wie das! Wer verdient wie Sie den Dank des erfreuten Vaters entgegen zu nehmen! O raſch ein,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/329>, abgerufen am 24.11.2024.