der matte Strahl des großen Auges nicht mehr geweckt.
Und als der große Mann im Sterben lag, durch¬ schauerte es auch wohl die guten Bürger, daß so ein großer Mann wie der kleinste unter ihnen von dieser Welt scheiden müsse. Aber an seine großen Schlach¬ ten und was noch größer, seine Thaten für den Staat, und daß er die Seele dieses Staates gewesen, und ob eine andre Seele und welche, in diesen verlasse¬ nen Körper fahren werde, daran dachten sie nicht. Den guten Bürgern fiel es überhaupt nicht ein, daß der Staat ein Leib sei, der eine Seele braucht. Sie dachten vielmehr -- ganz still -- wenn der Alte todt ist, hören die Kaffeeriecher auf, und vielleicht auch die Tabacksregie. Unter diesen Gefühlen der guten Bürger, die man später die Gutgesinnten nannte, entschlief der größte Mann seines Jahrhunderts. Wenn er's gewußt, vielleicht hätte sein letzter Seuf¬ zer geklungen: das hatte ich nicht verdient! Und darum jubelten die guten Bürger dem neuen, güti¬ gen Könige entgegen, der auch wirklich die Kaffee¬ riecher fortjagte, aber später und sehr bald ward er kein guter König. -- Er starb in seinem Marmor¬ palais am heiligen See, einsamer als der große Friedrich in Sanssouci. Die Kluft war noch tiefer geworden zwischen dem Könige und dem Volke.
Und nun hatte man wirklich einen guten König. Durch viele Jahre war er derselbe geblieben; es war
der matte Strahl des großen Auges nicht mehr geweckt.
Und als der große Mann im Sterben lag, durch¬ ſchauerte es auch wohl die guten Bürger, daß ſo ein großer Mann wie der kleinſte unter ihnen von dieſer Welt ſcheiden müſſe. Aber an ſeine großen Schlach¬ ten und was noch größer, ſeine Thaten für den Staat, und daß er die Seele dieſes Staates geweſen, und ob eine andre Seele und welche, in dieſen verlaſſe¬ nen Körper fahren werde, daran dachten ſie nicht. Den guten Bürgern fiel es überhaupt nicht ein, daß der Staat ein Leib ſei, der eine Seele braucht. Sie dachten vielmehr — ganz ſtill — wenn der Alte todt iſt, hören die Kaffeeriecher auf, und vielleicht auch die Tabacksregie. Unter dieſen Gefühlen der guten Bürger, die man ſpäter die Gutgeſinnten nannte, entſchlief der größte Mann ſeines Jahrhunderts. Wenn er's gewußt, vielleicht hätte ſein letzter Seuf¬ zer geklungen: das hatte ich nicht verdient! Und darum jubelten die guten Bürger dem neuen, güti¬ gen Könige entgegen, der auch wirklich die Kaffee¬ riecher fortjagte, aber ſpäter und ſehr bald ward er kein guter König. — Er ſtarb in ſeinem Marmor¬ palais am heiligen See, einſamer als der große Friedrich in Sansſouci. Die Kluft war noch tiefer geworden zwiſchen dem Könige und dem Volke.
Und nun hatte man wirklich einen guten König. Durch viele Jahre war er derſelbe geblieben; es war
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der matte Strahl des großen Auges nicht mehr
geweckt.
Und als der große Mann im Sterben lag, durch¬
ſchauerte es auch wohl die guten Bürger, daß ſo ein
großer Mann wie der kleinſte unter ihnen von dieſer
Welt ſcheiden müſſe. Aber an ſeine großen Schlach¬
ten und was noch größer, ſeine Thaten für den Staat,
und daß er die Seele dieſes Staates geweſen, und
ob eine andre Seele und welche, in dieſen verlaſſe¬
nen Körper fahren werde, daran dachten ſie nicht.
Den guten Bürgern fiel es überhaupt nicht ein, daß
der Staat ein Leib ſei, der eine Seele braucht. Sie
dachten vielmehr — ganz ſtill — wenn der Alte todt
iſt, hören die Kaffeeriecher auf, und vielleicht auch
die Tabacksregie. Unter dieſen Gefühlen der guten
Bürger, die man ſpäter die Gutgeſinnten nannte,
entſchlief der größte Mann ſeines Jahrhunderts.
Wenn er's gewußt, vielleicht hätte ſein letzter Seuf¬
zer geklungen: das hatte ich nicht verdient! Und
darum jubelten die guten Bürger dem neuen, güti¬
gen Könige entgegen, der auch wirklich die Kaffee¬
riecher fortjagte, aber ſpäter und ſehr bald ward er
kein guter König. — Er ſtarb in ſeinem Marmor¬
palais am heiligen See, einſamer als der große
Friedrich in Sansſouci. Die Kluft war noch
tiefer geworden zwiſchen dem Könige und dem
Volke.
Und nun hatte man wirklich einen guten König.
Durch viele Jahre war er derſelbe geblieben; es war
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/130>, abgerufen am 24.11.2024.
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