hätte sie gesehen, daß es alle reiche und generöse Herren wären, mancher hätte mit den Ducaten um sich geworfen, wie mit Zahlpfennigen, und alle hätten gesagt, solche gute Messe hätten sie lange nicht erlebt und sie wünschten alle ihre Lebtage auf der Leip¬ ziger Messe zu sein.
Die Schwarzbraune senkte ihren Kopf: "Mir ist's hier viel lieber. Hier ist's hübsch."
"Wenn man nur Gesellschaft hätte!" rief die Nußbraune.
Ein stummer Blick der andern schien sie zu strafen. Auch die Königin sah sie verwundert an und sagte: "Sind wir uns nicht genug! Wir plaudern ja so aller¬ liebst zusammen, und wenn's nur nicht so heiß wäre."
"Wir könnten uns baden! rief plötzlich die Mun¬ tere. Ja baden, baden! Kinder, das ist prächtig."
Der Gedanke zückte wie ein Blitz. Der Ort war so still und einsam, ein tiefer Kessel, geschützt durch einen Rand von über Mannshöhe, und darüber stand noch wie eine Ringmauer das Aehrenfeld. Wo sollte da ein Lauscherblick herkommen! Selbst die Vö¬ gel flogen nicht mehr. Im Strauche regten sich die Blätter, die Kornähren wiegten sich nur durch ihre Schwere.
Die Karoline war plötzlich aufgeschnellt und machte eine Bewegung, als wolle sie mit einem Ruck ihre Kleider abwerfen. Jülli, die Schwarzbraune, sah fragend auf die Elfenkönigin, ob sie Lust habe? -- Lust hatte sie wohl, aber -- aber sie machte die
hätte ſie geſehen, daß es alle reiche und generöſe Herren wären, mancher hätte mit den Ducaten um ſich geworfen, wie mit Zahlpfennigen, und alle hätten geſagt, ſolche gute Meſſe hätten ſie lange nicht erlebt und ſie wünſchten alle ihre Lebtage auf der Leip¬ ziger Meſſe zu ſein.
Die Schwarzbraune ſenkte ihren Kopf: „Mir iſt's hier viel lieber. Hier iſt's hübſch.“
„Wenn man nur Geſellſchaft hätte!“ rief die Nußbraune.
Ein ſtummer Blick der andern ſchien ſie zu ſtrafen. Auch die Königin ſah ſie verwundert an und ſagte: „Sind wir uns nicht genug! Wir plaudern ja ſo aller¬ liebſt zuſammen, und wenn's nur nicht ſo heiß wäre.“
„Wir könnten uns baden! rief plötzlich die Mun¬ tere. Ja baden, baden! Kinder, das iſt prächtig.“
Der Gedanke zückte wie ein Blitz. Der Ort war ſo ſtill und einſam, ein tiefer Keſſel, geſchützt durch einen Rand von über Mannshöhe, und darüber ſtand noch wie eine Ringmauer das Aehrenfeld. Wo ſollte da ein Lauſcherblick herkommen! Selbſt die Vö¬ gel flogen nicht mehr. Im Strauche regten ſich die Blätter, die Kornähren wiegten ſich nur durch ihre Schwere.
Die Karoline war plötzlich aufgeſchnellt und machte eine Bewegung, als wolle ſie mit einem Ruck ihre Kleider abwerfen. Jülli, die Schwarzbraune, ſah fragend auf die Elfenkönigin, ob ſie Luſt habe? — Luſt hatte ſie wohl, aber — aber ſie machte die
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hätte ſie geſehen, daß es alle reiche und generöſe
Herren wären, mancher hätte mit den Ducaten um
ſich geworfen, wie mit Zahlpfennigen, und alle hätten
geſagt, ſolche gute Meſſe hätten ſie lange nicht erlebt
und ſie wünſchten alle ihre Lebtage auf der Leip¬
ziger Meſſe zu ſein.
Die Schwarzbraune ſenkte ihren Kopf: „Mir
iſt's hier viel lieber. Hier iſt's hübſch.“
„Wenn man nur Geſellſchaft hätte!“ rief die
Nußbraune.
Ein ſtummer Blick der andern ſchien ſie zu ſtrafen.
Auch die Königin ſah ſie verwundert an und ſagte:
„Sind wir uns nicht genug! Wir plaudern ja ſo aller¬
liebſt zuſammen, und wenn's nur nicht ſo heiß wäre.“
„Wir könnten uns baden! rief plötzlich die Mun¬
tere. Ja baden, baden! Kinder, das iſt prächtig.“
Der Gedanke zückte wie ein Blitz. Der Ort
war ſo ſtill und einſam, ein tiefer Keſſel, geſchützt
durch einen Rand von über Mannshöhe, und darüber
ſtand noch wie eine Ringmauer das Aehrenfeld. Wo
ſollte da ein Lauſcherblick herkommen! Selbſt die Vö¬
gel flogen nicht mehr. Im Strauche regten ſich die
Blätter, die Kornähren wiegten ſich nur durch ihre
Schwere.
Die Karoline war plötzlich aufgeſchnellt und
machte eine Bewegung, als wolle ſie mit einem Ruck
ihre Kleider abwerfen. Jülli, die Schwarzbraune,
ſah fragend auf die Elfenkönigin, ob ſie Luſt habe?
— Luſt hatte ſie wohl, aber — aber ſie machte die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/192>, abgerufen am 01.08.2024.
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