Ein Sturmwind ist vorüber gebraust. Wir sahen die Kronen des Eichenwalds und die Halme des Grases in Aufruhr. Kein öder Bergstrich, keine stille Schlucht in Europa, wo nicht zerknickte Stauden, und entwurzelte Stämme mit gebrochenen Kronen an seine Wuth mah- nen. Und schon verlischt die Erinnerung, schon über- sieht der leichte Sinn die Größe der nächsten Vergan- genheit. -- So ungefähr begann ich vor sieben Jah- ren, als ich die eigenen jetzt vierzehnjährigen Erinne- rungen an den letzten Nachhauch jenes Orkans sammelte. Der Sturm der Begeisterung war damals vorüber und neue Stürme begannen. Aber noch waren jene Ein- drücke nicht so verlöscht, daß die weltbürgerliche Reflexion über den Patriotismus gesiegt hätte. Noch galt dem jugendlichen Sinne Napoleon als der Tyrann, den man nur hassen dürfe; und seine starre Größe bewundern, wäre ein Verbrechen gewesen.
Jch war noch halb ein Kind als der Held der hun- dert Tage in Preußen dieselbe feindliche Begeisterung
Ein Sturmwind iſt vorüber gebrauſt. Wir ſahen die Kronen des Eichenwalds und die Halme des Graſes in Aufruhr. Kein öder Bergſtrich, keine ſtille Schlucht in Europa, wo nicht zerknickte Stauden, und entwurzelte Stämme mit gebrochenen Kronen an ſeine Wuth mah- nen. Und ſchon verliſcht die Erinnerung, ſchon über- ſieht der leichte Sinn die Größe der nächſten Vergan- genheit. — So ungefähr begann ich vor ſieben Jah- ren, als ich die eigenen jetzt vierzehnjährigen Erinne- rungen an den letzten Nachhauch jenes Orkans ſammelte. Der Sturm der Begeiſterung war damals vorüber und neue Stürme begannen. Aber noch waren jene Ein- drücke nicht ſo verlöſcht, daß die weltbürgerliche Reflexion über den Patriotismus geſiegt hätte. Noch galt dem jugendlichen Sinne Napoleon als der Tyrann, den man nur haſſen dürfe; und ſeine ſtarre Größe bewundern, wäre ein Verbrechen geweſen.
Jch war noch halb ein Kind als der Held der hun- dert Tage in Preußen dieſelbe feindliche Begeiſterung
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Ein Sturmwind iſt vorüber gebrauſt. Wir ſahen die
Kronen des Eichenwalds und die Halme des Graſes in
Aufruhr. Kein öder Bergſtrich, keine ſtille Schlucht in
Europa, wo nicht zerknickte Stauden, und entwurzelte
Stämme mit gebrochenen Kronen an ſeine Wuth mah-
nen. Und ſchon verliſcht die Erinnerung, ſchon über-
ſieht der leichte Sinn die Größe der nächſten Vergan-
genheit. — So ungefähr begann ich vor ſieben Jah-
ren, als ich die eigenen jetzt vierzehnjährigen Erinne-
rungen an den letzten Nachhauch jenes Orkans ſammelte.
Der Sturm der Begeiſterung war damals vorüber und
neue Stürme begannen. Aber noch waren jene Ein-
drücke nicht ſo verlöſcht, daß die weltbürgerliche Reflexion
über den Patriotismus geſiegt hätte. Noch galt dem
jugendlichen Sinne Napoleon als der Tyrann, den man
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/5>, abgerufen am 07.07.2024.
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