Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Zug ausstürzte und dann Kopf über in's Meer! --
Uebrigens gebe ich Dir mein Wort, es war kein
Ernst, wenigstens hätte ich mir eine andre Pfütze
ausgesucht. 'S war nur ein aufsteigender Gedanke."

"Aber keine Lerche, die in den Aether steigt,"
sagte Walter, als beide sich auf dem Rasen ge¬
lagert. Der Ankömmling sog, hingestreckt, die Luft ein.

"Nur nichts von Aether in diesem Schwefel¬
dampfe, sagte er nach einer Weile. Wenn die Welt
bestimmt wäre unterzugehen, ich glaube nicht mehr,
daß es in Wasser oder Feuer geschieht, sondern Gott
Vater läßt sie ersticken in den Dünsten ihrer eigenen
Gemeinheit. Es wäre eigentlich ein recht passendes
Ende für sie."

"Mitgebrachte Gefängnißgedanken!"

"Grillen, Schrullen, oder Ungeziefer, wenn
Du willst, denn als ein vernünftiger Mensch
glaubst Du doch nicht, daß ich in dieser Societät
eximirter Lumpen einen Gedanken aufgefangen hätte.
Ja hätten sie mich an eine Karre geschmiedet, unter
den Baugefangenen giebt's vielleicht noch Menschen."

"Du solltest ins Gebirg, Dich baden in der
Morgenluft, im Felsbach -- Du solltest auf lange
Zeit aus der Stadt."

"Alles Selbsttäuschung, Betrug, Walter! Frei¬
lich wenn Tieck uns Abends in dem verschlossnen
halbdunkeln Kämmerchen seine Mährchen vorlas,
mochte ich den Waldduft herunter schlürfen, der Nixe
mit den langen Haaren um den Nacken fallen, und

11*

Zug ausſtürzte und dann Kopf über in's Meer! —
Uebrigens gebe ich Dir mein Wort, es war kein
Ernſt, wenigſtens hätte ich mir eine andre Pfütze
ausgeſucht. 'S war nur ein aufſteigender Gedanke.“

„Aber keine Lerche, die in den Aether ſteigt,“
ſagte Walter, als beide ſich auf dem Raſen ge¬
lagert. Der Ankömmling ſog, hingeſtreckt, die Luft ein.

„Nur nichts von Aether in dieſem Schwefel¬
dampfe, ſagte er nach einer Weile. Wenn die Welt
beſtimmt wäre unterzugehen, ich glaube nicht mehr,
daß es in Waſſer oder Feuer geſchieht, ſondern Gott
Vater läßt ſie erſticken in den Dünſten ihrer eigenen
Gemeinheit. Es wäre eigentlich ein recht paſſendes
Ende für ſie.“

„Mitgebrachte Gefängnißgedanken!“

„Grillen, Schrullen, oder Ungeziefer, wenn
Du willſt, denn als ein vernünftiger Menſch
glaubſt Du doch nicht, daß ich in dieſer Societät
eximirter Lumpen einen Gedanken aufgefangen hätte.
Ja hätten ſie mich an eine Karre geſchmiedet, unter
den Baugefangenen giebt's vielleicht noch Menſchen.“

„Du ſollteſt ins Gebirg, Dich baden in der
Morgenluft, im Felsbach — Du ſollteſt auf lange
Zeit aus der Stadt.“

„Alles Selbſttäuſchung, Betrug, Walter! Frei¬
lich wenn Tieck uns Abends in dem verſchloſſnen
halbdunkeln Kämmerchen ſeine Mährchen vorlas,
mochte ich den Waldduft herunter ſchlürfen, der Nixe
mit den langen Haaren um den Nacken fallen, und

11*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="163"/>
Zug aus&#x017F;türzte und dann Kopf über in's Meer! &#x2014;<lb/>
Uebrigens gebe ich Dir mein Wort, es war kein<lb/>
Ern&#x017F;t, wenig&#x017F;tens hätte ich mir eine andre Pfütze<lb/>
ausge&#x017F;ucht. 'S war nur ein auf&#x017F;teigender Gedanke.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber keine Lerche, die in den Aether &#x017F;teigt,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Walter, als beide &#x017F;ich auf dem Ra&#x017F;en ge¬<lb/>
lagert. Der Ankömmling &#x017F;og, hinge&#x017F;treckt, die Luft ein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nur nichts von Aether in die&#x017F;em Schwefel¬<lb/>
dampfe, &#x017F;agte er nach einer Weile. Wenn die Welt<lb/>
be&#x017F;timmt wäre unterzugehen, ich glaube nicht mehr,<lb/>
daß es in Wa&#x017F;&#x017F;er oder Feuer ge&#x017F;chieht, &#x017F;ondern Gott<lb/>
Vater läßt &#x017F;ie er&#x017F;ticken in den Dün&#x017F;ten ihrer eigenen<lb/>
Gemeinheit. Es wäre eigentlich ein recht pa&#x017F;&#x017F;endes<lb/>
Ende für &#x017F;ie.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mitgebrachte Gefängnißgedanken!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Grillen, Schrullen, oder Ungeziefer, wenn<lb/>
Du will&#x017F;t, denn als ein vernünftiger Men&#x017F;ch<lb/>
glaub&#x017F;t Du doch nicht, daß ich in die&#x017F;er Societät<lb/>
eximirter Lumpen einen Gedanken aufgefangen hätte.<lb/>
Ja hätten &#x017F;ie mich an eine Karre ge&#x017F;chmiedet, unter<lb/>
den Baugefangenen giebt's vielleicht noch Men&#x017F;chen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du &#x017F;ollte&#x017F;t ins Gebirg, Dich baden in der<lb/>
Morgenluft, im Felsbach &#x2014; Du &#x017F;ollte&#x017F;t auf lange<lb/>
Zeit aus der Stadt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alles Selb&#x017F;ttäu&#x017F;chung, Betrug, Walter! Frei¬<lb/>
lich wenn Tieck uns Abends in dem ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen<lb/>
halbdunkeln Kämmerchen &#x017F;eine Mährchen vorlas,<lb/>
mochte ich den Waldduft herunter &#x017F;chlürfen, der Nixe<lb/>
mit den langen Haaren um den Nacken fallen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0177] Zug ausſtürzte und dann Kopf über in's Meer! — Uebrigens gebe ich Dir mein Wort, es war kein Ernſt, wenigſtens hätte ich mir eine andre Pfütze ausgeſucht. 'S war nur ein aufſteigender Gedanke.“ „Aber keine Lerche, die in den Aether ſteigt,“ ſagte Walter, als beide ſich auf dem Raſen ge¬ lagert. Der Ankömmling ſog, hingeſtreckt, die Luft ein. „Nur nichts von Aether in dieſem Schwefel¬ dampfe, ſagte er nach einer Weile. Wenn die Welt beſtimmt wäre unterzugehen, ich glaube nicht mehr, daß es in Waſſer oder Feuer geſchieht, ſondern Gott Vater läßt ſie erſticken in den Dünſten ihrer eigenen Gemeinheit. Es wäre eigentlich ein recht paſſendes Ende für ſie.“ „Mitgebrachte Gefängnißgedanken!“ „Grillen, Schrullen, oder Ungeziefer, wenn Du willſt, denn als ein vernünftiger Menſch glaubſt Du doch nicht, daß ich in dieſer Societät eximirter Lumpen einen Gedanken aufgefangen hätte. Ja hätten ſie mich an eine Karre geſchmiedet, unter den Baugefangenen giebt's vielleicht noch Menſchen.“ „Du ſollteſt ins Gebirg, Dich baden in der Morgenluft, im Felsbach — Du ſollteſt auf lange Zeit aus der Stadt.“ „Alles Selbſttäuſchung, Betrug, Walter! Frei¬ lich wenn Tieck uns Abends in dem verſchloſſnen halbdunkeln Kämmerchen ſeine Mährchen vorlas, mochte ich den Waldduft herunter ſchlürfen, der Nixe mit den langen Haaren um den Nacken fallen, und 11*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/177
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/177>, abgerufen am 23.11.2024.