spannt vor den Wagen, oder noch besser viere, Extra¬ post, und nun Schwager ins Horn gestoßen und ge¬ knallt, über Berg und Thal, und Sonnenschein und überall geputzte und frohe Menschen. Das ist ein Leben mein Engelchen. Berlin ist eine hübsche Stadt; aber ach Gott was giebts noch für andere! Das zu sehen und sich erklären zu lassen! Und Herr van Asten müßte neben Ihnen im Wagen sitzen! Na das wäre doch ein Leben wie alle Tag Sonntag. Ihnen gönne ich's. 'S kommt auch mal so. Was man sich wünscht, das kommt."
Adelheid schwieg betroffen. Hatte sie sich denn das gewünscht? "Nein, liebe Frau Obristin, daran habe ich gar nicht gedacht. Neulich, da schämte ich mich fast, daß ich noch nicht in Potsdam gewesen, und daß Sie aus Leipzig kamen, aber jetzt -- jetzt ist mir gar nicht, als wenn das nöthig wäre. Wenn Herr van Asten mir von den fremden Ländern erzählt, so brauche ich gar nicht zu reisen."
"Ist das ein himmlisches Gemüth! -- Und wie sie die Chocolade nippt, seht Euch mal das an. Wo sitzt auf ihren Lippen nur ein Tröpfchen, und wie Ihr immer schlürft. Die Schaale faßt sie doch an, als hätte sie's bei Hofe gelernt. -- Nu müssen Sie auch mal in die Untertasse sehn, das ist ein Spiegel, da sieht Adelheidchen sich selbst."
Adelheid ließ die Porzellantasse beinahe fallen. "Die Venus! das ist ja die Venus!" kreischten die Mädchen. Die Tante wollte über die Attrappe sich
ſpannt vor den Wagen, oder noch beſſer viere, Extra¬ poſt, und nun Schwager ins Horn geſtoßen und ge¬ knallt, über Berg und Thal, und Sonnenſchein und überall geputzte und frohe Menſchen. Das iſt ein Leben mein Engelchen. Berlin iſt eine hübſche Stadt; aber ach Gott was giebts noch für andere! Das zu ſehen und ſich erklären zu laſſen! Und Herr van Aſten müßte neben Ihnen im Wagen ſitzen! Na das wäre doch ein Leben wie alle Tag Sonntag. Ihnen gönne ich's. 'S kommt auch mal ſo. Was man ſich wünſcht, das kommt.“
Adelheid ſchwieg betroffen. Hatte ſie ſich denn das gewünſcht? „Nein, liebe Frau Obriſtin, daran habe ich gar nicht gedacht. Neulich, da ſchämte ich mich faſt, daß ich noch nicht in Potsdam geweſen, und daß Sie aus Leipzig kamen, aber jetzt — jetzt iſt mir gar nicht, als wenn das nöthig wäre. Wenn Herr van Aſten mir von den fremden Ländern erzählt, ſo brauche ich gar nicht zu reiſen.“
„Iſt das ein himmliſches Gemüth! — Und wie ſie die Chocolade nippt, ſeht Euch mal das an. Wo ſitzt auf ihren Lippen nur ein Tröpfchen, und wie Ihr immer ſchlürft. Die Schaale faßt ſie doch an, als hätte ſie's bei Hofe gelernt. — Nu müſſen Sie auch mal in die Untertaſſe ſehn, das iſt ein Spiegel, da ſieht Adelheidchen ſich ſelbſt.“
Adelheid ließ die Porzellantaſſe beinahe fallen. „Die Venus! das iſt ja die Venus!“ kreiſchten die Mädchen. Die Tante wollte über die Attrappe ſich
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ſpannt vor den Wagen, oder noch beſſer viere, Extra¬
poſt, und nun Schwager ins Horn geſtoßen und ge¬
knallt, über Berg und Thal, und Sonnenſchein und
überall geputzte und frohe Menſchen. Das iſt ein
Leben mein Engelchen. Berlin iſt eine hübſche Stadt;
aber ach Gott was giebts noch für andere! Das zu
ſehen und ſich erklären zu laſſen! Und Herr van Aſten
müßte neben Ihnen im Wagen ſitzen! Na das wäre
doch ein Leben wie alle Tag Sonntag. Ihnen gönne
ich's. 'S kommt auch mal ſo. Was man ſich wünſcht,
das kommt.“
Adelheid ſchwieg betroffen. Hatte ſie ſich denn
das gewünſcht? „Nein, liebe Frau Obriſtin, daran
habe ich gar nicht gedacht. Neulich, da ſchämte ich
mich faſt, daß ich noch nicht in Potsdam geweſen,
und daß Sie aus Leipzig kamen, aber jetzt — jetzt
iſt mir gar nicht, als wenn das nöthig wäre. Wenn
Herr van Aſten mir von den fremden Ländern erzählt,
ſo brauche ich gar nicht zu reiſen.“
„Iſt das ein himmliſches Gemüth! — Und wie
ſie die Chocolade nippt, ſeht Euch mal das an. Wo
ſitzt auf ihren Lippen nur ein Tröpfchen, und wie
Ihr immer ſchlürft. Die Schaale faßt ſie doch an,
als hätte ſie's bei Hofe gelernt. — Nu müſſen Sie
auch mal in die Untertaſſe ſehn, das iſt ein Spiegel,
da ſieht Adelheidchen ſich ſelbſt.“
Adelheid ließ die Porzellantaſſe beinahe fallen.
„Die Venus! das iſt ja die Venus!“ kreiſchten die
Mädchen. Die Tante wollte über die Attrappe ſich
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/298>, abgerufen am 28.11.2024.
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