Vaters Tochter zu heißen." -- Der Capitain erwiederte in gleichem Tone: "Das nehm' ich allein auf mich. Jhr Vater ist mein Vater."
Hier könnte ich aufhören: meine Geschichte ist zu Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was darauf folgte, anders als durch Hörensagen. Wir trenn- ten uns am Ufer der Maas, und ich sah Adelaiden und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergesse ich die- sen Anblick, nie die letzte Scene zwischen uns, in welcher ich in den Augen mancher Leser keine glänzende Rolle gespielt habe. Aber gern verschwinde ich aus dieser Er- zählung, wo es mein letzter Zweck gewesen, mich als Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzustellen, wenn nicht eben der Romanheld die allerbescheidenste Aufgabe hätte, nichts zu seyn als der äußere Faden für die Begebenheiten.
Die Sonne brach hervor durch einen zerrissenen Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten sich tiefer und tiefer; endlich schien der Morgenstrahl auf das Paar. Jch sah sie schweigend stehn, getrennt von dem Leichnam; über ihm reichten sie sich die Hände. Es war ein stiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines christlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum, die sich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre Hände in einander. Bewundern konnte man die Ruhe,
Vaters Tochter zu heißen.“ — Der Capitain erwiederte in gleichem Tone: „Das nehm’ ich allein auf mich. Jhr Vater iſt mein Vater.“
Hier könnte ich aufhören: meine Geſchichte iſt zu Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was darauf folgte, anders als durch Hörenſagen. Wir trenn- ten uns am Ufer der Maas, und ich ſah Adelaiden und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergeſſe ich die- ſen Anblick, nie die letzte Scene zwiſchen uns, in welcher ich in den Augen mancher Leſer keine glänzende Rolle geſpielt habe. Aber gern verſchwinde ich aus dieſer Er- zählung, wo es mein letzter Zweck geweſen, mich als Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzuſtellen, wenn nicht eben der Romanheld die allerbeſcheidenſte Aufgabe hätte, nichts zu ſeyn als der äußere Faden für die Begebenheiten.
Die Sonne brach hervor durch einen zerriſſenen Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten ſich tiefer und tiefer; endlich ſchien der Morgenſtrahl auf das Paar. Jch ſah ſie ſchweigend ſtehn, getrennt von dem Leichnam; über ihm reichten ſie ſich die Hände. Es war ein ſtiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines chriſtlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum, die ſich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre Hände in einander. Bewundern konnte man die Ruhe,
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0099"/>
Vaters Tochter zu heißen.“— Der Capitain erwiederte<lb/>
in gleichem Tone: „Das nehm’ ich allein auf mich.<lb/><hirendition="#g">Jhr</hi> Vater iſt <hirendition="#g">mein</hi> Vater.“</p><lb/><p>Hier könnte ich aufhören: meine Geſchichte iſt zu<lb/>
Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht<lb/>
von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was<lb/>
darauf folgte, anders als durch Hörenſagen. Wir trenn-<lb/>
ten uns am Ufer der Maas, und ich ſah Adelaiden<lb/>
und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergeſſe ich die-<lb/>ſen Anblick, nie die letzte Scene zwiſchen uns, in welcher<lb/>
ich in den Augen mancher Leſer keine glänzende Rolle<lb/>
geſpielt habe. Aber gern verſchwinde ich aus dieſer Er-<lb/>
zählung, wo es mein letzter Zweck geweſen, mich als<lb/>
Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzuſtellen, wenn<lb/>
nicht eben der Romanheld die allerbeſcheidenſte Aufgabe<lb/>
hätte, nichts zu ſeyn als der äußere Faden für die<lb/>
Begebenheiten.</p><lb/><p>Die Sonne brach hervor durch einen zerriſſenen<lb/>
Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten ſich tiefer<lb/>
und tiefer; endlich ſchien der Morgenſtrahl auf das<lb/>
Paar. Jch ſah ſie ſchweigend ſtehn, getrennt von dem<lb/>
Leichnam; über ihm reichten ſie ſich die Hände. Es<lb/>
war ein ſtiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines<lb/>
chriſtlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum,<lb/>
die ſich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre<lb/>
Hände in einander. Bewundern konnte man die Ruhe,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[0099]
Vaters Tochter zu heißen.“ — Der Capitain erwiederte
in gleichem Tone: „Das nehm’ ich allein auf mich.
Jhr Vater iſt mein Vater.“
Hier könnte ich aufhören: meine Geſchichte iſt zu
Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht
von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was
darauf folgte, anders als durch Hörenſagen. Wir trenn-
ten uns am Ufer der Maas, und ich ſah Adelaiden
und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergeſſe ich die-
ſen Anblick, nie die letzte Scene zwiſchen uns, in welcher
ich in den Augen mancher Leſer keine glänzende Rolle
geſpielt habe. Aber gern verſchwinde ich aus dieſer Er-
zählung, wo es mein letzter Zweck geweſen, mich als
Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzuſtellen, wenn
nicht eben der Romanheld die allerbeſcheidenſte Aufgabe
hätte, nichts zu ſeyn als der äußere Faden für die
Begebenheiten.
Die Sonne brach hervor durch einen zerriſſenen
Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten ſich tiefer
und tiefer; endlich ſchien der Morgenſtrahl auf das
Paar. Jch ſah ſie ſchweigend ſtehn, getrennt von dem
Leichnam; über ihm reichten ſie ſich die Hände. Es
war ein ſtiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines
chriſtlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum,
die ſich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre
Hände in einander. Bewundern konnte man die Ruhe,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-07-16T12:57:05Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-07-16T12:57:05Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: nicht übernommen;
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: gekennzeichnet;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: dokumentiert;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: DTABf-getreu;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/99>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.