Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

die Schärpe verdiente." Er hielt plötzlich inne, als
er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen.
"Alter Freund! ein frisch Glas auf den jungen Kö¬
nig, aber jetzt stoß an mit dem Restchen: daß Preußen
noch ein Mal ein Roßbach erlebt!"

Es war die Versöhnung. Der Kriegsrath ver¬
stand es, er fuhr aber so heftig gegen das Glas des
Major, daß es einen Sprung bekam: "Thut nichts!
Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe."

Um nicht aus einem zersprungenen Glase des
Königs Gesundheit zu trinken, mußte ein neues her¬
beigeschafft werden. Dazu kamen andere Unter¬
brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte
Schüssel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als
die Kirschkuchen sichtbar wurden, war die Ordnung
am Tische nicht mehr zu erhalten. "Gieb ihnen die
Kuchen und laß sie laufen, sagte der Vater, sie haben
doch keine Geduld mehr, und stören uns nur." Dazu
erschallte Trompeten- und Paukenmusik vom einen
Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬
pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬
tairische Musik.

"Mein alter Dessauer! sagte der Major. Ver¬
zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten
Cameraden muß."

"Aber vorerst das Glas auf den König, Alter."

Der Major erhob sich. Er sammelte sich zu
einem Spruch, indem er in die Wipfel sah. Sie
strahlten nicht mehr, das Gold der Mittagssonne im

I. 10

die Schärpe verdiente.“ Er hielt plötzlich inne, als
er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen.
„Alter Freund! ein friſch Glas auf den jungen Kö¬
nig, aber jetzt ſtoß an mit dem Reſtchen: daß Preußen
noch ein Mal ein Roßbach erlebt!“

Es war die Verſöhnung. Der Kriegsrath ver¬
ſtand es, er fuhr aber ſo heftig gegen das Glas des
Major, daß es einen Sprung bekam: „Thut nichts!
Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.“

Um nicht aus einem zerſprungenen Glaſe des
Königs Geſundheit zu trinken, mußte ein neues her¬
beigeſchafft werden. Dazu kamen andere Unter¬
brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte
Schüſſel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als
die Kirſchkuchen ſichtbar wurden, war die Ordnung
am Tiſche nicht mehr zu erhalten. „Gieb ihnen die
Kuchen und laß ſie laufen, ſagte der Vater, ſie haben
doch keine Geduld mehr, und ſtören uns nur.“ Dazu
erſchallte Trompeten- und Paukenmuſik vom einen
Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬
pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬
tairiſche Muſik.

„Mein alter Deſſauer! ſagte der Major. Ver¬
zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten
Cameraden muß.“

„Aber vorerſt das Glas auf den König, Alter.“

Der Major erhob ſich. Er ſammelte ſich zu
einem Spruch, indem er in die Wipfel ſah. Sie
ſtrahlten nicht mehr, das Gold der Mittagsſonne im

I. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="145"/>
die Schärpe verdiente.&#x201C; Er hielt plötzlich inne, als<lb/>
er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen.<lb/>
&#x201E;Alter Freund! ein fri&#x017F;ch Glas auf den jungen Kö¬<lb/>
nig, aber jetzt &#x017F;toß an mit dem Re&#x017F;tchen: daß Preußen<lb/>
noch ein Mal ein Roßbach erlebt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es war die Ver&#x017F;öhnung. Der Kriegsrath ver¬<lb/>
&#x017F;tand es, er fuhr aber &#x017F;o heftig gegen das Glas des<lb/>
Major, daß es einen Sprung bekam: &#x201E;Thut nichts!<lb/>
Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Um nicht aus einem zer&#x017F;prungenen Gla&#x017F;e des<lb/>
Königs Ge&#x017F;undheit zu trinken, mußte ein neues her¬<lb/>
beige&#x017F;chafft werden. Dazu kamen andere Unter¬<lb/>
brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte<lb/>
Schü&#x017F;&#x017F;el auf. Die Mutter hob das Tuch, und als<lb/>
die Kir&#x017F;chkuchen &#x017F;ichtbar wurden, war die Ordnung<lb/>
am Ti&#x017F;che nicht mehr zu erhalten. &#x201E;Gieb ihnen die<lb/>
Kuchen und laß &#x017F;ie laufen, &#x017F;agte der Vater, &#x017F;ie haben<lb/>
doch keine Geduld mehr, und &#x017F;tören uns nur.&#x201C; Dazu<lb/>
er&#x017F;challte Trompeten- und Paukenmu&#x017F;ik vom einen<lb/>
Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬<lb/>
pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬<lb/>
tairi&#x017F;che Mu&#x017F;ik.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein alter De&#x017F;&#x017F;auer! &#x017F;agte der Major. Ver¬<lb/>
zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten<lb/>
Cameraden muß.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber vorer&#x017F;t das Glas auf den König, Alter.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Major erhob &#x017F;ich. Er &#x017F;ammelte &#x017F;ich zu<lb/>
einem Spruch, indem er in die Wipfel &#x017F;ah. Sie<lb/>
&#x017F;trahlten nicht mehr, das Gold der Mittags&#x017F;onne im<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> 10<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0159] die Schärpe verdiente.“ Er hielt plötzlich inne, als er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen. „Alter Freund! ein friſch Glas auf den jungen Kö¬ nig, aber jetzt ſtoß an mit dem Reſtchen: daß Preußen noch ein Mal ein Roßbach erlebt!“ Es war die Verſöhnung. Der Kriegsrath ver¬ ſtand es, er fuhr aber ſo heftig gegen das Glas des Major, daß es einen Sprung bekam: „Thut nichts! Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.“ Um nicht aus einem zerſprungenen Glaſe des Königs Geſundheit zu trinken, mußte ein neues her¬ beigeſchafft werden. Dazu kamen andere Unter¬ brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte Schüſſel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als die Kirſchkuchen ſichtbar wurden, war die Ordnung am Tiſche nicht mehr zu erhalten. „Gieb ihnen die Kuchen und laß ſie laufen, ſagte der Vater, ſie haben doch keine Geduld mehr, und ſtören uns nur.“ Dazu erſchallte Trompeten- und Paukenmuſik vom einen Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬ pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬ tairiſche Muſik. „Mein alter Deſſauer! ſagte der Major. Ver¬ zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten Cameraden muß.“ „Aber vorerſt das Glas auf den König, Alter.“ Der Major erhob ſich. Er ſammelte ſich zu einem Spruch, indem er in die Wipfel ſah. Sie ſtrahlten nicht mehr, das Gold der Mittagsſonne im I. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/159
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/159>, abgerufen am 22.11.2024.