fort, um nicht bespritzt zu werden. Da hatten wir viel zu thun."
Das Gespräch brach hier ab, indem der Cure zum gnädigen Herrn gerufen wurde, um ihn zu rasiren, ein Geschäft, zu welchem die französischen Geistlichen, um nicht Hungers zu sterben, sich in den letztern Zeiten zuweilen bequemen mußten. Er ging und überließ mich meinen Betrachtungen. Die Erinnerung sammelte sich langsam. Jch kämpfte mit den errungenen Kräften mich zu überzeugen, daß Alles ein Traum gewesen. Die Anstrengung hätte leicht das Fieber wieder zurück- gerufen. Mein leitender Vorsatz blieb, so bald ich dies möglich machen könne, das Schloß zu verlassen.
Das physische Bedürfniß des ermatteten Körpers siegte endlich über das wirre Getriebe der Gedanken. Jch wankte zum Mittagstische, der diesmal sehr ver- lassen erschien, indem, außer den meist stummen Haus- genossen, nur Adelaide Platz daran nahm. Vergeblich las ich in den Blicken des Maire, ob nicht einer zum Verräther würde. Der bleiche Mann von der Fon- taine war verschwunden. Er war ein sehr höflicher Wirth; seine Augen suchten die Erde, und seine Stimme klang ungemein wohlgefällig. Dagegen konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken über mein bleiches Aussehn. Er äußerte, die Begeisterung möge wol recht schön und stark seyn, nur müsse ein rauhes Lüftchen, oder ein
fort, um nicht beſpritzt zu werden. Da hatten wir viel zu thun.“
Das Geſpräch brach hier ab, indem der Curē zum gnädigen Herrn gerufen wurde, um ihn zu raſiren, ein Geſchäft, zu welchem die franzöſiſchen Geiſtlichen, um nicht Hungers zu ſterben, ſich in den letztern Zeiten zuweilen bequemen mußten. Er ging und überließ mich meinen Betrachtungen. Die Erinnerung ſammelte ſich langſam. Jch kämpfte mit den errungenen Kräften mich zu überzeugen, daß Alles ein Traum geweſen. Die Anſtrengung hätte leicht das Fieber wieder zurück- gerufen. Mein leitender Vorſatz blieb, ſo bald ich dies möglich machen könne, das Schloß zu verlaſſen.
Das phyſiſche Bedürfniß des ermatteten Körpers ſiegte endlich über das wirre Getriebe der Gedanken. Jch wankte zum Mittagstiſche, der diesmal ſehr ver- laſſen erſchien, indem, außer den meiſt ſtummen Haus- genoſſen, nur Adelaide Platz daran nahm. Vergeblich las ich in den Blicken des Maire, ob nicht einer zum Verräther würde. Der bleiche Mann von der Fon- taine war verſchwunden. Er war ein ſehr höflicher Wirth; ſeine Augen ſuchten die Erde, und ſeine Stimme klang ungemein wohlgefällig. Dagegen konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken über mein bleiches Ausſehn. Er äußerte, die Begeiſterung möge wol recht ſchön und ſtark ſeyn, nur müſſe ein rauhes Lüftchen, oder ein
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0083"/>
fort, um nicht beſpritzt zu werden. Da hatten wir<lb/>
viel zu thun.“</p><lb/><p>Das Geſpräch brach hier ab, indem der Curē zum<lb/>
gnädigen Herrn gerufen wurde, um ihn zu raſiren, ein<lb/>
Geſchäft, zu welchem die franzöſiſchen Geiſtlichen, um<lb/>
nicht Hungers zu ſterben, ſich in den letztern Zeiten<lb/>
zuweilen bequemen mußten. Er ging und überließ mich<lb/>
meinen Betrachtungen. Die Erinnerung ſammelte ſich<lb/>
langſam. Jch kämpfte mit den errungenen Kräften<lb/>
mich zu überzeugen, daß Alles ein Traum geweſen.<lb/>
Die Anſtrengung hätte leicht das Fieber wieder zurück-<lb/>
gerufen. Mein leitender Vorſatz blieb, ſo bald ich dies<lb/>
möglich machen könne, das Schloß zu verlaſſen.</p><lb/><p>Das phyſiſche Bedürfniß des ermatteten Körpers<lb/>ſiegte endlich über das wirre Getriebe der Gedanken.<lb/>
Jch wankte zum Mittagstiſche, der diesmal ſehr ver-<lb/>
laſſen erſchien, indem, außer den meiſt ſtummen Haus-<lb/>
genoſſen, nur Adelaide Platz daran nahm. Vergeblich<lb/>
las ich in den Blicken des Maire, ob nicht einer zum<lb/>
Verräther würde. Der bleiche Mann von der Fon-<lb/>
taine war verſchwunden. Er war ein ſehr höflicher<lb/>
Wirth; ſeine Augen ſuchten die Erde, <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice>ſeine Stimme<lb/>
klang ungemein wohlgefällig. Dagegen konnte er ein<lb/>
Lächeln nicht unterdrücken über mein bleiches Ausſehn.<lb/>
Er äußerte, die Begeiſterung möge wol recht ſchön und<lb/>ſtark ſeyn, nur müſſe ein rauhes Lüftchen, oder ein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[0083]
fort, um nicht beſpritzt zu werden. Da hatten wir
viel zu thun.“
Das Geſpräch brach hier ab, indem der Curē zum
gnädigen Herrn gerufen wurde, um ihn zu raſiren, ein
Geſchäft, zu welchem die franzöſiſchen Geiſtlichen, um
nicht Hungers zu ſterben, ſich in den letztern Zeiten
zuweilen bequemen mußten. Er ging und überließ mich
meinen Betrachtungen. Die Erinnerung ſammelte ſich
langſam. Jch kämpfte mit den errungenen Kräften
mich zu überzeugen, daß Alles ein Traum geweſen.
Die Anſtrengung hätte leicht das Fieber wieder zurück-
gerufen. Mein leitender Vorſatz blieb, ſo bald ich dies
möglich machen könne, das Schloß zu verlaſſen.
Das phyſiſche Bedürfniß des ermatteten Körpers
ſiegte endlich über das wirre Getriebe der Gedanken.
Jch wankte zum Mittagstiſche, der diesmal ſehr ver-
laſſen erſchien, indem, außer den meiſt ſtummen Haus-
genoſſen, nur Adelaide Platz daran nahm. Vergeblich
las ich in den Blicken des Maire, ob nicht einer zum
Verräther würde. Der bleiche Mann von der Fon-
taine war verſchwunden. Er war ein ſehr höflicher
Wirth; ſeine Augen ſuchten die Erde, und ſeine Stimme
klang ungemein wohlgefällig. Dagegen konnte er ein
Lächeln nicht unterdrücken über mein bleiches Ausſehn.
Er äußerte, die Begeiſterung möge wol recht ſchön und
ſtark ſeyn, nur müſſe ein rauhes Lüftchen, oder ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-07-16T12:57:05Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-07-16T12:57:05Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: nicht übernommen;
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: gekennzeichnet;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: dokumentiert;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: DTABf-getreu;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/83>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.