warum er annehmen müsse; sie wußte, daß er ganz zu dem Posten befähigt sei, denn daran zweifeln hieße ja an der Autorität seines hohen Vorgesetzten zweifeln, der werde es doch am besten wissen, wozu er tauge. Und um die andern kümmere sie sich gar nicht. "Und, schloß sie, Du würdest dann auch Geheimer -- Sie erschrak und verschluckte das Wort. Aber --"
Aber einig wurden sie doch. Die Adelheid sollte französisch lernen, und ein Lehrer im Hause ange¬ nommen werden, für Geographie und Geschichte und was sonst so nöthig ist, damit man nicht dumm in der Gesellschaft ist. Dazu gab der Vater die Ein¬ willigung. Klavierspielen -- auch das -- aber Aesthe¬ tik! Ja, Gellert und auch Bürger und vor allem der treffliche Gleim! Er konnte alle seine Preußenlieder auswendig. -- "Mann! Mann! sagte die Mutter, da lächeln sie über uns. Sie sprechen immer nur über Schiller und Goethe und Tiedge! Die muß sie kennen lernen." Gegen Schiller hatte der Kriegsrath nichts einzuwenden; die Königin liebte diesen Dichter, und er hatte erfahren, daß auch der König sich ein¬ mal günstig über ihn geäußert. Und Goethe ließ er passiren, sein Götz von Berlichingen hatte ihm wun¬ derbar um's Herz geklungen. "Solche eiserne Hand thäte unserer Zeit noth!" Aber Tiedge, der sollte ja extravagante Ideen, und die ganze junge Schule unsittliche Grundsätze predigen. Darüber wußte die Mutter nicht Auskunft zu geben, sie hatte nur gehört, daß er ein frommes und himmlisches Gedicht geschrieben,
warum er annehmen müſſe; ſie wußte, daß er ganz zu dem Poſten befähigt ſei, denn daran zweifeln hieße ja an der Autorität ſeines hohen Vorgeſetzten zweifeln, der werde es doch am beſten wiſſen, wozu er tauge. Und um die andern kümmere ſie ſich gar nicht. „Und, ſchloß ſie, Du würdeſt dann auch Geheimer — Sie erſchrak und verſchluckte das Wort. Aber —“
Aber einig wurden ſie doch. Die Adelheid ſollte franzöſiſch lernen, und ein Lehrer im Hauſe ange¬ nommen werden, für Geographie und Geſchichte und was ſonſt ſo nöthig iſt, damit man nicht dumm in der Geſellſchaft iſt. Dazu gab der Vater die Ein¬ willigung. Klavierſpielen — auch das — aber Aeſthe¬ tik! Ja, Gellert und auch Bürger und vor allem der treffliche Gleim! Er konnte alle ſeine Preußenlieder auswendig. — „Mann! Mann! ſagte die Mutter, da lächeln ſie über uns. Sie ſprechen immer nur über Schiller und Goethe und Tiedge! Die muß ſie kennen lernen.“ Gegen Schiller hatte der Kriegsrath nichts einzuwenden; die Königin liebte dieſen Dichter, und er hatte erfahren, daß auch der König ſich ein¬ mal günſtig über ihn geäußert. Und Goethe ließ er paſſiren, ſein Götz von Berlichingen hatte ihm wun¬ derbar um's Herz geklungen. „Solche eiſerne Hand thäte unſerer Zeit noth!“ Aber Tiedge, der ſollte ja extravagante Ideen, und die ganze junge Schule unſittliche Grundſätze predigen. Darüber wußte die Mutter nicht Auskunft zu geben, ſie hatte nur gehört, daß er ein frommes und himmliſches Gedicht geſchrieben,
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warum er annehmen müſſe; ſie wußte, daß er ganz
zu dem Poſten befähigt ſei, denn daran zweifeln hieße
ja an der Autorität ſeines hohen Vorgeſetzten zweifeln,
der werde es doch am beſten wiſſen, wozu er tauge.
Und um die andern kümmere ſie ſich gar nicht. „Und,
ſchloß ſie, Du würdeſt dann auch Geheimer — Sie
erſchrak und verſchluckte das Wort. Aber —“
Aber einig wurden ſie doch. Die Adelheid ſollte
franzöſiſch lernen, und ein Lehrer im Hauſe ange¬
nommen werden, für Geographie und Geſchichte und
was ſonſt ſo nöthig iſt, damit man nicht dumm in
der Geſellſchaft iſt. Dazu gab der Vater die Ein¬
willigung. Klavierſpielen — auch das — aber Aeſthe¬
tik! Ja, Gellert und auch Bürger und vor allem der
treffliche Gleim! Er konnte alle ſeine Preußenlieder
auswendig. — „Mann! Mann! ſagte die Mutter,
da lächeln ſie über uns. Sie ſprechen immer nur
über Schiller und Goethe und Tiedge! Die muß ſie
kennen lernen.“ Gegen Schiller hatte der Kriegsrath
nichts einzuwenden; die Königin liebte dieſen Dichter,
und er hatte erfahren, daß auch der König ſich ein¬
mal günſtig über ihn geäußert. Und Goethe ließ er
paſſiren, ſein Götz von Berlichingen hatte ihm wun¬
derbar um's Herz geklungen. „Solche eiſerne Hand
thäte unſerer Zeit noth!“ Aber Tiedge, der ſollte ja
extravagante Ideen, und die ganze junge Schule
unſittliche Grundſätze predigen. Darüber wußte die
Mutter nicht Auskunft zu geben, ſie hatte nur gehört,
daß er ein frommes und himmliſches Gedicht geſchrieben,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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