"Ich habe das Versmachen verschworen! Du weißt es."
"Aber, Walter, in solcher Natur! Ich müßte Dich ja nicht kennen. Ein tiefer See mit roman¬ tischen Ufern! Vielleicht kommen die Schwanen¬ jungfrauen angepflogen, entkleiden sich, ihre Schleier hängen sie an die Hagebutten. Husch hast Du einen weggestohlen, und erwartest als frommer Siedler im Korn die Schöne, die als mediceische Venus um Gottes Willen um ein kleines Stückchen Bekleidung bittet."
"Wir irrten darin, daß wir das Wunderbare immer in der Ferne suchten:
Willst Du immer weiter schweifen,
Sieh' das Gute liegt so nah!
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da."
"Wie schon Goethes anderer guter Mann, der nach Schätzen gräbt:
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet."
"Wer den Sinn für sie mitbringt, dem schwebt ihr Geist entgegen auch vom Thautropfen, der am Grashalm hängt, er wiegt sich in den Aehren, über die der Wind hinspielt."
"Er glitzert auch im Mistkäfer, warum gähnt er nicht auch in dem Frosch, der da unvernünftig weit über der Mummel das Maul aufsperrt. Sieh ihn an, welche tiefe Weisheitssprüche die Padde krächzt -- Und welche Weisheit bläht sich eben auf Deiner Brust!
„Ich habe das Versmachen verſchworen! Du weißt es.“
„Aber, Walter, in ſolcher Natur! Ich müßte Dich ja nicht kennen. Ein tiefer See mit roman¬ tiſchen Ufern! Vielleicht kommen die Schwanen¬ jungfrauen angepflogen, entkleiden ſich, ihre Schleier hängen ſie an die Hagebutten. Huſch haſt Du einen weggeſtohlen, und erwarteſt als frommer Siedler im Korn die Schöne, die als mediceiſche Venus um Gottes Willen um ein kleines Stückchen Bekleidung bittet.“
„Wir irrten darin, daß wir das Wunderbare immer in der Ferne ſuchten:
Willſt Du immer weiter ſchweifen,
Sieh' das Gute liegt ſo nah!
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück iſt immer da.“
„Wie ſchon Goethes anderer guter Mann, der nach Schätzen gräbt:
Und froh iſt, wenn er Regenwürmer findet.“
„Wer den Sinn für ſie mitbringt, dem ſchwebt ihr Geiſt entgegen auch vom Thautropfen, der am Grashalm hängt, er wiegt ſich in den Aehren, über die der Wind hinſpielt.“
„Er glitzert auch im Miſtkäfer, warum gähnt er nicht auch in dem Froſch, der da unvernünftig weit über der Mummel das Maul aufſperrt. Sieh ihn an, welche tiefe Weisheitsſprüche die Padde krächzt — Und welche Weisheit bläht ſich eben auf Deiner Bruſt!
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0184"n="170"/><p>„Ich habe das Versmachen verſchworen! Du<lb/>
weißt es.“</p><lb/><p>„Aber, Walter, in ſolcher Natur! Ich müßte<lb/>
Dich ja nicht kennen. Ein tiefer See mit roman¬<lb/>
tiſchen Ufern! Vielleicht kommen die Schwanen¬<lb/>
jungfrauen angepflogen, entkleiden ſich, ihre Schleier<lb/>
hängen ſie an die Hagebutten. Huſch haſt Du einen<lb/>
weggeſtohlen, und erwarteſt als frommer Siedler im<lb/>
Korn die Schöne, die als mediceiſche Venus um Gottes<lb/>
Willen um ein kleines Stückchen Bekleidung bittet.“</p><lb/><p>„Wir irrten darin, daß wir das Wunderbare<lb/>
immer in der Ferne ſuchten:</p><lb/><lgtype="poem"><lrendition="#et">Willſt Du immer weiter ſchweifen,</l><lb/><lrendition="#et">Sieh' das Gute liegt ſo nah!</l><lb/><lrendition="#et">Lerne nur das Glück ergreifen,</l><lb/><lrendition="#et">Denn das Glück iſt immer da.“</l><lb/></lg><p>„Wie ſchon Goethes anderer guter Mann, der<lb/>
nach Schätzen gräbt:</p><lb/><lg><lrendition="#et">Und froh iſt, wenn er Regenwürmer findet.“</l></lg><lb/><p>„Wer den Sinn für ſie mitbringt, dem ſchwebt<lb/>
ihr Geiſt entgegen auch vom Thautropfen, der am<lb/>
Grashalm hängt, er wiegt ſich in den Aehren, über<lb/>
die der Wind hinſpielt.“</p><lb/><p>„Er glitzert auch im Miſtkäfer, warum gähnt<lb/>
er nicht auch in dem Froſch, der da unvernünftig<lb/>
weit über der Mummel das Maul aufſperrt. Sieh ihn<lb/>
an, welche tiefe Weisheitsſprüche die Padde krächzt —<lb/>
Und welche Weisheit bläht ſich eben auf Deiner Bruſt!<lb/></p></div></body></text></TEI>
[170/0184]
„Ich habe das Versmachen verſchworen! Du
weißt es.“
„Aber, Walter, in ſolcher Natur! Ich müßte
Dich ja nicht kennen. Ein tiefer See mit roman¬
tiſchen Ufern! Vielleicht kommen die Schwanen¬
jungfrauen angepflogen, entkleiden ſich, ihre Schleier
hängen ſie an die Hagebutten. Huſch haſt Du einen
weggeſtohlen, und erwarteſt als frommer Siedler im
Korn die Schöne, die als mediceiſche Venus um Gottes
Willen um ein kleines Stückchen Bekleidung bittet.“
„Wir irrten darin, daß wir das Wunderbare
immer in der Ferne ſuchten:
Willſt Du immer weiter ſchweifen,
Sieh' das Gute liegt ſo nah!
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück iſt immer da.“
„Wie ſchon Goethes anderer guter Mann, der
nach Schätzen gräbt:
Und froh iſt, wenn er Regenwürmer findet.“
„Wer den Sinn für ſie mitbringt, dem ſchwebt
ihr Geiſt entgegen auch vom Thautropfen, der am
Grashalm hängt, er wiegt ſich in den Aehren, über
die der Wind hinſpielt.“
„Er glitzert auch im Miſtkäfer, warum gähnt
er nicht auch in dem Froſch, der da unvernünftig
weit über der Mummel das Maul aufſperrt. Sieh ihn
an, welche tiefe Weisheitsſprüche die Padde krächzt —
Und welche Weisheit bläht ſich eben auf Deiner Bruſt!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/184>, abgerufen am 01.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.