diese gewaltigen Bilder anders hinhalten, einen co¬ lossalen Spiegel, vor dem unsre Erbärmlichkeit er¬ schrickt -- und sie können sich ermannen, sie können besser werden, wenn --"
"Wenn ein Moses geboren wird!" fiel Louis ein, drückte rasch Waltern die Hand und riß sein Pferd in den Fußsteig. "Da liegt es! tönte noch seine Stimme aus dem Korn. Einen Moses! Nur einen Moses! Die Juden und die Ziegelstreicherknechte sind im¬ mer da."
Walter lag wieder unter der Hagebutte.
"Wenn er einen andern Vater hätte, ein ander Vaterland!" Waren das nicht Streiflichter des ewi¬ gen Schmerzes, für den es keine Heilung giebt? Walter starrte auf den Wasserspiegel. Auch die Frösche lagen wie matt von der Hitze auf den breiten Blättern der Wasser¬ lilie, regungslos. "Ein Moses!" Wo sollte der Moses herkommen, wenn auch über den Wassern nicht mehr der Athem Gottes schwebte! Wenn die Verstockung auch auf dem Element, das die Erde umgürtet, sich niedergesenkt!" Nein, es war nur die schwüle Luft. Die Augen fielen ihm zu, und die Natur übte ihren beschwichtigenden Zauber über die finsteren Gedanken. Die Falten verzogen sich um seine Brauen, der Mund fing wieder an zu lächeln, und man konnte denken, daß Traumbilder aus einer glückseligen Welt um seine Schläfe spielten.
Waren das auch Erscheinungen seiner Phantasie die blühenden Mädchenköpfe im Korn? Schossen Elfen
dieſe gewaltigen Bilder anders hinhalten, einen co¬ loſſalen Spiegel, vor dem unſre Erbärmlichkeit er¬ ſchrickt — und ſie können ſich ermannen, ſie können beſſer werden, wenn —“
„Wenn ein Moſes geboren wird!“ fiel Louis ein, drückte raſch Waltern die Hand und riß ſein Pferd in den Fußſteig. „Da liegt es! tönte noch ſeine Stimme aus dem Korn. Einen Moſes! Nur einen Moſes! Die Juden und die Ziegelſtreicherknechte ſind im¬ mer da.“
Walter lag wieder unter der Hagebutte.
„Wenn er einen andern Vater hätte, ein ander Vaterland!“ Waren das nicht Streiflichter des ewi¬ gen Schmerzes, für den es keine Heilung giebt? Walter ſtarrte auf den Waſſerſpiegel. Auch die Fröſche lagen wie matt von der Hitze auf den breiten Blättern der Waſſer¬ lilie, regungslos. „Ein Moſes!“ Wo ſollte der Moſes herkommen, wenn auch über den Waſſern nicht mehr der Athem Gottes ſchwebte! Wenn die Verſtockung auch auf dem Element, das die Erde umgürtet, ſich niedergeſenkt!“ Nein, es war nur die ſchwüle Luft. Die Augen fielen ihm zu, und die Natur übte ihren beſchwichtigenden Zauber über die finſteren Gedanken. Die Falten verzogen ſich um ſeine Brauen, der Mund fing wieder an zu lächeln, und man konnte denken, daß Traumbilder aus einer glückſeligen Welt um ſeine Schläfe ſpielten.
Waren das auch Erſcheinungen ſeiner Phantaſie die blühenden Mädchenköpfe im Korn? Schoſſen Elfen
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dieſe gewaltigen Bilder anders hinhalten, einen co¬
loſſalen Spiegel, vor dem unſre Erbärmlichkeit er¬
ſchrickt — und ſie können ſich ermannen, ſie können
beſſer werden, wenn —“
„Wenn ein Moſes geboren wird!“ fiel Louis ein,
drückte raſch Waltern die Hand und riß ſein Pferd in
den Fußſteig. „Da liegt es! tönte noch ſeine Stimme
aus dem Korn. Einen Moſes! Nur einen Moſes!
Die Juden und die Ziegelſtreicherknechte ſind im¬
mer da.“
Walter lag wieder unter der Hagebutte.
„Wenn er einen andern Vater hätte, ein ander
Vaterland!“ Waren das nicht Streiflichter des ewi¬
gen Schmerzes, für den es keine Heilung giebt? Walter
ſtarrte auf den Waſſerſpiegel. Auch die Fröſche lagen wie
matt von der Hitze auf den breiten Blättern der Waſſer¬
lilie, regungslos. „Ein Moſes!“ Wo ſollte der Moſes
herkommen, wenn auch über den Waſſern nicht mehr
der Athem Gottes ſchwebte! Wenn die Verſtockung
auch auf dem Element, das die Erde umgürtet, ſich
niedergeſenkt!“ Nein, es war nur die ſchwüle Luft.
Die Augen fielen ihm zu, und die Natur übte ihren
beſchwichtigenden Zauber über die finſteren Gedanken.
Die Falten verzogen ſich um ſeine Brauen, der Mund
fing wieder an zu lächeln, und man konnte denken,
daß Traumbilder aus einer glückſeligen Welt um ſeine
Schläfe ſpielten.
Waren das auch Erſcheinungen ſeiner Phantaſie
die blühenden Mädchenköpfe im Korn? Schoſſen Elfen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/188>, abgerufen am 28.11.2024.
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