Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

war das Pferd nicht. Es war ein ihm wohlbekannter
friedfertiger Gaul aus dem Stall eines Pferdever¬
leihers. Der Reiter hatte nachlässig, aber sicher ge¬
sessen, und die blutenden Seiten des Thieres ver¬
riethen deutlich genug die Behandlung, welche es
außer sich gebracht. Walter war an dieser Gesell¬
schaft gar nichts gelegen, aber die seltsame Stellung
des Ankömmlings fiel ihm auf. Durch die Hände
schielte er auf das Wasser, und seine dunklen Augen
glänzten seltsam.

"Plagt Dich -- -- wenn Du's bist?" Er
hatte die Hand auf die Schulter des Reiters ge¬
legt. Dieser war nicht sehr erschrocken, als er sich
umsah und den andern erkannte:

"Vielleicht -- Eigentlich aber nicht. Ich dachte
nur an ein Bad. -- So aus dem Gluthofen in die
kühle Tiefe!"

"Was hier dasselbe wäre! entgegnete der zuerst
Dagewesene, und faßte heftig seinen Arm. Kommst
Du aus dem Gefängniß, Louis? Ward'st Du heut
entlassen?"

"Um meine Freiheit zu genießen, jagte ich den
Gaul fast todt, und ward selbst wieder unfrei und
matt wie eine Fliege. Und wenn ich wieder auf¬
flattere, steht doch tausend gegen eins, daß ich wieder
gegen etwas anstoße. Wär's nun nicht ein wunder¬
schönes Ende, um gar keinen Anstoß mehr zugeben, wenn
ich, erhitzt, durstend, an eines Felsens Rande in der
Mittagssonne eine Flasche Champagner auf einen

war das Pferd nicht. Es war ein ihm wohlbekannter
friedfertiger Gaul aus dem Stall eines Pferdever¬
leihers. Der Reiter hatte nachläſſig, aber ſicher ge¬
ſeſſen, und die blutenden Seiten des Thieres ver¬
riethen deutlich genug die Behandlung, welche es
außer ſich gebracht. Walter war an dieſer Geſell¬
ſchaft gar nichts gelegen, aber die ſeltſame Stellung
des Ankömmlings fiel ihm auf. Durch die Hände
ſchielte er auf das Waſſer, und ſeine dunklen Augen
glänzten ſeltſam.

„Plagt Dich — — wenn Du's biſt?“ Er
hatte die Hand auf die Schulter des Reiters ge¬
legt. Dieſer war nicht ſehr erſchrocken, als er ſich
umſah und den andern erkannte:

„Vielleicht — Eigentlich aber nicht. Ich dachte
nur an ein Bad. — So aus dem Gluthofen in die
kühle Tiefe!“

„Was hier daſſelbe wäre! entgegnete der zuerſt
Dageweſene, und faßte heftig ſeinen Arm. Kommſt
Du aus dem Gefängniß, Louis? Ward'ſt Du heut
entlaſſen?“

„Um meine Freiheit zu genießen, jagte ich den
Gaul faſt todt, und ward ſelbſt wieder unfrei und
matt wie eine Fliege. Und wenn ich wieder auf¬
flattere, ſteht doch tauſend gegen eins, daß ich wieder
gegen etwas anſtoße. Wär's nun nicht ein wunder¬
ſchönes Ende, um gar keinen Anſtoß mehr zugeben, wenn
ich, erhitzt, durſtend, an eines Felſens Rande in der
Mittagsſonne eine Flaſche Champagner auf einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="162"/>
war das Pferd nicht. Es war ein ihm wohlbekannter<lb/>
friedfertiger Gaul aus dem Stall eines Pferdever¬<lb/>
leihers. Der Reiter hatte nachlä&#x017F;&#x017F;ig, aber &#x017F;icher ge¬<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, und die blutenden Seiten des Thieres ver¬<lb/>
riethen deutlich genug die Behandlung, welche es<lb/>
außer &#x017F;ich gebracht. Walter war an die&#x017F;er Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft gar nichts gelegen, aber die &#x017F;elt&#x017F;ame Stellung<lb/>
des Ankömmlings fiel ihm auf. Durch die Hände<lb/>
&#x017F;chielte er auf das Wa&#x017F;&#x017F;er, und &#x017F;eine dunklen Augen<lb/>
glänzten &#x017F;elt&#x017F;am.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Plagt Dich &#x2014; &#x2014; wenn <hi rendition="#g">Du's</hi> bi&#x017F;t?&#x201C; Er<lb/>
hatte die Hand auf die Schulter des Reiters ge¬<lb/>
legt. Die&#x017F;er war nicht &#x017F;ehr er&#x017F;chrocken, als er &#x017F;ich<lb/>
um&#x017F;ah und den andern erkannte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vielleicht &#x2014; Eigentlich aber nicht. Ich dachte<lb/>
nur an ein Bad. &#x2014; So aus dem Gluthofen in die<lb/>
kühle Tiefe!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was hier da&#x017F;&#x017F;elbe wäre! entgegnete der zuer&#x017F;t<lb/>
Dagewe&#x017F;ene, und faßte heftig &#x017F;einen Arm. Komm&#x017F;t<lb/>
Du aus dem Gefängniß, Louis? Ward'&#x017F;t Du heut<lb/>
entla&#x017F;&#x017F;en?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um meine Freiheit zu genießen, jagte ich den<lb/>
Gaul fa&#x017F;t todt, und ward &#x017F;elb&#x017F;t wieder unfrei und<lb/>
matt wie eine Fliege. Und wenn ich wieder auf¬<lb/>
flattere, &#x017F;teht doch tau&#x017F;end gegen eins, daß ich wieder<lb/>
gegen etwas an&#x017F;toße. Wär's nun nicht ein wunder¬<lb/>
&#x017F;chönes Ende, um gar keinen An&#x017F;toß mehr zugeben, wenn<lb/>
ich, erhitzt, dur&#x017F;tend, an eines Fel&#x017F;ens Rande in der<lb/>
Mittags&#x017F;onne eine Fla&#x017F;che Champagner auf einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0176] war das Pferd nicht. Es war ein ihm wohlbekannter friedfertiger Gaul aus dem Stall eines Pferdever¬ leihers. Der Reiter hatte nachläſſig, aber ſicher ge¬ ſeſſen, und die blutenden Seiten des Thieres ver¬ riethen deutlich genug die Behandlung, welche es außer ſich gebracht. Walter war an dieſer Geſell¬ ſchaft gar nichts gelegen, aber die ſeltſame Stellung des Ankömmlings fiel ihm auf. Durch die Hände ſchielte er auf das Waſſer, und ſeine dunklen Augen glänzten ſeltſam. „Plagt Dich — — wenn Du's biſt?“ Er hatte die Hand auf die Schulter des Reiters ge¬ legt. Dieſer war nicht ſehr erſchrocken, als er ſich umſah und den andern erkannte: „Vielleicht — Eigentlich aber nicht. Ich dachte nur an ein Bad. — So aus dem Gluthofen in die kühle Tiefe!“ „Was hier daſſelbe wäre! entgegnete der zuerſt Dageweſene, und faßte heftig ſeinen Arm. Kommſt Du aus dem Gefängniß, Louis? Ward'ſt Du heut entlaſſen?“ „Um meine Freiheit zu genießen, jagte ich den Gaul faſt todt, und ward ſelbſt wieder unfrei und matt wie eine Fliege. Und wenn ich wieder auf¬ flattere, ſteht doch tauſend gegen eins, daß ich wieder gegen etwas anſtoße. Wär's nun nicht ein wunder¬ ſchönes Ende, um gar keinen Anſtoß mehr zugeben, wenn ich, erhitzt, durſtend, an eines Felſens Rande in der Mittagsſonne eine Flaſche Champagner auf einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/176
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/176>, abgerufen am 23.11.2024.