Kriegsgerichtes wurde der Jäger in eine entfernte Fe- stung zu langwierigem Arrest abgeliefert. Jch habe Storchmeier seitdem nicht mehr gesehen, glaube aber, daß ein Gerücht nicht ungegründet ist, demzufolge er bei'm Versuch zu entspringen, oder einem noch gefähr- lichern Attentate das Leben verloren hat. Er war ein Mensch, der auf der Gränze zwischen Leichtsinn und Schlechtigkeit stand. Bei mehr Bildung hätte er ge- fährlich werden können. Aus manchen Umständen ging hervor, daß man ihn gern schonen wollen, weil man ihn vielleicht selbst bei früheren Gelegenheiten gebraucht. Diesmal lag seinen Schlichen wol kein Verrath zum Grunde, indem, wozu er sich brauchen ließ, moralisch grade nicht als strafbare Dienstleistung erscheint. Er erntete nur den Lohn für einen ganzen verkehrten Le- benswandel.
Mein Posten war diesen Abend derselbe, auf wel- chem ich vor einigen Wochen zum ersten Mal den ge- heimnißvollen Franzosen gesehen. Aber diesmal schien er mir weit anders als in jener Nacht. Am heiter- sten Herbsttage ging eben die Sonne unter, und pur- purn lagen zu meiner Rechten jenseits der Maas die reichen Felder; die von den Spaniern kühn auf nack- ten Felsen gebauten Mauern von Charlemont glühten in derselben Farbe, und die Thurmspitzen der Stadt schimmerten golden aus dem zart gefärbten Herbstnebel
Kriegsgerichtes wurde der Jäger in eine entfernte Fe- ſtung zu langwierigem Arreſt abgeliefert. Jch habe Storchmeier ſeitdem nicht mehr geſehen, glaube aber, daß ein Gerücht nicht ungegründet iſt, demzufolge er bei’m Verſuch zu entſpringen, oder einem noch gefähr- lichern Attentate das Leben verloren hat. Er war ein Menſch, der auf der Gränze zwiſchen Leichtſinn und Schlechtigkeit ſtand. Bei mehr Bildung hätte er ge- fährlich werden können. Aus manchen Umſtänden ging hervor, daß man ihn gern ſchonen wollen, weil man ihn vielleicht ſelbſt bei früheren Gelegenheiten gebraucht. Diesmal lag ſeinen Schlichen wol kein Verrath zum Grunde, indem, wozu er ſich brauchen ließ, moraliſch grade nicht als ſtrafbare Dienſtleiſtung erſcheint. Er erntete nur den Lohn für einen ganzen verkehrten Le- benswandel.
Mein Poſten war dieſen Abend derſelbe, auf wel- chem ich vor einigen Wochen zum erſten Mal den ge- heimnißvollen Franzoſen geſehen. Aber diesmal ſchien er mir weit anders als in jener Nacht. Am heiter- ſten Herbſttage ging eben die Sonne unter, und pur- purn lagen zu meiner Rechten jenſeits der Maas die reichen Felder; die von den Spaniern kühn auf nack- ten Felſen gebauten Mauern von Charlemont glühten in derſelben Farbe, und die Thurmſpitzen der Stadt ſchimmerten golden aus dem zart gefärbten Herbſtnebel
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Kriegsgerichtes wurde der Jäger in eine entfernte Fe-
ſtung zu langwierigem Arreſt abgeliefert. Jch habe
Storchmeier ſeitdem nicht mehr geſehen, glaube aber,
daß ein Gerücht nicht ungegründet iſt, demzufolge er
bei’m Verſuch zu entſpringen, oder einem noch gefähr-
lichern Attentate das Leben verloren hat. Er war ein
Menſch, der auf der Gränze zwiſchen Leichtſinn und
Schlechtigkeit ſtand. Bei mehr Bildung hätte er ge-
fährlich werden können. Aus manchen Umſtänden ging
hervor, daß man ihn gern ſchonen wollen, weil man
ihn vielleicht ſelbſt bei früheren Gelegenheiten gebraucht.
Diesmal lag ſeinen Schlichen wol kein Verrath zum
Grunde, indem, wozu er ſich brauchen ließ, moraliſch
grade nicht als ſtrafbare Dienſtleiſtung erſcheint. Er
erntete nur den Lohn für einen ganzen verkehrten Le-
benswandel.
Mein Poſten war dieſen Abend derſelbe, auf wel-
chem ich vor einigen Wochen zum erſten Mal den ge-
heimnißvollen Franzoſen geſehen. Aber diesmal ſchien
er mir weit anders als in jener Nacht. Am heiter-
ſten Herbſttage ging eben die Sonne unter, und pur-
purn lagen zu meiner Rechten jenſeits der Maas die
reichen Felder; die von den Spaniern kühn auf nack-
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/39>, abgerufen am 16.02.2025.
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