Alles herauskommt, Stück für Stück, wie die Einge- weide eines Ungeheuers. Kein Zoll wird geschenkt. Die Jacobiner werden jubeln, und denkst Du, daß Dir die Jesuiten den Weg mit Rosen bestreuen, wenn man Dich zur Guillotine schleift? -- Sieh' mal, wie die gute, alte Sache, wie die ganze Legitimität durch den Prozeß beschimpft wird, alles um lumpige vierzig tausend Franken. -- Jblou, Du kennst mich, ich schenke Dir keinen Centimen, und wenn sie mich neben Dir lebendig schinden, wie den armen Tropf, der nicht tief genug stieß auf Ludwig XV. Das war sein einziger Fehler."
Der Maire schwieg. Die Hände auf dem Rücken, ging er einige Secunden umher. Wenn der Mond ihm in's Gesicht schien, glaubte ich ein Lächeln wie die Zufriedenheit der Hölle auf den Lippen zu lesen. Dann hielt er inne und faßte Barbaroux's Hand. "Sey's denn! zum letztenmale. Aber drei Tage Zeit. Jch schaffe meine Nichte in's Kloster. Du weißt, das ko- stet Geld -- viel Geld, wenn -- Du kennst die Um- stände und weißt, daß ich es muß, wenn ich Dich be- zahlen soll. Störe mich nicht. Aber binnen drei Ta- gen schaffe ich das Geld; bringe Du mir bis dahin die Papiere -- aber dann auf immer aus Europa."
"Recht gern."
"Doch welche Sicherheit giebst Du mir?"
Alles herauskommt, Stück für Stück, wie die Einge- weide eines Ungeheuers. Kein Zoll wird geſchenkt. Die Jacobiner werden jubeln, und denkſt Du, daß Dir die Jeſuiten den Weg mit Roſen beſtreuen, wenn man Dich zur Guillotine ſchleift? — Sieh’ mal, wie die gute, alte Sache, wie die ganze Legitimität durch den Prozeß beſchimpft wird, alles um lumpige vierzig tauſend Franken. — Jblou, Du kennſt mich, ich ſchenke Dir keinen Centimen, und wenn ſie mich neben Dir lebendig ſchinden, wie den armen Tropf, der nicht tief genug ſtieß auf Ludwig XV. Das war ſein einziger Fehler.“
Der Maire ſchwieg. Die Hände auf dem Rücken, ging er einige Secunden umher. Wenn der Mond ihm in’s Geſicht ſchien, glaubte ich ein Lächeln wie die Zufriedenheit der Hölle auf den Lippen zu leſen. Dann hielt er inne und faßte Barbaroux’s Hand. „Sey’s denn! zum letztenmale. Aber drei Tage Zeit. Jch ſchaffe meine Nichte in’s Kloſter. Du weißt, das ko- ſtet Geld — viel Geld, wenn — Du kennſt die Um- ſtände und weißt, daß ich es muß, wenn ich Dich be- zahlen ſoll. Störe mich nicht. Aber binnen drei Ta- gen ſchaffe ich das Geld; bringe Du mir bis dahin die Papiere — aber dann auf immer aus Europa.“
„Recht gern.“
„Doch welche Sicherheit giebſt Du mir?“
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Alles herauskommt, Stück für Stück, wie die Einge-
weide eines Ungeheuers. Kein Zoll wird geſchenkt.
Die Jacobiner werden jubeln, und denkſt Du, daß
Dir die Jeſuiten den Weg mit Roſen beſtreuen, wenn
man Dich zur Guillotine ſchleift? — Sieh’ mal, wie
die gute, alte Sache, wie die ganze Legitimität durch
den Prozeß beſchimpft wird, alles um lumpige vierzig
tauſend Franken. — Jblou, Du kennſt mich, ich ſchenke
Dir keinen Centimen, und wenn ſie mich neben Dir
lebendig ſchinden, wie den armen Tropf, der nicht tief
genug ſtieß auf Ludwig XV. Das war ſein einziger
Fehler.“
Der Maire ſchwieg. Die Hände auf dem Rücken,
ging er einige Secunden umher. Wenn der Mond
ihm in’s Geſicht ſchien, glaubte ich ein Lächeln wie die
Zufriedenheit der Hölle auf den Lippen zu leſen. Dann
hielt er inne und faßte Barbaroux’s Hand. „Sey’s
denn! zum letztenmale. Aber drei Tage Zeit. Jch
ſchaffe meine Nichte in’s Kloſter. Du weißt, das ko-
ſtet Geld — viel Geld, wenn — Du kennſt die Um-
ſtände und weißt, daß ich es muß, wenn ich Dich be-
zahlen ſoll. Störe mich nicht. Aber binnen drei Ta-
gen ſchaffe ich das Geld; bringe Du mir bis dahin die
Papiere — aber dann auf immer aus Europa.“
„Recht gern.“
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/80>, abgerufen am 27.07.2024.
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