Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Dr. Jonas Cenarius fragte Dr. M. Luther um Rath:
Es wäre ein Schulmeister in Schlesien, nicht ungelehrt, der
hatte ihm fürgenommen, eine Comödie im Terentio zu
agiren und zu spielen. Viel aber ärgerten sich daran,
gleich als gebühre einem Christen-Menschen nicht solch
Spielwerk aus heidnischen Poeten. Was er, Dr. Luther,
davon hielte? Da sprach er: Comödien zu spielen soll
man um der Knaben willen in der Schule nicht wehren,
sondern gestatten und zulassen. Erstlich daß sie sich üben
in der lateinischen Sprache. Zum andern daß in Co¬
mödien fein künstlich erdichtet, abgemahlt und fürgestellt
werden solche Personen, dadurch die Leute unterrichtet,
und ein jeglicher seines Amts und Standes erinnert und
vermahnt werde, was einem Knechte, Herrn, jungen Ge¬
sellen und Allen gebühre, wohl anstehe und was er thun
soll. Ja, es wird darinnen fürgehalten und für Augen
gestellet, aller Dignitäten Grad, Aemter und Gebühr, wie
sich ein jeglicher in seinem Stande halten soll im äußer¬
lichen Wandel, wie in einem Spiegel. Zudem werden
darin beschrieben und angezeigt die listigen Anschläge und
Betrug der bösen Bälge. Desgleichen was der Aeltern
und jungen Knaben Amt sei: wie sie ihre Kinder und

Dr. Jonas Cenarius fragte Dr. M. Luther um Rath:
Es wäre ein Schulmeiſter in Schleſien, nicht ungelehrt, der
hatte ihm fürgenommen, eine Comödie im Terentio zu
agiren und zu ſpielen. Viel aber ärgerten ſich daran,
gleich als gebühre einem Chriſten-Menſchen nicht ſolch
Spielwerk aus heidniſchen Poeten. Was er, Dr. Luther,
davon hielte? Da ſprach er: Comödien zu ſpielen ſoll
man um der Knaben willen in der Schule nicht wehren,
ſondern geſtatten und zulaſſen. Erſtlich daß ſie ſich üben
in der lateiniſchen Sprache. Zum andern daß in Co¬
mödien fein künſtlich erdichtet, abgemahlt und fürgeſtellt
werden ſolche Perſonen, dadurch die Leute unterrichtet,
und ein jeglicher ſeines Amts und Standes erinnert und
vermahnt werde, was einem Knechte, Herrn, jungen Ge¬
ſellen und Allen gebühre, wohl anſtehe und was er thun
ſoll. Ja, es wird darinnen fürgehalten und für Augen
geſtellet, aller Dignitäten Grad, Aemter und Gebühr, wie
ſich ein jeglicher in ſeinem Stande halten ſoll im äußer¬
lichen Wandel, wie in einem Spiegel. Zudem werden
darin beſchrieben und angezeigt die liſtigen Anſchläge und
Betrug der böſen Bälge. Desgleichen was der Aeltern
und jungen Knaben Amt ſei: wie ſie ihre Kinder und

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0011" n="[V]"/>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#aq">Dr</hi>. Jonas Cenarius fragte <hi rendition="#aq">Dr</hi>. M. <hi rendition="#g">Luther</hi> um Rath:<lb/>
Es wäre ein Schulmei&#x017F;ter in Schle&#x017F;ien, nicht ungelehrt, der<lb/>
hatte ihm fürgenommen, eine Comödie im Terentio zu<lb/>
agiren und zu &#x017F;pielen. Viel aber ärgerten &#x017F;ich daran,<lb/>
gleich als gebühre einem Chri&#x017F;ten-Men&#x017F;chen nicht &#x017F;olch<lb/>
Spielwerk aus heidni&#x017F;chen Poeten. Was er, <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Luther,<lb/>
davon hielte? Da &#x017F;prach er: Comödien zu &#x017F;pielen &#x017F;oll<lb/>
man um der Knaben willen in der Schule nicht wehren,<lb/>
&#x017F;ondern ge&#x017F;tatten und zula&#x017F;&#x017F;en. Er&#x017F;tlich daß &#x017F;ie &#x017F;ich üben<lb/>
in der lateini&#x017F;chen Sprache. Zum andern daß in Co¬<lb/>
mödien fein kün&#x017F;tlich erdichtet, abgemahlt und fürge&#x017F;tellt<lb/>
werden &#x017F;olche Per&#x017F;onen, dadurch die Leute unterrichtet,<lb/>
und ein jeglicher &#x017F;eines Amts und Standes erinnert und<lb/>
vermahnt werde, was einem Knechte, Herrn, jungen Ge¬<lb/>
&#x017F;ellen und Allen gebühre, wohl an&#x017F;tehe und was er thun<lb/>
&#x017F;oll. Ja, es wird darinnen fürgehalten und für Augen<lb/>
ge&#x017F;tellet, aller Dignitäten Grad, Aemter und Gebühr, wie<lb/>
&#x017F;ich ein jeglicher in &#x017F;einem Stande halten &#x017F;oll im äußer¬<lb/>
lichen Wandel, wie in einem Spiegel. Zudem werden<lb/>
darin be&#x017F;chrieben und angezeigt die li&#x017F;tigen An&#x017F;chläge und<lb/>
Betrug der bö&#x017F;en Bälge. Desgleichen was der Aeltern<lb/>
und jungen Knaben Amt &#x017F;ei: wie &#x017F;ie ihre Kinder und<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[[V]/0011] Dr. Jonas Cenarius fragte Dr. M. Luther um Rath: Es wäre ein Schulmeiſter in Schleſien, nicht ungelehrt, der hatte ihm fürgenommen, eine Comödie im Terentio zu agiren und zu ſpielen. Viel aber ärgerten ſich daran, gleich als gebühre einem Chriſten-Menſchen nicht ſolch Spielwerk aus heidniſchen Poeten. Was er, Dr. Luther, davon hielte? Da ſprach er: Comödien zu ſpielen ſoll man um der Knaben willen in der Schule nicht wehren, ſondern geſtatten und zulaſſen. Erſtlich daß ſie ſich üben in der lateiniſchen Sprache. Zum andern daß in Co¬ mödien fein künſtlich erdichtet, abgemahlt und fürgeſtellt werden ſolche Perſonen, dadurch die Leute unterrichtet, und ein jeglicher ſeines Amts und Standes erinnert und vermahnt werde, was einem Knechte, Herrn, jungen Ge¬ ſellen und Allen gebühre, wohl anſtehe und was er thun ſoll. Ja, es wird darinnen fürgehalten und für Augen geſtellet, aller Dignitäten Grad, Aemter und Gebühr, wie ſich ein jeglicher in ſeinem Stande halten ſoll im äußer¬ lichen Wandel, wie in einem Spiegel. Zudem werden darin beſchrieben und angezeigt die liſtigen Anſchläge und Betrug der böſen Bälge. Desgleichen was der Aeltern und jungen Knaben Amt ſei: wie ſie ihre Kinder und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/11
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/11>, abgerufen am 22.12.2024.