Delabelle! Ob's wol noch ein Leben giebt, außer die- sem hier?"
"Was Grillen in der schweren Stunde? Er- zähle, erzähle."
"Höre, Bruder! hören Sie, Fräulein. -- Verdam- men hier kann mich Niemand mehr, Niemand. Und ob es drüben etwas giebt, ein Kriegsgericht, darüber sagst Du mir nachher Deine aufrichtige Meinung, Ca- merad. -- Hu, es war eine wilde Zeit, Blut wie ro- ther Wein. Jch wünschte, ich wäre nicht dabei gewe- sen. Fräulein! Sollten wir uns irgendwo wiederfin- den, -- können Sie mir vergeben? -- Jch habe ihn nur vor dem Tribunal angeklagt -- aber ermordet habe ich ihn gewiß nicht -- so wahr es eine Sonne giebt. -- Das hat Jblou ganz allein gethan. -- Wie ein Mann bin ich Jhrem Vater in die Vendee gefolgt, ich habe ihn wie einen Rebellen wollen erschießen las- sen -- das konnt' ich auch, das durft' ich auch -- aber ich habe es nicht gethan. Jch sagte zu ihm: ""Flie- hen Sie zu Jhrem Bruder, der wird Sie nach Deutsch- land schaffen."" -- Warum that er es? Dafür kann ich ja nicht. Warum floh er zu seinem Bruder? hatte ich die Pflicht, ihn den Bruder kennen zu lehren? -- Jblou bot mir die Hälfte aller Güter, wenn ich seinen ältern Bruder um's Leben brächte, aber ich sagte zu ihm: ""ich thue es nicht um alle Güter der Welt."" --
Delabelle! Ob’s wol noch ein Leben giebt, außer die- ſem hier?“
„Was Grillen in der ſchweren Stunde? Er- zähle, erzähle.“
„Höre, Bruder! hören Sie, Fräulein. — Verdam- men hier kann mich Niemand mehr, Niemand. Und ob es drüben etwas giebt, ein Kriegsgericht, darüber ſagſt Du mir nachher Deine aufrichtige Meinung, Ca- merad. — Hu, es war eine wilde Zeit, Blut wie ro- ther Wein. Jch wünſchte, ich wäre nicht dabei gewe- ſen. Fräulein! Sollten wir uns irgendwo wiederfin- den, — können Sie mir vergeben? — Jch habe ihn nur vor dem Tribunal angeklagt — aber ermordet habe ich ihn gewiß nicht — ſo wahr es eine Sonne giebt. — Das hat Jblou ganz allein gethan. — Wie ein Mann bin ich Jhrem Vater in die Vendēe gefolgt, ich habe ihn wie einen Rebellen wollen erſchießen laſ- ſen — das konnt’ ich auch, das durft’ ich auch — aber ich habe es nicht gethan. Jch ſagte zu ihm: „„Flie- hen Sie zu Jhrem Bruder, der wird Sie nach Deutſch- land ſchaffen.““ — Warum that er es? Dafür kann ich ja nicht. Warum floh er zu ſeinem Bruder? hatte ich die Pflicht, ihn den Bruder kennen zu lehren? — Jblou bot mir die Hälfte aller Güter, wenn ich ſeinen ältern Bruder um’s Leben brächte, aber ich ſagte zu ihm: „„ich thue es nicht um alle Güter der Welt.““ —
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[0097]
Delabelle! Ob’s wol noch ein Leben giebt, außer die-
ſem hier?“
„Was Grillen in der ſchweren Stunde? Er-
zähle, erzähle.“
„Höre, Bruder! hören Sie, Fräulein. — Verdam-
men hier kann mich Niemand mehr, Niemand. Und
ob es drüben etwas giebt, ein Kriegsgericht, darüber
ſagſt Du mir nachher Deine aufrichtige Meinung, Ca-
merad. — Hu, es war eine wilde Zeit, Blut wie ro-
ther Wein. Jch wünſchte, ich wäre nicht dabei gewe-
ſen. Fräulein! Sollten wir uns irgendwo wiederfin-
den, — können Sie mir vergeben? — Jch habe ihn
nur vor dem Tribunal angeklagt — aber ermordet
habe ich ihn gewiß nicht — ſo wahr es eine Sonne
giebt. — Das hat Jblou ganz allein gethan. — Wie
ein Mann bin ich Jhrem Vater in die Vendēe gefolgt,
ich habe ihn wie einen Rebellen wollen erſchießen laſ-
ſen — das konnt’ ich auch, das durft’ ich auch — aber
ich habe es nicht gethan. Jch ſagte zu ihm: „„Flie-
hen Sie zu Jhrem Bruder, der wird Sie nach Deutſch-
land ſchaffen.““ — Warum that er es? Dafür kann
ich ja nicht. Warum floh er zu ſeinem Bruder? hatte
ich die Pflicht, ihn den Bruder kennen zu lehren? —
Jblou bot mir die Hälfte aller Güter, wenn ich ſeinen
ältern Bruder um’s Leben brächte, aber ich ſagte zu ihm:
„„ich thue es nicht um alle Güter der Welt.““ —
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/97>, abgerufen am 07.07.2024.
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