Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Demoiselle, sagte er dann, Adelheid seinen Arm
bietend, da sich kein anderer Ritter findet, müssen
Sie sich meinem Schutz anvertrauen. Platz!" Die
Menge machte ihn. Im Hinausgehen sah Adelheid
unwillkürlich zurück. "Sie mögen sich entfernen, Herr
v. Bovillard, hatte der Commissar diesem zugeflüstert,
indem er anscheinend in seinem Taschenbuche Bemer¬
kungen notirte. Doch erst nachher, wenn die Menge
sich verlief. Sie verdanken diese Berücksichtigung dem
Zeugniß des Herrn Legationsraths; Sie werden selbst
am besten wissen, daß die Polizei andere über Sie hat."
Der junge Mann stand aufgerichtet, wie eine Bildsäule
regungslos; seine Hand wühlte krampfhaft in der
Brust, nur die Augen schossen noch einen Blick auf
Adelheid's Begleiter, dessen Ausdruck sich nicht be¬
schreiben läßt. Es war nicht mehr das Feuer des
Zornes, nicht das Aufprasseln eines Brandes, der
seinen Höhenpunkt erreicht, es war die Gluth des
Hasses, die still fortlodert, weil sie unerschöpflichen
Stoff unter der Asche gefunden. Und doch zückte dies
stiere Auge als es dem des jungen Mädchens be¬
gegnete, und senkte unwillkürlich die Lider.

"Eilen Sie! rief ihr Begleiter. Draußen ist
frische Luft." Sie schwankte an seinem Arme, als
er sie durch die Thür gerissen.

"Nur einen -- einen Augenblick nur! stöhnte
sie im Vorzimmer -- O Gott, mein Vater, meine
Mutter!" Sie war in einen Sessel im Vorzimmer
gesunken. Der Retter hatte ein Etui mit kleinen

„Demoiſelle, ſagte er dann, Adelheid ſeinen Arm
bietend, da ſich kein anderer Ritter findet, müſſen
Sie ſich meinem Schutz anvertrauen. Platz!“ Die
Menge machte ihn. Im Hinausgehen ſah Adelheid
unwillkürlich zurück. „Sie mögen ſich entfernen, Herr
v. Bovillard, hatte der Commiſſar dieſem zugeflüſtert,
indem er anſcheinend in ſeinem Taſchenbuche Bemer¬
kungen notirte. Doch erſt nachher, wenn die Menge
ſich verlief. Sie verdanken dieſe Berückſichtigung dem
Zeugniß des Herrn Legationsraths; Sie werden ſelbſt
am beſten wiſſen, daß die Polizei andere über Sie hat.“
Der junge Mann ſtand aufgerichtet, wie eine Bildſäule
regungslos; ſeine Hand wühlte krampfhaft in der
Bruſt, nur die Augen ſchoſſen noch einen Blick auf
Adelheid's Begleiter, deſſen Ausdruck ſich nicht be¬
ſchreiben läßt. Es war nicht mehr das Feuer des
Zornes, nicht das Aufpraſſeln eines Brandes, der
ſeinen Höhenpunkt erreicht, es war die Gluth des
Haſſes, die ſtill fortlodert, weil ſie unerſchöpflichen
Stoff unter der Aſche gefunden. Und doch zückte dies
ſtiere Auge als es dem des jungen Mädchens be¬
gegnete, und ſenkte unwillkürlich die Lider.

„Eilen Sie! rief ihr Begleiter. Draußen iſt
friſche Luft.“ Sie ſchwankte an ſeinem Arme, als
er ſie durch die Thür geriſſen.

„Nur einen — einen Augenblick nur! ſtöhnte
ſie im Vorzimmer — O Gott, mein Vater, meine
Mutter!“ Sie war in einen Seſſel im Vorzimmer
geſunken. Der Retter hatte ein Etui mit kleinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0323" n="309"/>
        <p>&#x201E;Demoi&#x017F;elle, &#x017F;agte er dann, Adelheid &#x017F;einen Arm<lb/>
bietend, da &#x017F;ich kein anderer Ritter findet, mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie &#x017F;ich meinem Schutz anvertrauen. Platz!&#x201C; Die<lb/>
Menge machte ihn. Im Hinausgehen &#x017F;ah Adelheid<lb/>
unwillkürlich zurück. &#x201E;Sie mögen &#x017F;ich entfernen, Herr<lb/>
v. Bovillard, hatte der Commi&#x017F;&#x017F;ar die&#x017F;em zugeflü&#x017F;tert,<lb/>
indem er an&#x017F;cheinend in &#x017F;einem Ta&#x017F;chenbuche Bemer¬<lb/>
kungen notirte. Doch er&#x017F;t nachher, wenn die Menge<lb/>
&#x017F;ich verlief. Sie verdanken die&#x017F;e Berück&#x017F;ichtigung dem<lb/>
Zeugniß des Herrn Legationsraths; Sie werden &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
am be&#x017F;ten wi&#x017F;&#x017F;en, daß die Polizei andere über Sie hat.&#x201C;<lb/>
Der junge Mann &#x017F;tand aufgerichtet, wie eine Bild&#x017F;äule<lb/>
regungslos; &#x017F;eine Hand wühlte krampfhaft in der<lb/>
Bru&#x017F;t, nur die Augen &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en noch einen Blick auf<lb/>
Adelheid's Begleiter, de&#x017F;&#x017F;en Ausdruck &#x017F;ich nicht be¬<lb/>
&#x017F;chreiben läßt. Es war nicht mehr das Feuer des<lb/>
Zornes, nicht das Aufpra&#x017F;&#x017F;eln eines Brandes, der<lb/>
&#x017F;einen Höhenpunkt erreicht, es war die Gluth des<lb/>
Ha&#x017F;&#x017F;es, die &#x017F;till fortlodert, weil &#x017F;ie uner&#x017F;chöpflichen<lb/>
Stoff unter der A&#x017F;che gefunden. Und doch zückte dies<lb/>
&#x017F;tiere Auge als es dem des jungen Mädchens be¬<lb/>
gegnete, und &#x017F;enkte unwillkürlich die Lider.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eilen Sie! rief ihr Begleiter. Draußen i&#x017F;t<lb/>
fri&#x017F;che Luft.&#x201C; Sie &#x017F;chwankte an &#x017F;einem Arme, als<lb/>
er &#x017F;ie durch die Thür geri&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nur einen &#x2014; einen Augenblick nur! &#x017F;töhnte<lb/>
&#x017F;ie im Vorzimmer &#x2014; O Gott, mein Vater, meine<lb/>
Mutter!&#x201C; Sie war in einen Se&#x017F;&#x017F;el im Vorzimmer<lb/>
ge&#x017F;unken. Der Retter hatte ein Etui mit kleinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0323] „Demoiſelle, ſagte er dann, Adelheid ſeinen Arm bietend, da ſich kein anderer Ritter findet, müſſen Sie ſich meinem Schutz anvertrauen. Platz!“ Die Menge machte ihn. Im Hinausgehen ſah Adelheid unwillkürlich zurück. „Sie mögen ſich entfernen, Herr v. Bovillard, hatte der Commiſſar dieſem zugeflüſtert, indem er anſcheinend in ſeinem Taſchenbuche Bemer¬ kungen notirte. Doch erſt nachher, wenn die Menge ſich verlief. Sie verdanken dieſe Berückſichtigung dem Zeugniß des Herrn Legationsraths; Sie werden ſelbſt am beſten wiſſen, daß die Polizei andere über Sie hat.“ Der junge Mann ſtand aufgerichtet, wie eine Bildſäule regungslos; ſeine Hand wühlte krampfhaft in der Bruſt, nur die Augen ſchoſſen noch einen Blick auf Adelheid's Begleiter, deſſen Ausdruck ſich nicht be¬ ſchreiben läßt. Es war nicht mehr das Feuer des Zornes, nicht das Aufpraſſeln eines Brandes, der ſeinen Höhenpunkt erreicht, es war die Gluth des Haſſes, die ſtill fortlodert, weil ſie unerſchöpflichen Stoff unter der Aſche gefunden. Und doch zückte dies ſtiere Auge als es dem des jungen Mädchens be¬ gegnete, und ſenkte unwillkürlich die Lider. „Eilen Sie! rief ihr Begleiter. Draußen iſt friſche Luft.“ Sie ſchwankte an ſeinem Arme, als er ſie durch die Thür geriſſen. „Nur einen — einen Augenblick nur! ſtöhnte ſie im Vorzimmer — O Gott, mein Vater, meine Mutter!“ Sie war in einen Seſſel im Vorzimmer geſunken. Der Retter hatte ein Etui mit kleinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/323
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/323>, abgerufen am 28.11.2024.