Er hatte wieder geklingelt, und der Kammer¬ diener ihn entkleiden müssen. "Und die Equipage, Excellenz?" -- "Ausspannen!" Der Secretair hatte die Schreibmaterialien zurecht legen müssen, der beste und fertigste Copist in Bereitschaft stehen. Der Co¬ pist hatte eine Stunde mit eingetauchter Feder bereit gestanden, es standen aber erst zwei und eine halbe Zeile auf dem Conceptbogen.
Der Minister saß auch gar nicht mehr am Schreibtisch, er saß zurückgelehnt auf dem Sopha. "Entweder es ist, oder es ist nicht, dachte Seine Excellenz. Wenn es nicht ist, so ist es gut, wenn es ist, so ist es vielleicht auch gut, -- gähnte er, von der Hitze im Zimmer übermannt -- dann ist doch das Ende vom Liede, daß wir unsere Entlassung nehmen müssen." Weshalb sich für diese Eventualität noch mit einem schwierigen und kitzlichen Memoire be¬ fassen, es kann der Griff in ein Wespennest werden, und an stechenden Insecten fehlte es ohnedies nicht. Eine unverschämte Bremse schwirrte unermüdlich um seine heiße Stirn.
Der Secretair hatte sich lächelnd von der Thür, an der er gelauscht, an sein Pult begeben, und der Copist auch lächelnd seine Feder ausgewischt, als man den Minister endlich sah, mit dem Battisttuch sich Luft wedelnd, ins Freie begeben. Beim Durchgehen hatte er verordnet, die Akten ihm in die Laube zu tragen.
Die stille Scene glücklicher Häuslichkeit, in wel¬ cher die Sorgen von vorhin schon verschwunden
Er hatte wieder geklingelt, und der Kammer¬ diener ihn entkleiden müſſen. „Und die Equipage, Excellenz?“ — „Ausſpannen!“ Der Secretair hatte die Schreibmaterialien zurecht legen müſſen, der beſte und fertigſte Copiſt in Bereitſchaft ſtehen. Der Co¬ piſt hatte eine Stunde mit eingetauchter Feder bereit geſtanden, es ſtanden aber erſt zwei und eine halbe Zeile auf dem Conceptbogen.
Der Miniſter ſaß auch gar nicht mehr am Schreibtiſch, er ſaß zurückgelehnt auf dem Sopha. „Entweder es iſt, oder es iſt nicht, dachte Seine Excellenz. Wenn es nicht iſt, ſo iſt es gut, wenn es iſt, ſo iſt es vielleicht auch gut, — gähnte er, von der Hitze im Zimmer übermannt — dann iſt doch das Ende vom Liede, daß wir unſere Entlaſſung nehmen müſſen.“ Weshalb ſich für dieſe Eventualität noch mit einem ſchwierigen und kitzlichen Memoire be¬ faſſen, es kann der Griff in ein Wespenneſt werden, und an ſtechenden Inſecten fehlte es ohnedies nicht. Eine unverſchämte Bremſe ſchwirrte unermüdlich um ſeine heiße Stirn.
Der Secretair hatte ſich lächelnd von der Thür, an der er gelauſcht, an ſein Pult begeben, und der Copiſt auch lächelnd ſeine Feder ausgewiſcht, als man den Miniſter endlich ſah, mit dem Battiſttuch ſich Luft wedelnd, ins Freie begeben. Beim Durchgehen hatte er verordnet, die Akten ihm in die Laube zu tragen.
Die ſtille Scene glücklicher Häuslichkeit, in wel¬ cher die Sorgen von vorhin ſchon verſchwunden
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0232"n="218"/><p>Er hatte wieder geklingelt, und der Kammer¬<lb/>
diener ihn entkleiden müſſen. „Und die Equipage,<lb/>
Excellenz?“—„Ausſpannen!“ Der Secretair hatte<lb/>
die Schreibmaterialien zurecht legen müſſen, der beſte<lb/>
und fertigſte Copiſt in Bereitſchaft ſtehen. Der Co¬<lb/>
piſt hatte eine Stunde mit eingetauchter Feder bereit<lb/>
geſtanden, es ſtanden aber erſt zwei und eine halbe<lb/>
Zeile auf dem Conceptbogen.</p><lb/><p>Der Miniſter ſaß auch gar nicht mehr am<lb/>
Schreibtiſch, er ſaß zurückgelehnt auf dem Sopha.<lb/>„Entweder es iſt, oder es iſt nicht, dachte Seine<lb/>
Excellenz. Wenn es nicht iſt, ſo iſt es gut, wenn<lb/>
es iſt, ſo iſt es vielleicht auch gut, — gähnte er, von<lb/>
der Hitze im Zimmer übermannt — dann iſt doch<lb/>
das Ende vom Liede, daß wir unſere Entlaſſung<lb/>
nehmen müſſen.“ Weshalb ſich für dieſe Eventualität<lb/>
noch mit einem ſchwierigen und kitzlichen Memoire be¬<lb/>
faſſen, es kann der Griff in ein Wespenneſt werden,<lb/>
und an ſtechenden Inſecten fehlte es ohnedies nicht.<lb/>
Eine unverſchämte Bremſe ſchwirrte unermüdlich um<lb/>ſeine heiße Stirn.</p><lb/><p>Der Secretair hatte ſich lächelnd von der Thür,<lb/>
an der er gelauſcht, an ſein Pult begeben, und der<lb/>
Copiſt auch lächelnd ſeine Feder ausgewiſcht, als man<lb/>
den Miniſter endlich ſah, mit dem Battiſttuch ſich Luft<lb/>
wedelnd, ins Freie begeben. Beim Durchgehen hatte<lb/>
er verordnet, die Akten ihm in die Laube zu tragen.</p><lb/><p>Die ſtille Scene glücklicher Häuslichkeit, in wel¬<lb/>
cher die Sorgen von vorhin ſchon verſchwunden<lb/></p></div></body></text></TEI>
[218/0232]
Er hatte wieder geklingelt, und der Kammer¬
diener ihn entkleiden müſſen. „Und die Equipage,
Excellenz?“ — „Ausſpannen!“ Der Secretair hatte
die Schreibmaterialien zurecht legen müſſen, der beſte
und fertigſte Copiſt in Bereitſchaft ſtehen. Der Co¬
piſt hatte eine Stunde mit eingetauchter Feder bereit
geſtanden, es ſtanden aber erſt zwei und eine halbe
Zeile auf dem Conceptbogen.
Der Miniſter ſaß auch gar nicht mehr am
Schreibtiſch, er ſaß zurückgelehnt auf dem Sopha.
„Entweder es iſt, oder es iſt nicht, dachte Seine
Excellenz. Wenn es nicht iſt, ſo iſt es gut, wenn
es iſt, ſo iſt es vielleicht auch gut, — gähnte er, von
der Hitze im Zimmer übermannt — dann iſt doch
das Ende vom Liede, daß wir unſere Entlaſſung
nehmen müſſen.“ Weshalb ſich für dieſe Eventualität
noch mit einem ſchwierigen und kitzlichen Memoire be¬
faſſen, es kann der Griff in ein Wespenneſt werden,
und an ſtechenden Inſecten fehlte es ohnedies nicht.
Eine unverſchämte Bremſe ſchwirrte unermüdlich um
ſeine heiße Stirn.
Der Secretair hatte ſich lächelnd von der Thür,
an der er gelauſcht, an ſein Pult begeben, und der
Copiſt auch lächelnd ſeine Feder ausgewiſcht, als man
den Miniſter endlich ſah, mit dem Battiſttuch ſich Luft
wedelnd, ins Freie begeben. Beim Durchgehen hatte
er verordnet, die Akten ihm in die Laube zu tragen.
Die ſtille Scene glücklicher Häuslichkeit, in wel¬
cher die Sorgen von vorhin ſchon verſchwunden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/232>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.