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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Auftritts um einen Kopf größer als der andere Ge¬
heimrath. Ob er es war, laß ich ungesagt:

"Mein Herr Geheimrath, ich hatte nicht erwartet,
daß wir uns so begegnen sollten."

Lupinus war um einen Schritt zurückgeprallt.
Den Hut noch fester an die Brust drückend, verneigte
er sich noch tiefer: "Mein Herr Geheimrath, wer hat
keine Feinde!"

"Um das kurz abzuschneiden, von Ihren Feinden
weiß ich nichts, aber ich weiß doch Alles. Ich bin
nicht Ihr Richter, das wissen Sie. Wie Sie sich
vor dem weiß brennen wollen ist Ihre Sache, zu
mir kommen Sie aus andern Gründen. Einem Ad¬
vocaten muß man Alles sagen."

"Soll ich sagen, daß mich diese edle Gesinnung
überrascht? Nein! Justice et humanite, voila le
patrimoine de la famille de Bovillard! Si mon ami
Bovillard est mon avocat, je suis l'homme le plus
heureux."

"Herr, rasen Sie! Von Ihrer Cassation ist die
Rede! Um des Himmels Willen plagte Sie denn
der Teufel! Lauern uns denn nicht genug auf den
Dienst, wissen Sie nicht, wie man uns auf die Fin¬
ger sieht, wie man die unschuldigsten Handlungen
verdächtigt, und Sie müssen uns mit solchen Stänke¬
reien kommen! Herr Geheimrath, Sie verdienten
ja schon darum --"

"Meine Intentionen waren die reinsten von der
Welt --"

Auftritts um einen Kopf größer als der andere Ge¬
heimrath. Ob er es war, laß ich ungeſagt:

„Mein Herr Geheimrath, ich hatte nicht erwartet,
daß wir uns ſo begegnen ſollten.“

Lupinus war um einen Schritt zurückgeprallt.
Den Hut noch feſter an die Bruſt drückend, verneigte
er ſich noch tiefer: „Mein Herr Geheimrath, wer hat
keine Feinde!“

„Um das kurz abzuſchneiden, von Ihren Feinden
weiß ich nichts, aber ich weiß doch Alles. Ich bin
nicht Ihr Richter, das wiſſen Sie. Wie Sie ſich
vor dem weiß brennen wollen iſt Ihre Sache, zu
mir kommen Sie aus andern Gründen. Einem Ad¬
vocaten muß man Alles ſagen.“

„Soll ich ſagen, daß mich dieſe edle Geſinnung
überraſcht? Nein! Justice et humanité, voilà le
patrimoine de la famille de Bovillard! Si mon ami
Bovillard est mon avocat, je suis l'homme le plus
heureux.“

„Herr, raſen Sie! Von Ihrer Caſſation iſt die
Rede! Um des Himmels Willen plagte Sie denn
der Teufel! Lauern uns denn nicht genug auf den
Dienſt, wiſſen Sie nicht, wie man uns auf die Fin¬
ger ſieht, wie man die unſchuldigſten Handlungen
verdächtigt, und Sie müſſen uns mit ſolchen Stänke¬
reien kommen! Herr Geheimrath, Sie verdienten
ja ſchon darum —“

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[102/0116] Auftritts um einen Kopf größer als der andere Ge¬ heimrath. Ob er es war, laß ich ungeſagt: „Mein Herr Geheimrath, ich hatte nicht erwartet, daß wir uns ſo begegnen ſollten.“ Lupinus war um einen Schritt zurückgeprallt. Den Hut noch feſter an die Bruſt drückend, verneigte er ſich noch tiefer: „Mein Herr Geheimrath, wer hat keine Feinde!“ „Um das kurz abzuſchneiden, von Ihren Feinden weiß ich nichts, aber ich weiß doch Alles. Ich bin nicht Ihr Richter, das wiſſen Sie. Wie Sie ſich vor dem weiß brennen wollen iſt Ihre Sache, zu mir kommen Sie aus andern Gründen. Einem Ad¬ vocaten muß man Alles ſagen.“ „Soll ich ſagen, daß mich dieſe edle Geſinnung überraſcht? Nein! Justice et humanité, voilà le patrimoine de la famille de Bovillard! Si mon ami Bovillard est mon avocat, je suis l'homme le plus heureux.“ „Herr, raſen Sie! Von Ihrer Caſſation iſt die Rede! Um des Himmels Willen plagte Sie denn der Teufel! Lauern uns denn nicht genug auf den Dienſt, wiſſen Sie nicht, wie man uns auf die Fin¬ ger ſieht, wie man die unſchuldigſten Handlungen verdächtigt, und Sie müſſen uns mit ſolchen Stänke¬ reien kommen! Herr Geheimrath, Sie verdienten ja ſchon darum —“ „Meine Intentionen waren die reinſten von der Welt —“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/116>, abgerufen am 26.11.2024.