Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

wollen, vom Bäcker nebenan, oben auf dem Boden
kann man in unsre Schlafstube sehen. Da steigen
die jungen Herrn vom Kammergericht, die Referen¬
dare, die beim Bäcker wohnen, und sehen runter,
wenn wir Licht anmachen. Seit ichs weiß, darum
hab ich Dir die dicken Vorhänge abgeschwatzt. Aber
willst Du sie immer behüten?"

Der Kriegsrath antwortete nicht.

"Du hast schon ganz recht. Wenn wir sie in
Gesellschaft führen, da wird's ein großes Gaffen
geben, und die Herren werden um sie schwenzeln.
Aber ich weiß doch nicht Alter, ob sie da besser dran
ist, wenn sie nicht französisch kann und nicht Klavier
spielen, und wenn die Leute endlich merken, sie ist
ein Gänschen, mit der kann man schon was auf¬
stellen, oder --"

Der Kriegsrath war aufgestanden. Die Pfeife
stellte er an den Baum, seine Frau nahm er unter
den Arm. Sie gingen unter den Linden langsam
auf und ab, und er klopfte ihr auf den Arm: "Du
bist schon eine kluge Frau." Sie hatte gesiegt. Sie
waren einig, daß Adelheid eine Erziehung erhalten
müsse, um in der Welt aufzutreten. Weniger einig
waren sie über das wie? "Davon ein ander Mal,"
sagte der Kriegsrath. Aber sie hielt plötzlich inne
und sah ihn groß an: "Alter dahinter steckt noch
was andres. Gestern Abend kamst Du nachdenklich
nach Haus und Du fragtest nach der Pfeife und
hieltest sie schon zwischen den Beinen und heute Mor¬

wollen, vom Bäcker nebenan, oben auf dem Boden
kann man in unſre Schlafſtube ſehen. Da ſteigen
die jungen Herrn vom Kammergericht, die Referen¬
dare, die beim Bäcker wohnen, und ſehen runter,
wenn wir Licht anmachen. Seit ichs weiß, darum
hab ich Dir die dicken Vorhänge abgeſchwatzt. Aber
willſt Du ſie immer behüten?“

Der Kriegsrath antwortete nicht.

„Du haſt ſchon ganz recht. Wenn wir ſie in
Geſellſchaft führen, da wird's ein großes Gaffen
geben, und die Herren werden um ſie ſchwenzeln.
Aber ich weiß doch nicht Alter, ob ſie da beſſer dran
iſt, wenn ſie nicht franzöſiſch kann und nicht Klavier
ſpielen, und wenn die Leute endlich merken, ſie iſt
ein Gänschen, mit der kann man ſchon was auf¬
ſtellen, oder —“

Der Kriegsrath war aufgeſtanden. Die Pfeife
ſtellte er an den Baum, ſeine Frau nahm er unter
den Arm. Sie gingen unter den Linden langſam
auf und ab, und er klopfte ihr auf den Arm: „Du
biſt ſchon eine kluge Frau.“ Sie hatte geſiegt. Sie
waren einig, daß Adelheid eine Erziehung erhalten
müſſe, um in der Welt aufzutreten. Weniger einig
waren ſie über das wie? „Davon ein ander Mal,“
ſagte der Kriegsrath. Aber ſie hielt plötzlich inne
und ſah ihn groß an: „Alter dahinter ſteckt noch
was andres. Geſtern Abend kamſt Du nachdenklich
nach Haus und Du fragteſt nach der Pfeife und
hielteſt ſie ſchon zwiſchen den Beinen und heute Mor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="130"/>
wollen, vom Bäcker nebenan, oben auf dem Boden<lb/>
kann man in un&#x017F;re Schlaf&#x017F;tube &#x017F;ehen. Da &#x017F;teigen<lb/>
die jungen Herrn vom Kammergericht, die Referen¬<lb/>
dare, die beim Bäcker wohnen, und &#x017F;ehen runter,<lb/>
wenn wir Licht anmachen. Seit ichs weiß, darum<lb/>
hab ich Dir die dicken Vorhänge abge&#x017F;chwatzt. Aber<lb/>
will&#x017F;t Du &#x017F;ie immer behüten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Kriegsrath antwortete nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t &#x017F;chon ganz recht. Wenn wir &#x017F;ie in<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft führen, da wird's ein großes Gaffen<lb/>
geben, und die Herren werden um &#x017F;ie &#x017F;chwenzeln.<lb/>
Aber ich weiß doch nicht Alter, ob &#x017F;ie da be&#x017F;&#x017F;er dran<lb/>
i&#x017F;t, wenn &#x017F;ie nicht franzö&#x017F;i&#x017F;ch kann und nicht Klavier<lb/>
&#x017F;pielen, und wenn die Leute endlich merken, &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
ein Gänschen, mit der kann man &#x017F;chon was auf¬<lb/>
&#x017F;tellen, oder &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Kriegsrath war aufge&#x017F;tanden. Die Pfeife<lb/>
&#x017F;tellte er an den Baum, &#x017F;eine Frau nahm er unter<lb/>
den Arm. Sie gingen unter den Linden lang&#x017F;am<lb/>
auf und ab, und er klopfte ihr auf den Arm: &#x201E;Du<lb/>
bi&#x017F;t &#x017F;chon eine kluge Frau.&#x201C; Sie hatte ge&#x017F;iegt. Sie<lb/>
waren einig, daß Adelheid eine Erziehung erhalten<lb/>&#x017F;&#x017F;e, um in der Welt aufzutreten. Weniger einig<lb/>
waren &#x017F;ie über das wie? &#x201E;Davon ein ander Mal,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte der Kriegsrath. Aber &#x017F;ie hielt plötzlich inne<lb/>
und &#x017F;ah ihn groß an: &#x201E;Alter dahinter &#x017F;teckt noch<lb/>
was andres. Ge&#x017F;tern Abend kam&#x017F;t Du nachdenklich<lb/>
nach Haus und Du fragte&#x017F;t nach der Pfeife und<lb/>
hielte&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;chon zwi&#x017F;chen den Beinen und heute Mor¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0144] wollen, vom Bäcker nebenan, oben auf dem Boden kann man in unſre Schlafſtube ſehen. Da ſteigen die jungen Herrn vom Kammergericht, die Referen¬ dare, die beim Bäcker wohnen, und ſehen runter, wenn wir Licht anmachen. Seit ichs weiß, darum hab ich Dir die dicken Vorhänge abgeſchwatzt. Aber willſt Du ſie immer behüten?“ Der Kriegsrath antwortete nicht. „Du haſt ſchon ganz recht. Wenn wir ſie in Geſellſchaft führen, da wird's ein großes Gaffen geben, und die Herren werden um ſie ſchwenzeln. Aber ich weiß doch nicht Alter, ob ſie da beſſer dran iſt, wenn ſie nicht franzöſiſch kann und nicht Klavier ſpielen, und wenn die Leute endlich merken, ſie iſt ein Gänschen, mit der kann man ſchon was auf¬ ſtellen, oder —“ Der Kriegsrath war aufgeſtanden. Die Pfeife ſtellte er an den Baum, ſeine Frau nahm er unter den Arm. Sie gingen unter den Linden langſam auf und ab, und er klopfte ihr auf den Arm: „Du biſt ſchon eine kluge Frau.“ Sie hatte geſiegt. Sie waren einig, daß Adelheid eine Erziehung erhalten müſſe, um in der Welt aufzutreten. Weniger einig waren ſie über das wie? „Davon ein ander Mal,“ ſagte der Kriegsrath. Aber ſie hielt plötzlich inne und ſah ihn groß an: „Alter dahinter ſteckt noch was andres. Geſtern Abend kamſt Du nachdenklich nach Haus und Du fragteſt nach der Pfeife und hielteſt ſie ſchon zwiſchen den Beinen und heute Mor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/144
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/144>, abgerufen am 23.11.2024.