wärts entladen, hatte eine empfindliche Kälte ver¬ ursacht.
"In dies Tuch!" rief Adelheid, als der Lega¬ tionsrath bemüht war, den seidenen Shawl fester um ihre Schultern zu ziehen. Sie riß es heftig ab, und schleuderte es in den Winkel. Es ist nicht meines. Sie schauderte. Fort, fort! nach Hause."
"Unmöglich, Demoiselle! Sie ziehen sich eine gefährliche Krankheit zu. Wenn das Tuch nicht Ihnen gehört, schicken wir es sogleich zurück. Nur bis ich Sie zu Ihrem Herrn Vater gebracht."
"Mein Vater soll das Netz nicht sehen, worin sie seine Tochter fangen wollten." Sie hing sich mit Ungestüm an seinen Arm. "Mich friert; aber nur hier. Gewiß nur hier, draußen ist es warm."
Auch den Legationsrath fröstelte. Er konnte die Retterrolle, die er übernommen, bereuen. Die ent¬ schlossenen Züge seines Gesichtes schienen dem zu widersprechen. Aber seine Lage war eine kitzlige für einen vornehmen Mann, dem der Anstand vor der Welt allen Rücksichten voran geht. Oeffentlich aus diesem Hause eine Dame zu führen, deren auf¬ geregter, halb verwilderter Zustand den Vermuthungen, die sich von selbst machten, nur zu sehr Thor und Thür bot. "Sie ist ja offenbar betrunken," mußte er im Vorbeigehen hören. "Die Schminke eben ab¬ gewischt," sagte ein anderer. "Und in der Windfahne auf offener Straße!"
Dies waren nicht mehr die Stimmen des Pö¬
wärts entladen, hatte eine empfindliche Kälte ver¬ urſacht.
„In dies Tuch!“ rief Adelheid, als der Lega¬ tionsrath bemüht war, den ſeidenen Shawl feſter um ihre Schultern zu ziehen. Sie riß es heftig ab, und ſchleuderte es in den Winkel. Es iſt nicht meines. Sie ſchauderte. Fort, fort! nach Hauſe.“
„Unmöglich, Demoiſelle! Sie ziehen ſich eine gefährliche Krankheit zu. Wenn das Tuch nicht Ihnen gehört, ſchicken wir es ſogleich zurück. Nur bis ich Sie zu Ihrem Herrn Vater gebracht.“
„Mein Vater ſoll das Netz nicht ſehen, worin ſie ſeine Tochter fangen wollten.“ Sie hing ſich mit Ungeſtüm an ſeinen Arm. „Mich friert; aber nur hier. Gewiß nur hier, draußen iſt es warm.“
Auch den Legationsrath fröſtelte. Er konnte die Retterrolle, die er übernommen, bereuen. Die ent¬ ſchloſſenen Züge ſeines Geſichtes ſchienen dem zu widerſprechen. Aber ſeine Lage war eine kitzlige für einen vornehmen Mann, dem der Anſtand vor der Welt allen Rückſichten voran geht. Oeffentlich aus dieſem Hauſe eine Dame zu führen, deren auf¬ geregter, halb verwilderter Zuſtand den Vermuthungen, die ſich von ſelbſt machten, nur zu ſehr Thor und Thür bot. „Sie iſt ja offenbar betrunken,“ mußte er im Vorbeigehen hören. „Die Schminke eben ab¬ gewiſcht,“ ſagte ein anderer. „Und in der Windfahne auf offener Straße!“
Dies waren nicht mehr die Stimmen des Pö¬
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wärts entladen, hatte eine empfindliche Kälte ver¬
urſacht.
„In dies Tuch!“ rief Adelheid, als der Lega¬
tionsrath bemüht war, den ſeidenen Shawl feſter
um ihre Schultern zu ziehen. Sie riß es heftig ab,
und ſchleuderte es in den Winkel. Es iſt nicht meines.
Sie ſchauderte. Fort, fort! nach Hauſe.“
„Unmöglich, Demoiſelle! Sie ziehen ſich eine
gefährliche Krankheit zu. Wenn das Tuch nicht Ihnen
gehört, ſchicken wir es ſogleich zurück. Nur bis ich
Sie zu Ihrem Herrn Vater gebracht.“
„Mein Vater ſoll das Netz nicht ſehen, worin
ſie ſeine Tochter fangen wollten.“ Sie hing ſich mit
Ungeſtüm an ſeinen Arm. „Mich friert; aber nur
hier. Gewiß nur hier, draußen iſt es warm.“
Auch den Legationsrath fröſtelte. Er konnte die
Retterrolle, die er übernommen, bereuen. Die ent¬
ſchloſſenen Züge ſeines Geſichtes ſchienen dem zu
widerſprechen. Aber ſeine Lage war eine kitzlige
für einen vornehmen Mann, dem der Anſtand vor
der Welt allen Rückſichten voran geht. Oeffentlich
aus dieſem Hauſe eine Dame zu führen, deren auf¬
geregter, halb verwilderter Zuſtand den Vermuthungen,
die ſich von ſelbſt machten, nur zu ſehr Thor und
Thür bot. „Sie iſt ja offenbar betrunken,“ mußte
er im Vorbeigehen hören. „Die Schminke eben ab¬
gewiſcht,“ ſagte ein anderer. „Und in der Windfahne
auf offener Straße!“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/326>, abgerufen am 24.11.2024.
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