nur hin, wo es vergraben liegt." -- Jch wollte schla- fen, aber wer erzwingt den Schlaf, wenn die Phan- tasiebilder, denen er entfliehen will, mit ihm auf den Kissen sich schaukeln. Was kaum noch im Wachen un- bestimmt verschwamm, tritt zusammen, scharfe Linien trennen die Gestalten, helle Farben glänzen blendend vor dem zugedrückten Auge. Was der Gedanke kaum noch sich wagte zu gestehen, der Traum schreibt es mit Flammenschrift auf eine schwarze Tafel und kein Errö- then hilft. Jch las in dieser Flammenschrift: "Dies war das Schloß, dessen Erinnerung *** bis zum Tode quälte. Hier schläft ein altes Verbrechen, sie rütteln daran, es gähnt und erwachend streckt es die Arme aus nach neuem Raube." Nun nahte sich auch mein voriger Wirthssohn, Capitain Delabelle spielte mit in diesem Drama. Er zog an der Hand eine weibliche Gestalt, die aber noch im ungewissen Nebel hinter ihm verschwamm. Er öffnete den Mund -- als eine starke Berührung meiner Schulter alle Traumbilder verscheuchte.
Und doch blieb das eine davon; neben dem Bette stand Mathieu Delabelle, welcher mit verschränkten Ar- men mein Erwachen aus dem Schlaftaumel zu erwar- ten schien. -- "Wir sind grade keine gute Freunde, mein junger Soldat, begann er, und für mich ist es eben nicht die angenehmste Aufgabe, den Feind meines Vaterlandes um eine Gefälligkeit zu bitten. Jndessen es muß seyn, schnell seyn, und besinnen gilt nicht!"
nur hin, wo es vergraben liegt.“ — Jch wollte ſchla- fen, aber wer erzwingt den Schlaf, wenn die Phan- taſiebilder, denen er entfliehen will, mit ihm auf den Kiſſen ſich ſchaukeln. Was kaum noch im Wachen un- beſtimmt verſchwamm, tritt zuſammen, ſcharfe Linien trennen die Geſtalten, helle Farben glänzen blendend vor dem zugedrückten Auge. Was der Gedanke kaum noch ſich wagte zu geſtehen, der Traum ſchreibt es mit Flammenſchrift auf eine ſchwarze Tafel und kein Errö- then hilft. Jch las in dieſer Flammenſchrift: „Dies war das Schloß, deſſen Erinnerung *** bis zum Tode quälte. Hier ſchläft ein altes Verbrechen, ſie rütteln daran, es gähnt und erwachend ſtreckt es die Arme aus nach neuem Raube.“ Nun nahte ſich auch mein voriger Wirthsſohn, Capitain Delabelle ſpielte mit in dieſem Drama. Er zog an der Hand eine weibliche Geſtalt, die aber noch im ungewiſſen Nebel hinter ihm verſchwamm. Er öffnete den Mund — als eine ſtarke Berührung meiner Schulter alle Traumbilder verſcheuchte.
Und doch blieb das eine davon; neben dem Bette ſtand Mathieu Delabelle, welcher mit verſchränkten Ar- men mein Erwachen aus dem Schlaftaumel zu erwar- ten ſchien. — „Wir ſind grade keine gute Freunde, mein junger Soldat, begann er, und für mich iſt es eben nicht die angenehmſte Aufgabe, den Feind meines Vaterlandes um eine Gefälligkeit zu bitten. Jndeſſen es muß ſeyn, ſchnell ſeyn, und beſinnen gilt nicht!“
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[0089]
nur hin, wo es vergraben liegt.“ — Jch wollte ſchla-
fen, aber wer erzwingt den Schlaf, wenn die Phan-
taſiebilder, denen er entfliehen will, mit ihm auf den
Kiſſen ſich ſchaukeln. Was kaum noch im Wachen un-
beſtimmt verſchwamm, tritt zuſammen, ſcharfe Linien
trennen die Geſtalten, helle Farben glänzen blendend
vor dem zugedrückten Auge. Was der Gedanke kaum
noch ſich wagte zu geſtehen, der Traum ſchreibt es mit
Flammenſchrift auf eine ſchwarze Tafel und kein Errö-
then hilft. Jch las in dieſer Flammenſchrift: „Dies
war das Schloß, deſſen Erinnerung *** bis zum Tode
quälte. Hier ſchläft ein altes Verbrechen, ſie rütteln
daran, es gähnt und erwachend ſtreckt es die Arme
aus nach neuem Raube.“ Nun nahte ſich auch mein
voriger Wirthsſohn, Capitain Delabelle ſpielte mit in
dieſem Drama. Er zog an der Hand eine weibliche
Geſtalt, die aber noch im ungewiſſen Nebel hinter ihm
verſchwamm. Er öffnete den Mund — als eine ſtarke
Berührung meiner Schulter alle Traumbilder verſcheuchte.
Und doch blieb das eine davon; neben dem Bette
ſtand Mathieu Delabelle, welcher mit verſchränkten Ar-
men mein Erwachen aus dem Schlaftaumel zu erwar-
ten ſchien. — „Wir ſind grade keine gute Freunde,
mein junger Soldat, begann er, und für mich iſt es
eben nicht die angenehmſte Aufgabe, den Feind meines
Vaterlandes um eine Gefälligkeit zu bitten. Jndeſſen
es muß ſeyn, ſchnell ſeyn, und beſinnen gilt nicht!“
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/89>, abgerufen am 30.07.2024.
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