Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

betreffenden Amtsvergehens. Der Minister ertheilte
sein Gutachten dahin, daß nach seinem besten Er¬
messen der Fall mit unnachsichtiger Strenge zu be¬
behandeln sei, und daß jede Schonung zum unver¬
windlichen Schaden des königlichen Dienstes aus¬
schlagen müsse. Er drang selbst im Interesse des
Staatsdienstes auf eine strenge Ahndung und augen¬
blickliche Suspension des Angeschuldigten.

Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er
unterschrieb, durchzulesen. Er las diese Schrift zwei
Mal und murmelte: "Sieh da die feine Feder meines
jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr
v. Fuchsius, wollen Sie sich schon so wichtig machen
und unentbehrlich! Und auch diese feinen Anspie¬
lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich
erinnern."

Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬
schrift warten müssen, wenn ihm der Geheimrath nicht
die Weisung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬
gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung
schien aber dem Geheimrath selbst einige Sorge zu
machen, denn den Kopf im Arm, stierte er lange in
die Luft, bis allmälig ein sardonisches Lächeln über
die Lippen spielte, und er mit einem ganz eigen¬
thümlichen Blick ausrief: "Wenn es denn doch ein¬
mal sein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬
fassen."

Er schrieb sehr schnell. Zwei Seiten waren ge¬
füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: "hätte

betreffenden Amtsvergehens. Der Miniſter ertheilte
ſein Gutachten dahin, daß nach ſeinem beſten Er¬
meſſen der Fall mit unnachſichtiger Strenge zu be¬
behandeln ſei, und daß jede Schonung zum unver¬
windlichen Schaden des königlichen Dienſtes aus¬
ſchlagen müſſe. Er drang ſelbſt im Intereſſe des
Staatsdienſtes auf eine ſtrenge Ahndung und augen¬
blickliche Suspenſion des Angeſchuldigten.

Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er
unterſchrieb, durchzuleſen. Er las dieſe Schrift zwei
Mal und murmelte: „Sieh da die feine Feder meines
jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr
v. Fuchſius, wollen Sie ſich ſchon ſo wichtig machen
und unentbehrlich! Und auch dieſe feinen Anſpie¬
lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich
erinnern.“

Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬
ſchrift warten müſſen, wenn ihm der Geheimrath nicht
die Weiſung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬
gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung
ſchien aber dem Geheimrath ſelbſt einige Sorge zu
machen, denn den Kopf im Arm, ſtierte er lange in
die Luft, bis allmälig ein ſardoniſches Lächeln über
die Lippen ſpielte, und er mit einem ganz eigen¬
thümlichen Blick ausrief: „Wenn es denn doch ein¬
mal ſein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬
faſſen.“

Er ſchrieb ſehr ſchnell. Zwei Seiten waren ge¬
füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: „hätte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0262" n="248"/>
betreffenden Amtsvergehens. Der Mini&#x017F;ter ertheilte<lb/>
&#x017F;ein Gutachten dahin, daß nach &#x017F;einem be&#x017F;ten Er¬<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en der Fall mit unnach&#x017F;ichtiger Strenge zu be¬<lb/>
behandeln &#x017F;ei, und daß jede Schonung zum unver¬<lb/>
windlichen Schaden des königlichen Dien&#x017F;tes aus¬<lb/>
&#x017F;chlagen mü&#x017F;&#x017F;e. Er drang &#x017F;elb&#x017F;t im Intere&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
Staatsdien&#x017F;tes auf eine &#x017F;trenge Ahndung und augen¬<lb/>
blickliche Suspen&#x017F;ion des Ange&#x017F;chuldigten.</p><lb/>
        <p>Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er<lb/>
unter&#x017F;chrieb, durchzule&#x017F;en. Er las die&#x017F;e Schrift zwei<lb/>
Mal und murmelte: &#x201E;Sieh da die feine Feder meines<lb/>
jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr<lb/>
v. Fuch&#x017F;ius, wollen Sie &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;o wichtig machen<lb/>
und unentbehrlich! Und auch die&#x017F;e feinen An&#x017F;pie¬<lb/>
lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich<lb/>
erinnern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬<lb/>
&#x017F;chrift warten mü&#x017F;&#x017F;en, wenn ihm der Geheimrath nicht<lb/>
die Wei&#x017F;ung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬<lb/>
gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung<lb/>
&#x017F;chien aber dem Geheimrath &#x017F;elb&#x017F;t einige Sorge zu<lb/>
machen, denn den Kopf im Arm, &#x017F;tierte er lange in<lb/>
die Luft, bis allmälig ein &#x017F;ardoni&#x017F;ches Lächeln über<lb/>
die Lippen &#x017F;pielte, und er mit einem ganz eigen¬<lb/>
thümlichen Blick ausrief: &#x201E;Wenn es denn doch ein¬<lb/>
mal &#x017F;ein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;chrieb &#x017F;ehr &#x017F;chnell. Zwei Seiten waren ge¬<lb/>
füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: &#x201E;hätte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0262] betreffenden Amtsvergehens. Der Miniſter ertheilte ſein Gutachten dahin, daß nach ſeinem beſten Er¬ meſſen der Fall mit unnachſichtiger Strenge zu be¬ behandeln ſei, und daß jede Schonung zum unver¬ windlichen Schaden des königlichen Dienſtes aus¬ ſchlagen müſſe. Er drang ſelbſt im Intereſſe des Staatsdienſtes auf eine ſtrenge Ahndung und augen¬ blickliche Suspenſion des Angeſchuldigten. Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er unterſchrieb, durchzuleſen. Er las dieſe Schrift zwei Mal und murmelte: „Sieh da die feine Feder meines jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr v. Fuchſius, wollen Sie ſich ſchon ſo wichtig machen und unentbehrlich! Und auch dieſe feinen Anſpie¬ lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich erinnern.“ Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬ ſchrift warten müſſen, wenn ihm der Geheimrath nicht die Weiſung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬ gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung ſchien aber dem Geheimrath ſelbſt einige Sorge zu machen, denn den Kopf im Arm, ſtierte er lange in die Luft, bis allmälig ein ſardoniſches Lächeln über die Lippen ſpielte, und er mit einem ganz eigen¬ thümlichen Blick ausrief: „Wenn es denn doch ein¬ mal ſein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬ faſſen.“ Er ſchrieb ſehr ſchnell. Zwei Seiten waren ge¬ füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: „hätte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/262
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/262>, abgerufen am 24.11.2024.