wenn er das nicht mal könne! Der König könne aber noch weit mehr, wenn er nur wolle; es gäbe jedoch Personen, die viel klüger sein wollten, als der König, und alles besser wissen und machen, und sie wisse auch, was sie gehört, und könnte manches sagen was Mancher nicht gern hörte. Und wer nur gestern Abend sein Ohr aufgehabt hätte im hintersten Hofe, und unterm Gitterfenster gehorcht, was die Gefan¬ genen gesungen. Davon könnte manches Vögelchen Lieder singen, die Mancherman gar häßlich klingen würden!
"Sie unverschämtes -- ich glaube gar Sie hat getrunken!"
"Ich getrunken! Habe ich das um den Herrn Geheimrath verdient, als ich gestern Abend gar nicht sah, wie Sie die Treppe heraufkamen, die kleine Hintertreppe, und nicht wußten, wo die Thüre war. Ich getrunken! Ein Glas Weißbier setzten mir der Herr Wachtmeister von Prinz Louis-Dragonern vor, und das trank ich, der Kinder wegen, denn wir waren außer Athem, weil die Leute so grausam dräng¬ ten, und so hob der Herr Wachtmeister die Kinder über die Lyciumhecke, und ich quetschte mich durch die Hecke, und da sagte der Wachtmeister ich sollte erst einen Pomeranzen mit ihm über die Lippen nehmen, weil ich so echauffirt wäre. Das kann der Wirth im blauen Himmel bezeugen; der sagte, wir zerträten ihm seine Hecke, und er war betrunken. Aber wo wären wir alle, und die lieben Kinder, die schrien,
wenn er das nicht mal könne! Der König könne aber noch weit mehr, wenn er nur wolle; es gäbe jedoch Perſonen, die viel klüger ſein wollten, als der König, und alles beſſer wiſſen und machen, und ſie wiſſe auch, was ſie gehört, und könnte manches ſagen was Mancher nicht gern hörte. Und wer nur geſtern Abend ſein Ohr aufgehabt hätte im hinterſten Hofe, und unterm Gitterfenſter gehorcht, was die Gefan¬ genen geſungen. Davon könnte manches Vögelchen Lieder ſingen, die Mancherman gar häßlich klingen würden!
„Sie unverſchämtes — ich glaube gar Sie hat getrunken!“
„Ich getrunken! Habe ich das um den Herrn Geheimrath verdient, als ich geſtern Abend gar nicht ſah, wie Sie die Treppe heraufkamen, die kleine Hintertreppe, und nicht wußten, wo die Thüre war. Ich getrunken! Ein Glas Weißbier ſetzten mir der Herr Wachtmeiſter von Prinz Louis-Dragonern vor, und das trank ich, der Kinder wegen, denn wir waren außer Athem, weil die Leute ſo grauſam dräng¬ ten, und ſo hob der Herr Wachtmeiſter die Kinder über die Lyciumhecke, und ich quetſchte mich durch die Hecke, und da ſagte der Wachtmeiſter ich ſollte erſt einen Pomeranzen mit ihm über die Lippen nehmen, weil ich ſo echauffirt wäre. Das kann der Wirth im blauen Himmel bezeugen; der ſagte, wir zerträten ihm ſeine Hecke, und er war betrunken. Aber wo wären wir alle, und die lieben Kinder, die ſchrien,
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wenn er das nicht mal könne! Der König könne
aber noch weit mehr, wenn er nur wolle; es gäbe
jedoch Perſonen, die viel klüger ſein wollten, als der
König, und alles beſſer wiſſen und machen, und ſie
wiſſe auch, was ſie gehört, und könnte manches ſagen
was Mancher nicht gern hörte. Und wer nur geſtern
Abend ſein Ohr aufgehabt hätte im hinterſten Hofe,
und unterm Gitterfenſter gehorcht, was die Gefan¬
genen geſungen. Davon könnte manches Vögelchen
Lieder ſingen, die Mancherman gar häßlich klingen
würden!
„Sie unverſchämtes — ich glaube gar Sie hat
getrunken!“
„Ich getrunken! Habe ich das um den Herrn
Geheimrath verdient, als ich geſtern Abend gar nicht
ſah, wie Sie die Treppe heraufkamen, die kleine
Hintertreppe, und nicht wußten, wo die Thüre war.
Ich getrunken! Ein Glas Weißbier ſetzten mir der
Herr Wachtmeiſter von Prinz Louis-Dragonern vor,
und das trank ich, der Kinder wegen, denn wir
waren außer Athem, weil die Leute ſo grauſam dräng¬
ten, und ſo hob der Herr Wachtmeiſter die Kinder
über die Lyciumhecke, und ich quetſchte mich durch die
Hecke, und da ſagte der Wachtmeiſter ich ſollte erſt
einen Pomeranzen mit ihm über die Lippen nehmen,
weil ich ſo echauffirt wäre. Das kann der Wirth im
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ihm ſeine Hecke, und er war betrunken. Aber wo
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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