endlich nach der richtigen strategischen Maaßregel, daß ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausströmen zu forciren ist. Forcirt mußte er aber doch werden; und man versank nicht allein im Moor und Wasser, sondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen in sandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur die Oberfläche durchnäßt.
Die Sterne schienen wieder auf einen langen und sauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und Stock auf dem Rücken, vorauf, er schien in die Sterne zu sehen.
Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd. Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu sprechen; ihre Gedanken schienen sich zu begegnen: "Wir kennen sie eigentlich nicht." -- "Wenn Du nur gefragt hättest, wo sie wohnt? sagte nach einer Pause die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir wohnen, und sie ist ja kein Kind mehr."
Eine neue Pause. Sie näherten sich schon dem Thore: "Wenn wir sie nun nicht zu Hause finden!"
Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf. Es preßte sie etwas auf der Brust. Sie strengte sich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillstand gebieten und der Thorschreiber den Korb der Jette untersuchen. Der Kriegsrath mußte seine Börse ziehen, um einige Groschen Accise zu zahlen, und die Sohlen brannten ihnen unter den Füßen. Selbst über den schönen Stern in der Mitte des Platzes, der seine
endlich nach der richtigen ſtrategiſchen Maaßregel, daß ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausſtrömen zu forciren iſt. Forcirt mußte er aber doch werden; und man verſank nicht allein im Moor und Waſſer, ſondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen in ſandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur die Oberfläche durchnäßt.
Die Sterne ſchienen wieder auf einen langen und ſauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und Stock auf dem Rücken, vorauf, er ſchien in die Sterne zu ſehen.
Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd. Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu ſprechen; ihre Gedanken ſchienen ſich zu begegnen: „Wir kennen ſie eigentlich nicht.“ — „Wenn Du nur gefragt hätteſt, wo ſie wohnt? ſagte nach einer Pauſe die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir wohnen, und ſie iſt ja kein Kind mehr.“
Eine neue Pauſe. Sie näherten ſich ſchon dem Thore: „Wenn wir ſie nun nicht zu Hauſe finden!“
Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf. Es preßte ſie etwas auf der Bruſt. Sie ſtrengte ſich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillſtand gebieten und der Thorſchreiber den Korb der Jette unterſuchen. Der Kriegsrath mußte ſeine Börſe ziehen, um einige Groſchen Acciſe zu zahlen, und die Sohlen brannten ihnen unter den Füßen. Selbſt über den ſchönen Stern in der Mitte des Platzes, der ſeine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0212"n="198"/>
endlich nach der richtigen ſtrategiſchen Maaßregel, daß<lb/>
ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausſtrömen<lb/>
zu forciren iſt. Forcirt mußte er aber doch werden;<lb/>
und man verſank nicht allein im Moor und Waſſer,<lb/>ſondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen<lb/>
in ſandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur<lb/>
die Oberfläche durchnäßt.</p><lb/><p>Die Sterne ſchienen wieder auf einen langen<lb/>
und ſauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und<lb/>
Stock auf dem Rücken, vorauf, er ſchien in die Sterne<lb/>
zu ſehen.</p><lb/><p>Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd.<lb/>
Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu<lb/>ſprechen; ihre Gedanken ſchienen ſich zu begegnen:<lb/>„Wir kennen ſie eigentlich nicht.“—„Wenn Du<lb/>
nur gefragt hätteſt, wo ſie wohnt? ſagte nach einer<lb/>
Pauſe die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir<lb/>
wohnen, und ſie iſt ja kein Kind mehr.“</p><lb/><p>Eine neue Pauſe. Sie näherten ſich ſchon dem<lb/>
Thore: „Wenn wir ſie nun nicht zu Hauſe finden!“</p><lb/><p>Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf.<lb/>
Es preßte ſie etwas auf der Bruſt. Sie ſtrengte<lb/>ſich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da<lb/>
mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillſtand<lb/>
gebieten und der Thorſchreiber den Korb der Jette<lb/>
unterſuchen. Der Kriegsrath mußte ſeine Börſe ziehen,<lb/>
um einige Groſchen Acciſe zu zahlen, und die Sohlen<lb/>
brannten ihnen unter den Füßen. Selbſt über den<lb/>ſchönen Stern in der Mitte des Platzes, der ſeine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[198/0212]
endlich nach der richtigen ſtrategiſchen Maaßregel, daß
ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausſtrömen
zu forciren iſt. Forcirt mußte er aber doch werden;
und man verſank nicht allein im Moor und Waſſer,
ſondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen
in ſandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur
die Oberfläche durchnäßt.
Die Sterne ſchienen wieder auf einen langen
und ſauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und
Stock auf dem Rücken, vorauf, er ſchien in die Sterne
zu ſehen.
Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd.
Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu
ſprechen; ihre Gedanken ſchienen ſich zu begegnen:
„Wir kennen ſie eigentlich nicht.“ — „Wenn Du
nur gefragt hätteſt, wo ſie wohnt? ſagte nach einer
Pauſe die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir
wohnen, und ſie iſt ja kein Kind mehr.“
Eine neue Pauſe. Sie näherten ſich ſchon dem
Thore: „Wenn wir ſie nun nicht zu Hauſe finden!“
Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf.
Es preßte ſie etwas auf der Bruſt. Sie ſtrengte
ſich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da
mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillſtand
gebieten und der Thorſchreiber den Korb der Jette
unterſuchen. Der Kriegsrath mußte ſeine Börſe ziehen,
um einige Groſchen Acciſe zu zahlen, und die Sohlen
brannten ihnen unter den Füßen. Selbſt über den
ſchönen Stern in der Mitte des Platzes, der ſeine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/212>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.