Wagen, mein Gott, ich würde es mir ja zur größten Ehre rechnen, wenn ich eine so solide Familie mit¬ nehmen könnte. Einen Platz haben wir noch; der stuckert aber so sehr. Und als wir Abschied nahmen, so legte der Herr Prediger die Hand auf meine Schultern und sagte: "Eigentlich wollte ich bei keinem einkehren in dieser gottlosen Stadt; aber Sie sind eine rechtschaffene, eine solide Frau, Frau Obristin, zu Ihnen komme ich, bis ich mir ein Quartier gemie¬ thet habe." Na den Herrn Prediger sollen Sie ken¬ nen lernen, wenn Sie mir die Ehre erzeigen, auf eine Schaale Kaffee. In seiner Jugend hat er in Leipzig studirt, da haben wir geplaudert von -- Ich sage Ihnen ein charmanter Mann."
Der Kriegsrath seufzte: "Ach Leipzig! Sie wissen nicht was mich das gekostet hat."
"Ja 's ist ein theures Pflaster, und gar in der Messe. Na, das freut mich aber, daß Herr Kriegs¬ rath auch dawaren."
"Mich gar nicht, liebe Frau Obristin, sagte der Kriegsrath, der gemüthlich seine Pfeife ausklopfte. Es kostet mich meine Carriere. Ich ließ mich, da ich in Halle studirte, verführen, mit andern meiner äl¬ tern Commilitonen, einmal nach Leipzig hinüber zu reiten. Nur einen Tag; am nächsten kehrten wir zurück. Als mein Vater es erfuhr, bekam ich einen Brief. Das war ein Brief, nicht mit Dinte, mit Feuer geschrieben und Pech und Schwefel darauf! Der verlorne Sohn in der Bibel wird keinen solchen
Wagen, mein Gott, ich würde es mir ja zur größten Ehre rechnen, wenn ich eine ſo ſolide Familie mit¬ nehmen könnte. Einen Platz haben wir noch; der ſtuckert aber ſo ſehr. Und als wir Abſchied nahmen, ſo legte der Herr Prediger die Hand auf meine Schultern und ſagte: „Eigentlich wollte ich bei keinem einkehren in dieſer gottloſen Stadt; aber Sie ſind eine rechtſchaffene, eine ſolide Frau, Frau Obriſtin, zu Ihnen komme ich, bis ich mir ein Quartier gemie¬ thet habe.“ Na den Herrn Prediger ſollen Sie ken¬ nen lernen, wenn Sie mir die Ehre erzeigen, auf eine Schaale Kaffee. In ſeiner Jugend hat er in Leipzig ſtudirt, da haben wir geplaudert von — Ich ſage Ihnen ein charmanter Mann.“
Der Kriegsrath ſeufzte: „Ach Leipzig! Sie wiſſen nicht was mich das gekoſtet hat.“
„Ja 's iſt ein theures Pflaſter, und gar in der Meſſe. Na, das freut mich aber, daß Herr Kriegs¬ rath auch dawaren.“
„Mich gar nicht, liebe Frau Obriſtin, ſagte der Kriegsrath, der gemüthlich ſeine Pfeife ausklopfte. Es koſtet mich meine Carriere. Ich ließ mich, da ich in Halle ſtudirte, verführen, mit andern meiner äl¬ tern Commilitonen, einmal nach Leipzig hinüber zu reiten. Nur einen Tag; am nächſten kehrten wir zurück. Als mein Vater es erfuhr, bekam ich einen Brief. Das war ein Brief, nicht mit Dinte, mit Feuer geſchrieben und Pech und Schwefel darauf! Der verlorne Sohn in der Bibel wird keinen ſolchen
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Wagen, mein Gott, ich würde es mir ja zur größten
Ehre rechnen, wenn ich eine ſo ſolide Familie mit¬
nehmen könnte. Einen Platz haben wir noch; der
ſtuckert aber ſo ſehr. Und als wir Abſchied nahmen,
ſo legte der Herr Prediger die Hand auf meine
Schultern und ſagte: „Eigentlich wollte ich bei keinem
einkehren in dieſer gottloſen Stadt; aber Sie ſind eine
rechtſchaffene, eine ſolide Frau, Frau Obriſtin, zu
Ihnen komme ich, bis ich mir ein Quartier gemie¬
thet habe.“ Na den Herrn Prediger ſollen Sie ken¬
nen lernen, wenn Sie mir die Ehre erzeigen, auf
eine Schaale Kaffee. In ſeiner Jugend hat er in
Leipzig ſtudirt, da haben wir geplaudert von — Ich
ſage Ihnen ein charmanter Mann.“
Der Kriegsrath ſeufzte: „Ach Leipzig! Sie
wiſſen nicht was mich das gekoſtet hat.“
„Ja 's iſt ein theures Pflaſter, und gar in der
Meſſe. Na, das freut mich aber, daß Herr Kriegs¬
rath auch dawaren.“
„Mich gar nicht, liebe Frau Obriſtin, ſagte der
Kriegsrath, der gemüthlich ſeine Pfeife ausklopfte.
Es koſtet mich meine Carriere. Ich ließ mich, da ich
in Halle ſtudirte, verführen, mit andern meiner äl¬
tern Commilitonen, einmal nach Leipzig hinüber zu
reiten. Nur einen Tag; am nächſten kehrten wir
zurück. Als mein Vater es erfuhr, bekam ich einen
Brief. Das war ein Brief, nicht mit Dinte, mit
Feuer geſchrieben und Pech und Schwefel darauf!
Der verlorne Sohn in der Bibel wird keinen ſolchen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/200>, abgerufen am 24.11.2024.
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