Aufgabe, unsre besten Kräfte dem Dinge zu widmen, was sie Staat nennen."
"Ihre Rechnung ist nur nicht ganz richtig, ent¬ gegnete der Minister. Diese Figuranten und Stehauf¬ männer, deren jeder Staat bedarf, bleiben es nicht immer, sie bekommen nur zu oft eignes Leben und eignen Willen, und rebelliren dann gegen die, welche ihre Schöpfer waren. Passons la dessus!"
Sie setzten sich auf eine beschattete Bank, mit der Aussicht auf einen Wiesenplan und das Haus. Ihr Gespräch war noch nicht zu Ende; das fühlte sich von beiden Seiten heraus, wenn gleich jeder den Anfang zu machen scheute. Der Minister saß nach¬ denkend, den Kopf im Arm gestützt.
"Bovillard, hub er endlich an, will Ihr Pro¬ tege sich rächen, vergessene Dinge ausplaudern, so trifft es nur mich! Was ist der Einzelne dem Staat gegenüber!"
"Excellenz, auf der Goldwaage, auf der Lupinus zu leicht wiegt, müßten Viele springen."
"Und wer sagt Ihnen, daß sie nicht springen werden, -- wenn ein Changement eintritt."
Bovillard sah den Minister groß an: "Nach Lombards Depeschen! Die Radziwill hat sich vor Aerger krank melden lassen, die schöne Princeß Wil¬ helm schreitet wie eine heilige Katharina in stummem Zorn durch ihre Gemächer, die Garde du Corps -- was weiß ich, was sie thun. Prinz Louis hat, glaube ich, ein Pferd todt geritten, und bei der Mamsell
I. 16
Aufgabe, unſre beſten Kräfte dem Dinge zu widmen, was ſie Staat nennen.“
„Ihre Rechnung iſt nur nicht ganz richtig, ent¬ gegnete der Miniſter. Dieſe Figuranten und Stehauf¬ männer, deren jeder Staat bedarf, bleiben es nicht immer, ſie bekommen nur zu oft eignes Leben und eignen Willen, und rebelliren dann gegen die, welche ihre Schöpfer waren. Passons là dessus!“
Sie ſetzten ſich auf eine beſchattete Bank, mit der Ausſicht auf einen Wieſenplan und das Haus. Ihr Geſpräch war noch nicht zu Ende; das fühlte ſich von beiden Seiten heraus, wenn gleich jeder den Anfang zu machen ſcheute. Der Miniſter ſaß nach¬ denkend, den Kopf im Arm geſtützt.
„Bovillard, hub er endlich an, will Ihr Pro¬ tegé ſich rächen, vergeſſene Dinge ausplaudern, ſo trifft es nur mich! Was iſt der Einzelne dem Staat gegenüber!“
„Excellenz, auf der Goldwaage, auf der Lupinus zu leicht wiegt, müßten Viele ſpringen.“
„Und wer ſagt Ihnen, daß ſie nicht ſpringen werden, — wenn ein Changement eintritt.“
Bovillard ſah den Miniſter groß an: „Nach Lombards Depeſchen! Die Radziwill hat ſich vor Aerger krank melden laſſen, die ſchöne Princeß Wil¬ helm ſchreitet wie eine heilige Katharina in ſtummem Zorn durch ihre Gemächer, die Garde du Corps — was weiß ich, was ſie thun. Prinz Louis hat, glaube ich, ein Pferd todt geritten, und bei der Mamſell
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Aufgabe, unſre beſten Kräfte dem Dinge zu widmen,
was ſie Staat nennen.“
„Ihre Rechnung iſt nur nicht ganz richtig, ent¬
gegnete der Miniſter. Dieſe Figuranten und Stehauf¬
männer, deren jeder Staat bedarf, bleiben es nicht
immer, ſie bekommen nur zu oft eignes Leben und
eignen Willen, und rebelliren dann gegen die, welche
ihre Schöpfer waren. Passons là dessus!“
Sie ſetzten ſich auf eine beſchattete Bank, mit
der Ausſicht auf einen Wieſenplan und das Haus.
Ihr Geſpräch war noch nicht zu Ende; das fühlte
ſich von beiden Seiten heraus, wenn gleich jeder den
Anfang zu machen ſcheute. Der Miniſter ſaß nach¬
denkend, den Kopf im Arm geſtützt.
„Bovillard, hub er endlich an, will Ihr Pro¬
tegé ſich rächen, vergeſſene Dinge ausplaudern, ſo
trifft es nur mich! Was iſt der Einzelne dem Staat
gegenüber!“
„Excellenz, auf der Goldwaage, auf der Lupinus
zu leicht wiegt, müßten Viele ſpringen.“
„Und wer ſagt Ihnen, daß ſie nicht ſpringen
werden, — wenn ein Changement eintritt.“
Bovillard ſah den Miniſter groß an: „Nach
Lombards Depeſchen! Die Radziwill hat ſich vor
Aerger krank melden laſſen, die ſchöne Princeß Wil¬
helm ſchreitet wie eine heilige Katharina in ſtummem
Zorn durch ihre Gemächer, die Garde du Corps —
was weiß ich, was ſie thun. Prinz Louis hat, glaube
ich, ein Pferd todt geritten, und bei der Mamſell
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/255>, abgerufen am 25.02.2025.
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