Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.gekommen, daß der Reiz sie abgeführt. Die Runzeln "Sie hassen Napoleon. Aber es wird eine Zeit Jch lud zwar nicht die Büchse, auch untersuchte gekommen, daß der Reiz ſie abgeführt. Die Runzeln „Sie haſſen Napoleon. Aber es wird eine Zeit Jch lud zwar nicht die Büchſe, auch unterſuchte <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0087"/> gekommen, daß der Reiz ſie abgeführt. Die Runzeln<lb/> verzogen ſich, die ſchwarzen Brauen wölbten ſich heiter<lb/> über den lebendigen Augen, im Augenblick lächelten wie-<lb/> der ihre Lippen, und im nächſten hielt ſie mit beiden<lb/> Händen meine rechte gefaßt:</p><lb/> <p>„Sie haſſen Napoleon. Aber es wird eine Zeit<lb/> kommen, wo er ein großer Mann auch bei Jhnen hei-<lb/> ßen wird. Seyn Sie darum nicht ſo zornig auf die<lb/> ſtarren, wilden Männer, die ihn ſchon heut zum Jdol<lb/> erhoben. Sie vergöttern in ihm das gekrönte Ver-<lb/> dienſt, und wer, der jung iſt und Kraft im Arme<lb/> fühlt, wollte denn nicht, daß die Tugend belohnt werde,<lb/> wenn ſie auch keine Ahnen hat! — Es könnte ſeyn —<lb/> es wird vielleicht — ſetzte ſie zögernd mit leichtem Er-<lb/> röthen hinzu — daß Jemand, den Sie kennen, heut<lb/> Jhren Beiſtand erbittet. Glauben Sie ihm, was er<lb/> ſpricht, und hat meine Bitte einiges Gewicht, ſo den-<lb/> ken Sie, daß ich mit ihm bitte. Leben Sie wohl, es<lb/> darf uns Niemand länger beiſammen ſehen.“ — Da<lb/> mit entſchwand ſie.</p><lb/> <p>Jch lud zwar nicht die Büchſe, auch unterſuchte<lb/> ich nicht beim Zubettegehn mein Schlafgemach, doch<lb/> aber war es weit unheimlicher in dieſem Schloſſe ge-<lb/> worden, als je in der engen Bauernhütte. Alle Thü-<lb/> ren wurden mit dem Einbruch der Dämmerung ver-<lb/> ſchloſſen, und die Brücke über den Schloßgraben auf-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
gekommen, daß der Reiz ſie abgeführt. Die Runzeln
verzogen ſich, die ſchwarzen Brauen wölbten ſich heiter
über den lebendigen Augen, im Augenblick lächelten wie-
der ihre Lippen, und im nächſten hielt ſie mit beiden
Händen meine rechte gefaßt:
„Sie haſſen Napoleon. Aber es wird eine Zeit
kommen, wo er ein großer Mann auch bei Jhnen hei-
ßen wird. Seyn Sie darum nicht ſo zornig auf die
ſtarren, wilden Männer, die ihn ſchon heut zum Jdol
erhoben. Sie vergöttern in ihm das gekrönte Ver-
dienſt, und wer, der jung iſt und Kraft im Arme
fühlt, wollte denn nicht, daß die Tugend belohnt werde,
wenn ſie auch keine Ahnen hat! — Es könnte ſeyn —
es wird vielleicht — ſetzte ſie zögernd mit leichtem Er-
röthen hinzu — daß Jemand, den Sie kennen, heut
Jhren Beiſtand erbittet. Glauben Sie ihm, was er
ſpricht, und hat meine Bitte einiges Gewicht, ſo den-
ken Sie, daß ich mit ihm bitte. Leben Sie wohl, es
darf uns Niemand länger beiſammen ſehen.“ — Da
mit entſchwand ſie.
Jch lud zwar nicht die Büchſe, auch unterſuchte
ich nicht beim Zubettegehn mein Schlafgemach, doch
aber war es weit unheimlicher in dieſem Schloſſe ge-
worden, als je in der engen Bauernhütte. Alle Thü-
ren wurden mit dem Einbruch der Dämmerung ver-
ſchloſſen, und die Brücke über den Schloßgraben auf-
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Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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