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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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"Ach wer wieder ein Kind werden könnte!"

"Und wer kein Staatsmann geworden wäre!
seufzte der Minister. Ich war eigentlich zum Herrn¬
huter geboren. Warum mußte man mich hinausreißen
an die Höfe, ins Feld der Intriguen. Ich hätte ein
Vater unter meinen Unterthanen gelebt, sie beglückend,
selbst beglückt."

"Und nun beglücken Excellenz ein ganzes Volk.
Voila la difference!"

"Das mich verunglimpft, weil ich -- solche gute
Freunde habe."

"Wir wollen uns Alle bessern, Excellenz! Diese
Laube sei der Tempel der Tugend, wo wir ihr Ge¬
horsam geloben, und die Frau Ministerin die erha¬
bene Priesterin, welche unsre Schwüre empfängt."

"A propos, hub die Ministerin an, wissen Sie
denn den Vorfall von gestern bei Hofe?"

Der Geheimrath kannte ihn noch nicht.

"Der König und die Königin hatten eine Land¬
partie verabredet, nach Pichelswerder. Sie laden die
alte Voß ein, daran Theil zu nehmen. Aber ganz
ländlich heißt es. Wird das unsrer lieben Gräfin
auch anstehen? Sie fühlt sich unendlich geehrt, an
einem Vergnügen Theil zu nehmen, was Ihro Ma¬
jestäten nicht verschmähen, und in voller Galla rauscht
sie die Treppen hinunter, worüber die Majestäten
schon kaum ihre Lust zurückhalten. Denn mit Schrecken
sieht die Gräfin die Mütze des Königs, und die Kö¬
nigin in dem Morgenrock, der ihr so reizend steht.

„Ach wer wieder ein Kind werden könnte!“

„Und wer kein Staatsmann geworden wäre!
ſeufzte der Miniſter. Ich war eigentlich zum Herrn¬
huter geboren. Warum mußte man mich hinausreißen
an die Höfe, ins Feld der Intriguen. Ich hätte ein
Vater unter meinen Unterthanen gelebt, ſie beglückend,
ſelbſt beglückt.“

„Und nun beglücken Excellenz ein ganzes Volk.
Voilà la différence!“

„Das mich verunglimpft, weil ich — ſolche gute
Freunde habe.“

„Wir wollen uns Alle beſſern, Excellenz! Dieſe
Laube ſei der Tempel der Tugend, wo wir ihr Ge¬
horſam geloben, und die Frau Miniſterin die erha¬
bene Prieſterin, welche unſre Schwüre empfängt.“

A propos, hub die Miniſterin an, wiſſen Sie
denn den Vorfall von geſtern bei Hofe?“

Der Geheimrath kannte ihn noch nicht.

„Der König und die Königin hatten eine Land¬
partie verabredet, nach Pichelswerder. Sie laden die
alte Voß ein, daran Theil zu nehmen. Aber ganz
ländlich heißt es. Wird das unſrer lieben Gräfin
auch anſtehen? Sie fühlt ſich unendlich geehrt, an
einem Vergnügen Theil zu nehmen, was Ihro Ma¬
jeſtäten nicht verſchmähen, und in voller Galla rauſcht
ſie die Treppen hinunter, worüber die Majeſtäten
ſchon kaum ihre Luſt zurückhalten. Denn mit Schrecken
ſieht die Gräfin die Mütze des Königs, und die Kö¬
nigin in dem Morgenrock, der ihr ſo reizend ſteht.

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[221/0235] „Ach wer wieder ein Kind werden könnte!“ „Und wer kein Staatsmann geworden wäre! ſeufzte der Miniſter. Ich war eigentlich zum Herrn¬ huter geboren. Warum mußte man mich hinausreißen an die Höfe, ins Feld der Intriguen. Ich hätte ein Vater unter meinen Unterthanen gelebt, ſie beglückend, ſelbſt beglückt.“ „Und nun beglücken Excellenz ein ganzes Volk. Voilà la différence!“ „Das mich verunglimpft, weil ich — ſolche gute Freunde habe.“ „Wir wollen uns Alle beſſern, Excellenz! Dieſe Laube ſei der Tempel der Tugend, wo wir ihr Ge¬ horſam geloben, und die Frau Miniſterin die erha¬ bene Prieſterin, welche unſre Schwüre empfängt.“ „A propos, hub die Miniſterin an, wiſſen Sie denn den Vorfall von geſtern bei Hofe?“ Der Geheimrath kannte ihn noch nicht. „Der König und die Königin hatten eine Land¬ partie verabredet, nach Pichelswerder. Sie laden die alte Voß ein, daran Theil zu nehmen. Aber ganz ländlich heißt es. Wird das unſrer lieben Gräfin auch anſtehen? Sie fühlt ſich unendlich geehrt, an einem Vergnügen Theil zu nehmen, was Ihro Ma¬ jeſtäten nicht verſchmähen, und in voller Galla rauſcht ſie die Treppen hinunter, worüber die Majeſtäten ſchon kaum ihre Luſt zurückhalten. Denn mit Schrecken ſieht die Gräfin die Mütze des Königs, und die Kö¬ nigin in dem Morgenrock, der ihr ſo reizend ſteht.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/235>, abgerufen am 24.11.2024.