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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Tischtuch fliegt hinauf, die irdenen Schüsseln und
Teller halten es fest, wenn ein Luftzug die Zipfel
überschlagen will, und die Schüsseln füllen sich schon,
nicht vom Reis, der noch über dem Feuer siedet, aber
von den Lindenblüthen, die der Zephyr von den
Zweigen schüttelt.

Es war ein goldiger Tag. Die Hitze war nicht
gering, aber auf den Körper des Familienvaters,
der ausruhen sollte, von der Arbeit einer Woche,
schien sie wie ein Balsam sich zu senken. Seine Frau
zog sich einen Schemel neben ihn. Drinnen war
alles geordnet, sie konnte es den andern überlassen,
und den Strickstrumpf vorholen, um auch der Ruhe
zu pflegen.

"Es hat Dich aufgeheitert, Du warst heut Morgen
anders, sagte sie; noch als wir zum Thor hinaus¬
gingen, sahst Du vor Dich hin, daß ich wunders
dachte, was es wäre."

"Und Du eiltest so aus dem Thor, daß ich auch
dachte, wunders was es wäre."

Sie ließ den Strickstrumpf sinken: "Ja sieh mal,
ich hätte es nicht gern gehabt, wenn uns Einer be¬
gegnet wäre. Denn eigentlich, es ist doch nicht, was
sich für uns schickt, ich meine nämlich für Dich. Ja
als Du noch Subalterner warst -- aber nun, und
wer weiß was Du noch wirst, da der Justizminister
es mit Dir so gut meint."

Der Ehemann blies einen langen Dampf in die
Luft und ließ die Pfeife am Fuße ruhen: "Das ist

Tiſchtuch fliegt hinauf, die irdenen Schüſſeln und
Teller halten es feſt, wenn ein Luftzug die Zipfel
überſchlagen will, und die Schüſſeln füllen ſich ſchon,
nicht vom Reis, der noch über dem Feuer ſiedet, aber
von den Lindenblüthen, die der Zephyr von den
Zweigen ſchüttelt.

Es war ein goldiger Tag. Die Hitze war nicht
gering, aber auf den Körper des Familienvaters,
der ausruhen ſollte, von der Arbeit einer Woche,
ſchien ſie wie ein Balſam ſich zu ſenken. Seine Frau
zog ſich einen Schemel neben ihn. Drinnen war
alles geordnet, ſie konnte es den andern überlaſſen,
und den Strickſtrumpf vorholen, um auch der Ruhe
zu pflegen.

„Es hat Dich aufgeheitert, Du warſt heut Morgen
anders, ſagte ſie; noch als wir zum Thor hinaus¬
gingen, ſahſt Du vor Dich hin, daß ich wunders
dachte, was es wäre.“

„Und Du eilteſt ſo aus dem Thor, daß ich auch
dachte, wunders was es wäre.“

Sie ließ den Strickſtrumpf ſinken: „Ja ſieh mal,
ich hätte es nicht gern gehabt, wenn uns Einer be¬
gegnet wäre. Denn eigentlich, es iſt doch nicht, was
ſich für uns ſchickt, ich meine nämlich für Dich. Ja
als Du noch Subalterner warſt — aber nun, und
wer weiß was Du noch wirſt, da der Juſtizminiſter
es mit Dir ſo gut meint.“

Der Ehemann blies einen langen Dampf in die
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[124/0138] Tiſchtuch fliegt hinauf, die irdenen Schüſſeln und Teller halten es feſt, wenn ein Luftzug die Zipfel überſchlagen will, und die Schüſſeln füllen ſich ſchon, nicht vom Reis, der noch über dem Feuer ſiedet, aber von den Lindenblüthen, die der Zephyr von den Zweigen ſchüttelt. Es war ein goldiger Tag. Die Hitze war nicht gering, aber auf den Körper des Familienvaters, der ausruhen ſollte, von der Arbeit einer Woche, ſchien ſie wie ein Balſam ſich zu ſenken. Seine Frau zog ſich einen Schemel neben ihn. Drinnen war alles geordnet, ſie konnte es den andern überlaſſen, und den Strickſtrumpf vorholen, um auch der Ruhe zu pflegen. „Es hat Dich aufgeheitert, Du warſt heut Morgen anders, ſagte ſie; noch als wir zum Thor hinaus¬ gingen, ſahſt Du vor Dich hin, daß ich wunders dachte, was es wäre.“ „Und Du eilteſt ſo aus dem Thor, daß ich auch dachte, wunders was es wäre.“ Sie ließ den Strickſtrumpf ſinken: „Ja ſieh mal, ich hätte es nicht gern gehabt, wenn uns Einer be¬ gegnet wäre. Denn eigentlich, es iſt doch nicht, was ſich für uns ſchickt, ich meine nämlich für Dich. Ja als Du noch Subalterner warſt — aber nun, und wer weiß was Du noch wirſt, da der Juſtizminiſter es mit Dir ſo gut meint.“ Der Ehemann blies einen langen Dampf in die Luft und ließ die Pfeife am Fuße ruhen: „Das iſt

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/138>, abgerufen am 24.11.2024.