gestochen. Auch war es nicht ohne Romantik, wenn wir am Quai der Maas umbogen und die Straße dicht unter Charlemont's graden Felsen auf- und ab- gingen. Oben zwischen den alten Zinnen, fast über unsern Köpfen, so senkrecht scheint die Felswand, spa- zirten die französischen Schildwachten, in der Entfer- nung wie schwarze Marionettenpuppen anzuschauen, und aus den gegenüberliegenden Straßenfenstern richteten unsere Jngenieure ihre Fernröhre nach ihnen. Ein Schauspiel des Friedens mitten im ernstgemeinten Kriege! Der gewöhnliche Zusammenkunftsort der Vo- lontaire war bei einem Jrländer, der eine kleine Re- stauration hielt, und damit wol mancherlei vermittelnde Geschäfte verband. Sein gebrochenes Englisch-Fran- zösisch, mit Deutsch vermischt, belustigte uns, und Storch- meier, der von allen Sprachen eine Färbung gewon- nen, schien an dem Mann ein besonderes Jnteresse zu finden. Wir waren eines Nachmittags hier sehr lu- stig, der Wein spukte in den Köpfen der Anwesenden, als ein Jäger hereinstürzte und versicherte, er habe den Terroristen ins Haus schleichen sehen. Jch glaube, wir griffen sämmtlich an unsere Hirschfänger, denn noch immer galt die stillschweigende Uebereinkunft ge- gen den Unsichtbaren. Ein Wortwechsel in einer Ne- benkammer erregte jetzt unsere Aufmerksamkeit, und wie wol keiner von uns bis dahin ihn sprechen ge-
geſtochen. Auch war es nicht ohne Romantik, wenn wir am Quai der Maas umbogen und die Straße dicht unter Charlemont’s graden Felſen auf- und ab- gingen. Oben zwiſchen den alten Zinnen, faſt über unſern Köpfen, ſo ſenkrecht ſcheint die Felswand, ſpa- zirten die franzöſiſchen Schildwachten, in der Entfer- nung wie ſchwarze Marionettenpuppen anzuſchauen, und aus den gegenüberliegenden Straßenfenſtern richteten unſere Jngenieure ihre Fernröhre nach ihnen. Ein Schauſpiel des Friedens mitten im ernſtgemeinten Kriege! Der gewöhnliche Zuſammenkunftsort der Vo- lontaire war bei einem Jrländer, der eine kleine Re- ſtauration hielt, und damit wol mancherlei vermittelnde Geſchäfte verband. Sein gebrochenes Engliſch-Fran- zöſiſch, mit Deutſch vermiſcht, beluſtigte uns, und Storch- meier, der von allen Sprachen eine Färbung gewon- nen, ſchien an dem Mann ein beſonderes Jntereſſe zu finden. Wir waren eines Nachmittags hier ſehr lu- ſtig, der Wein ſpukte in den Köpfen der Anweſenden, als ein Jäger hereinſtürzte und verſicherte, er habe den Terroriſten ins Haus ſchleichen ſehen. Jch glaube, wir griffen ſämmtlich an unſere Hirſchfänger, denn noch immer galt die ſtillſchweigende Uebereinkunft ge- gen den Unſichtbaren. Ein Wortwechſel in einer Ne- benkammer erregte jetzt unſere Aufmerkſamkeit, und wie wol keiner von uns bis dahin ihn ſprechen ge-
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geſtochen. Auch war es nicht ohne Romantik, wenn
wir am Quai der Maas umbogen und die Straße
dicht unter Charlemont’s graden Felſen auf- und ab-
gingen. Oben zwiſchen den alten Zinnen, faſt über
unſern Köpfen, ſo ſenkrecht ſcheint die Felswand, ſpa-
zirten die franzöſiſchen Schildwachten, in der Entfer-
nung wie ſchwarze Marionettenpuppen anzuſchauen, und
aus den gegenüberliegenden Straßenfenſtern richteten
unſere Jngenieure ihre Fernröhre nach ihnen. Ein
Schauſpiel des Friedens mitten im ernſtgemeinten
Kriege! Der gewöhnliche Zuſammenkunftsort der Vo-
lontaire war bei einem Jrländer, der eine kleine Re-
ſtauration hielt, und damit wol mancherlei vermittelnde
Geſchäfte verband. Sein gebrochenes Engliſch-Fran-
zöſiſch, mit Deutſch vermiſcht, beluſtigte uns, und Storch-
meier, der von allen Sprachen eine Färbung gewon-
nen, ſchien an dem Mann ein beſonderes Jntereſſe zu
finden. Wir waren eines Nachmittags hier ſehr lu-
ſtig, der Wein ſpukte in den Köpfen der Anweſenden,
als ein Jäger hereinſtürzte und verſicherte, er habe den
Terroriſten ins Haus ſchleichen ſehen. Jch glaube,
wir griffen ſämmtlich an unſere Hirſchfänger, denn
noch immer galt die ſtillſchweigende Uebereinkunft ge-
gen den Unſichtbaren. Ein Wortwechſel in einer Ne-
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/35>, abgerufen am 16.02.2025.
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