Maschen, sie hatte eine verloren. Der Kanzleidiener räusperte sich umsonst. Das Ehepaar war in sein stilles Glück versunken, und in Betrachtungen, warum Leopold Stollberg katholisch geworden.
Die Frau Ministerin wußte diesmal nicht, wa¬ rum der Minister respirirend schwer den Blick nach den Trauben gerichtet; warum er das Citissime drei Mal durchlesen hatte, ohne zu wissen, was darin stand; warum er wie ein Träumer auf das Schwei¬ zergeläut hörte; kurz, warum er in der elegischen Stimmung war.
Vor einer Stunde hätte man ihn in seinem Ar¬ beitszimmer in einer ganz andern gefunden. Eine Nachricht hatte ihn aus seiner Ruhe gebracht. Er hatte laut für sich gerufen: "Dann ist Alles aus! Dann gehn wir Alle unter!" Er hatte -- nach seinem Kammerdiener und Jäger geschellt: "Anspannen und Ankleiden!" Er wollte an den Hof fahren, selbst der Majestät die dringendsten Vorstellungen zu Füßen legen. Er hatte schon die Hofbeinkleider an und der Kammerdiener nestelte die Schnallen, als er ihn wie¬ der hinaus schickte; er wollte sich einen Augenblick ausruhen. Auf das Sopha sich niederlassend, löste er unwillkührlich die Bundschnalle. Es war so heiß! "Wozu sich denn auch persönlich den Aerger bereiten!" Es wäre doch möglich, daß er mit dem Könige an¬ einander gerieth. Das fruchtet ja zu nichts! Er konnte schriftlich seine Gründe aufsetzen, warum der Mann, dessen Name ihn so erschreckt, nicht zum Minister tauge.
Maſchen, ſie hatte eine verloren. Der Kanzleidiener räusperte ſich umſonſt. Das Ehepaar war in ſein ſtilles Glück verſunken, und in Betrachtungen, warum Leopold Stollberg katholiſch geworden.
Die Frau Miniſterin wußte diesmal nicht, wa¬ rum der Miniſter reſpirirend ſchwer den Blick nach den Trauben gerichtet; warum er das Citiſſime drei Mal durchleſen hatte, ohne zu wiſſen, was darin ſtand; warum er wie ein Träumer auf das Schwei¬ zergeläut hörte; kurz, warum er in der elegiſchen Stimmung war.
Vor einer Stunde hätte man ihn in ſeinem Ar¬ beitszimmer in einer ganz andern gefunden. Eine Nachricht hatte ihn aus ſeiner Ruhe gebracht. Er hatte laut für ſich gerufen: „Dann iſt Alles aus! Dann gehn wir Alle unter!“ Er hatte — nach ſeinem Kammerdiener und Jäger geſchellt: „Anſpannen und Ankleiden!“ Er wollte an den Hof fahren, ſelbſt der Majeſtät die dringendſten Vorſtellungen zu Füßen legen. Er hatte ſchon die Hofbeinkleider an und der Kammerdiener neſtelte die Schnallen, als er ihn wie¬ der hinaus ſchickte; er wollte ſich einen Augenblick ausruhen. Auf das Sopha ſich niederlaſſend, löſte er unwillkührlich die Bundſchnalle. Es war ſo heiß! „Wozu ſich denn auch perſönlich den Aerger bereiten!“ Es wäre doch möglich, daß er mit dem Könige an¬ einander gerieth. Das fruchtet ja zu nichts! Er konnte ſchriftlich ſeine Gründe aufſetzen, warum der Mann, deſſen Name ihn ſo erſchreckt, nicht zum Miniſter tauge.
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Maſchen, ſie hatte eine verloren. Der Kanzleidiener
räusperte ſich umſonſt. Das Ehepaar war in ſein
ſtilles Glück verſunken, und in Betrachtungen, warum
Leopold Stollberg katholiſch geworden.
Die Frau Miniſterin wußte diesmal nicht, wa¬
rum der Miniſter reſpirirend ſchwer den Blick nach
den Trauben gerichtet; warum er das Citiſſime drei
Mal durchleſen hatte, ohne zu wiſſen, was darin
ſtand; warum er wie ein Träumer auf das Schwei¬
zergeläut hörte; kurz, warum er in der elegiſchen
Stimmung war.
Vor einer Stunde hätte man ihn in ſeinem Ar¬
beitszimmer in einer ganz andern gefunden. Eine
Nachricht hatte ihn aus ſeiner Ruhe gebracht. Er
hatte laut für ſich gerufen: „Dann iſt Alles aus!
Dann gehn wir Alle unter!“ Er hatte — nach ſeinem
Kammerdiener und Jäger geſchellt: „Anſpannen und
Ankleiden!“ Er wollte an den Hof fahren, ſelbſt der
Majeſtät die dringendſten Vorſtellungen zu Füßen
legen. Er hatte ſchon die Hofbeinkleider an und der
Kammerdiener neſtelte die Schnallen, als er ihn wie¬
der hinaus ſchickte; er wollte ſich einen Augenblick
ausruhen. Auf das Sopha ſich niederlaſſend, löſte
er unwillkührlich die Bundſchnalle. Es war ſo heiß!
„Wozu ſich denn auch perſönlich den Aerger bereiten!“
Es wäre doch möglich, daß er mit dem Könige an¬
einander gerieth. Das fruchtet ja zu nichts! Er konnte
ſchriftlich ſeine Gründe aufſetzen, warum der Mann,
deſſen Name ihn ſo erſchreckt, nicht zum Miniſter tauge.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/231>, abgerufen am 24.11.2024.
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