unangenehm wäre. Wir wurden unterbrochen. Meine Feder und mein Wille stehen zu Ihrer Disposition."
Bovillard setzte sich halb auf den Tisch, indem er vertraulich den Arm auf die Schulter des Rathes legte; die Runzeln seines Gesichtes verzogen sich in ein wohlgefälliges Lächeln:
"Mich hat seit lange kein Brief so erquickt!"
"Lombard muß wichtiges berichtet haben, be¬ merkte der Beamte. Nach den Aeußerungen des Herrn Geheimeraths gestern zu mehreren Geschäfts¬ männern herrscht unter den Kaufleuten eine sehr frohe Stimmung."
"Dürfte ich Ihnen den Brief zeigen! Bonaparte hat ihn empfangen nicht wie einen Abgesandten, sondern wie einen alten lieben Bekannten, den er endlich von Angesicht zu Angesicht sieht. Er saß auf dem Sopha und las. Was denken Sie? Den Ossian. Nachdem er Lombard die Hand gereicht, recitirte er ihm eine Stelle voll der tiefsten Empfindung für Menschenwohl. Er fragte ihn, ob er Ossians Gefühle theile? Lombard war nicht ganz vertraut, da las er ihm selbst die Scene vor, wo Malvine im Mondenschein über das Schlachtfeld eilt, und süße Betrachtungen ausgießt darüber, daß Mord und Schlachten die Geschicke der Menschheit reguliren. Bonaparte schlug das Buch zu und wandte sich schnell ab, um seine eigene Be¬ wegung zu verbergen. Und diesen Mann gefallen sich unsere Fanatiker einen Blutmenschen zu nennen! Wer gebietet der Parteienwuth! Das warf auch Bonaparte
unangenehm wäre. Wir wurden unterbrochen. Meine Feder und mein Wille ſtehen zu Ihrer Dispoſition.“
Bovillard ſetzte ſich halb auf den Tiſch, indem er vertraulich den Arm auf die Schulter des Rathes legte; die Runzeln ſeines Geſichtes verzogen ſich in ein wohlgefälliges Lächeln:
„Mich hat ſeit lange kein Brief ſo erquickt!“
„Lombard muß wichtiges berichtet haben, be¬ merkte der Beamte. Nach den Aeußerungen des Herrn Geheimeraths geſtern zu mehreren Geſchäfts¬ männern herrſcht unter den Kaufleuten eine ſehr frohe Stimmung.“
„Dürfte ich Ihnen den Brief zeigen! Bonaparte hat ihn empfangen nicht wie einen Abgeſandten, ſondern wie einen alten lieben Bekannten, den er endlich von Angeſicht zu Angeſicht ſieht. Er ſaß auf dem Sopha und las. Was denken Sie? Den Oſſian. Nachdem er Lombard die Hand gereicht, recitirte er ihm eine Stelle voll der tiefſten Empfindung für Menſchenwohl. Er fragte ihn, ob er Oſſians Gefühle theile? Lombard war nicht ganz vertraut, da las er ihm ſelbſt die Scene vor, wo Malvine im Mondenſchein über das Schlachtfeld eilt, und ſüße Betrachtungen ausgießt darüber, daß Mord und Schlachten die Geſchicke der Menſchheit reguliren. Bonaparte ſchlug das Buch zu und wandte ſich ſchnell ab, um ſeine eigene Be¬ wegung zu verbergen. Und dieſen Mann gefallen ſich unſere Fanatiker einen Blutmenſchen zu nennen! Wer gebietet der Parteienwuth! Das warf auch Bonaparte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0101"n="87"/>
unangenehm wäre. Wir wurden unterbrochen. Meine<lb/>
Feder und mein Wille ſtehen zu Ihrer Dispoſition.“</p><lb/><p>Bovillard ſetzte ſich halb auf den Tiſch, indem<lb/>
er vertraulich den Arm auf die Schulter des Rathes<lb/>
legte; die Runzeln ſeines Geſichtes verzogen ſich in<lb/>
ein wohlgefälliges Lächeln:</p><lb/><p>„Mich hat ſeit lange kein Brief ſo erquickt!“</p><lb/><p>„Lombard muß wichtiges berichtet haben, be¬<lb/>
merkte der Beamte. Nach den Aeußerungen des<lb/>
Herrn Geheimeraths geſtern zu mehreren Geſchäfts¬<lb/>
männern herrſcht unter den Kaufleuten eine ſehr<lb/>
frohe Stimmung.“</p><lb/><p>„Dürfte ich Ihnen den Brief zeigen! Bonaparte<lb/>
hat ihn empfangen nicht wie einen Abgeſandten, ſondern<lb/>
wie einen alten lieben Bekannten, den er endlich von<lb/>
Angeſicht zu Angeſicht ſieht. Er ſaß auf dem Sopha<lb/>
und las. Was denken Sie? Den Oſſian. Nachdem<lb/>
er Lombard die Hand gereicht, recitirte er ihm eine<lb/>
Stelle voll der tiefſten Empfindung für Menſchenwohl.<lb/>
Er fragte ihn, ob er Oſſians Gefühle theile? Lombard<lb/>
war nicht ganz vertraut, da las er ihm ſelbſt die<lb/>
Scene vor, wo Malvine im Mondenſchein über das<lb/>
Schlachtfeld eilt, und ſüße Betrachtungen ausgießt<lb/>
darüber, daß Mord und Schlachten die Geſchicke der<lb/>
Menſchheit reguliren. Bonaparte ſchlug das Buch<lb/>
zu und wandte ſich ſchnell ab, um ſeine eigene Be¬<lb/>
wegung zu verbergen. Und dieſen Mann gefallen ſich<lb/>
unſere Fanatiker einen Blutmenſchen zu nennen! Wer<lb/>
gebietet der Parteienwuth! Das warf auch Bonaparte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[87/0101]
unangenehm wäre. Wir wurden unterbrochen. Meine
Feder und mein Wille ſtehen zu Ihrer Dispoſition.“
Bovillard ſetzte ſich halb auf den Tiſch, indem
er vertraulich den Arm auf die Schulter des Rathes
legte; die Runzeln ſeines Geſichtes verzogen ſich in
ein wohlgefälliges Lächeln:
„Mich hat ſeit lange kein Brief ſo erquickt!“
„Lombard muß wichtiges berichtet haben, be¬
merkte der Beamte. Nach den Aeußerungen des
Herrn Geheimeraths geſtern zu mehreren Geſchäfts¬
männern herrſcht unter den Kaufleuten eine ſehr
frohe Stimmung.“
„Dürfte ich Ihnen den Brief zeigen! Bonaparte
hat ihn empfangen nicht wie einen Abgeſandten, ſondern
wie einen alten lieben Bekannten, den er endlich von
Angeſicht zu Angeſicht ſieht. Er ſaß auf dem Sopha
und las. Was denken Sie? Den Oſſian. Nachdem
er Lombard die Hand gereicht, recitirte er ihm eine
Stelle voll der tiefſten Empfindung für Menſchenwohl.
Er fragte ihn, ob er Oſſians Gefühle theile? Lombard
war nicht ganz vertraut, da las er ihm ſelbſt die
Scene vor, wo Malvine im Mondenſchein über das
Schlachtfeld eilt, und ſüße Betrachtungen ausgießt
darüber, daß Mord und Schlachten die Geſchicke der
Menſchheit reguliren. Bonaparte ſchlug das Buch
zu und wandte ſich ſchnell ab, um ſeine eigene Be¬
wegung zu verbergen. Und dieſen Mann gefallen ſich
unſere Fanatiker einen Blutmenſchen zu nennen! Wer
gebietet der Parteienwuth! Das warf auch Bonaparte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/101>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.