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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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"Bovillard rast!"

"Du willst sie doch nicht selbst in Dich verliebt
machen?" sagte der Minister.

"Nichts davon, es muß etwas ganz Absonder¬
liches dabei sein." Er zog den Rock aus und warf
ihn auf die Erde. Auch das Halstuch folgte. Die
Toilette des Ministers entsprach allenfalls diesem
Neglige, nur der Kammerherr blieb zugeknöpft.

"Unser Geheimrath ist im Zustande der Divi¬
nation."

"Etwas Frappantes, rief Bovillard, daß man drei
Tage vor lautem Gelächter die Glocken nicht hört --
Wenns irgend einen berühmten Kanzelredner gäbe --"

"Warum nicht gar!"

"Du hast Recht! Da machte man sie zu einer
Schwärmerin. Es muß gar keine Erklärung für die
Neigung geben. Etwas Originelles, ein Flügelmann
von der Garde oder ein Zwerg. Ein grundhäßlicher
Kerl, ein Bucklichter, ein Weiberfeind. Ein Trunken¬
bold, ein Weiser. Wenn der alte Gundling noch
lebte, oder Moses Mendelssohn."

"Ich schlage Johannes Müller vor."

"Er müßte sich doch auch in sie verlieben
können."

"Und am Ende hieße es, sie hätte sich nur in
seine Schweizergeschichte verliebt," sagte der Minister,
und mit niedergeschlagenen Augen flüsterte er: "Ich
wüßte schon Jemand --"

Das stille Gelächter, die verkniffenen Lippen, die

„Bovillard raſt!“

„Du willſt ſie doch nicht ſelbſt in Dich verliebt
machen?“ ſagte der Miniſter.

„Nichts davon, es muß etwas ganz Abſonder¬
liches dabei ſein.“ Er zog den Rock aus und warf
ihn auf die Erde. Auch das Halstuch folgte. Die
Toilette des Miniſters entſprach allenfalls dieſem
Négligé, nur der Kammerherr blieb zugeknöpft.

„Unſer Geheimrath iſt im Zuſtande der Divi¬
nation.“

„Etwas Frappantes, rief Bovillard, daß man drei
Tage vor lautem Gelächter die Glocken nicht hört —
Wenns irgend einen berühmten Kanzelredner gäbe —“

„Warum nicht gar!“

„Du haſt Recht! Da machte man ſie zu einer
Schwärmerin. Es muß gar keine Erklärung für die
Neigung geben. Etwas Originelles, ein Flügelmann
von der Garde oder ein Zwerg. Ein grundhäßlicher
Kerl, ein Bucklichter, ein Weiberfeind. Ein Trunken¬
bold, ein Weiſer. Wenn der alte Gundling noch
lebte, oder Moſes Mendelsſohn.“

„Ich ſchlage Johannes Müller vor.“

„Er müßte ſich doch auch in ſie verlieben
können.“

„Und am Ende hieße es, ſie hätte ſich nur in
ſeine Schweizergeſchichte verliebt,“ ſagte der Miniſter,
und mit niedergeſchlagenen Augen flüſterte er: „Ich
wüßte ſchon Jemand —“

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[260/0274] „Bovillard raſt!“ „Du willſt ſie doch nicht ſelbſt in Dich verliebt machen?“ ſagte der Miniſter. „Nichts davon, es muß etwas ganz Abſonder¬ liches dabei ſein.“ Er zog den Rock aus und warf ihn auf die Erde. Auch das Halstuch folgte. Die Toilette des Miniſters entſprach allenfalls dieſem Négligé, nur der Kammerherr blieb zugeknöpft. „Unſer Geheimrath iſt im Zuſtande der Divi¬ nation.“ „Etwas Frappantes, rief Bovillard, daß man drei Tage vor lautem Gelächter die Glocken nicht hört — Wenns irgend einen berühmten Kanzelredner gäbe —“ „Warum nicht gar!“ „Du haſt Recht! Da machte man ſie zu einer Schwärmerin. Es muß gar keine Erklärung für die Neigung geben. Etwas Originelles, ein Flügelmann von der Garde oder ein Zwerg. Ein grundhäßlicher Kerl, ein Bucklichter, ein Weiberfeind. Ein Trunken¬ bold, ein Weiſer. Wenn der alte Gundling noch lebte, oder Moſes Mendelsſohn.“ „Ich ſchlage Johannes Müller vor.“ „Er müßte ſich doch auch in ſie verlieben können.“ „Und am Ende hieße es, ſie hätte ſich nur in ſeine Schweizergeſchichte verliebt,“ ſagte der Miniſter, und mit niedergeſchlagenen Augen flüſterte er: „Ich wüßte ſchon Jemand —“ Das ſtille Gelächter, die verkniffenen Lippen, die

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/274>, abgerufen am 24.11.2024.