eine Todtenstille, die erst lange nach Mitternacht durch zwei Schüsse aus der Festung unterbrochen wurde. Eine Ordonnanz sprengte an die Officiere und man hörte nachher den Ausruf: "Doch verspielt!" Es hieß hier- auf allgemein, der unsichtbare Franzose sey als Unter- händler in die Festung geschickt worden, um die Gar- nison zum Ueberlaufen zu bereden: ehe es aber ganz geglückt, sey die Wachsamkeit des Commandanten zu- vorgekommen, und habe die Festung gerettet. Den- noch wurden wir nach einigen Tagen mit der frohen Botschaft geweckt: die Stadt habe sich, in Folge jener Schwächung der Besatzung, ergeben.
Wirklich zog ein Theil des Belagerungscorps am vierten Tage in die Stadt, aber die Hoffnung auf Quartiere war dennoch vereitelt. Nur eine geringe Anzahl Truppen blieb drinnen, der größere Theil mußte in das Lager zurück, um die Berennung der Felsen- veste Charlemont, wohin sich die übrige Garnison zu- zückgezogen, fortzusetzen. Es ward indessen nachgege- ben, daß wir Jäger einzeln die Stadt besuchten. Welch' ein dürftiger Flecken war dieses Givet, das uns von außen zauberhaft angelacht! Ein Marktplatz und we- nige Straßen mit schlechten Häusern. Und doch sprach selbst der Berliner mit stolzer Lust von dem Stadtle- ben, wenn er die Krämerladen besuchte und in der Weinstube eine Flasche auf die glückliche Heimkehr aus-
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eine Todtenſtille, die erſt lange nach Mitternacht durch zwei Schüſſe aus der Feſtung unterbrochen wurde. Eine Ordonnanz ſprengte an die Officiere und man hörte nachher den Ausruf: „Doch verſpielt!“ Es hieß hier- auf allgemein, der unſichtbare Franzoſe ſey als Unter- händler in die Feſtung geſchickt worden, um die Gar- niſon zum Ueberlaufen zu bereden: ehe es aber ganz geglückt, ſey die Wachſamkeit des Commandanten zu- vorgekommen, und habe die Feſtung gerettet. Den- noch wurden wir nach einigen Tagen mit der frohen Botſchaft geweckt: die Stadt habe ſich, in Folge jener Schwächung der Beſatzung, ergeben.
Wirklich zog ein Theil des Belagerungscorps am vierten Tage in die Stadt, aber die Hoffnung auf Quartiere war dennoch vereitelt. Nur eine geringe Anzahl Truppen blieb drinnen, der größere Theil mußte in das Lager zurück, um die Berennung der Felſen- veſte Charlemont, wohin ſich die übrige Garniſon zu- zückgezogen, fortzuſetzen. Es ward indeſſen nachgege- ben, daß wir Jäger einzeln die Stadt beſuchten. Welch’ ein dürftiger Flecken war dieſes Givet, das uns von außen zauberhaft angelacht! Ein Marktplatz und we- nige Straßen mit ſchlechten Häuſern. Und doch ſprach ſelbſt der Berliner mit ſtolzer Luſt von dem Stadtle- ben, wenn er die Krämerladen beſuchte und in der Weinſtube eine Flaſche auf die glückliche Heimkehr aus-
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eine Todtenſtille, die erſt lange nach Mitternacht durch
zwei Schüſſe aus der Feſtung unterbrochen wurde. Eine
Ordonnanz ſprengte an die Officiere und man hörte
nachher den Ausruf: „Doch verſpielt!“ Es hieß hier-
auf allgemein, der unſichtbare Franzoſe ſey als Unter-
händler in die Feſtung geſchickt worden, um die Gar-
niſon zum Ueberlaufen zu bereden: ehe es aber ganz
geglückt, ſey die Wachſamkeit des Commandanten zu-
vorgekommen, und habe die Feſtung gerettet. Den-
noch wurden wir nach einigen Tagen mit der frohen
Botſchaft geweckt: die Stadt habe ſich, in Folge jener
Schwächung der Beſatzung, ergeben.
Wirklich zog ein Theil des Belagerungscorps am
vierten Tage in die Stadt, aber die Hoffnung auf
Quartiere war dennoch vereitelt. Nur eine geringe
Anzahl Truppen blieb drinnen, der größere Theil mußte
in das Lager zurück, um die Berennung der Felſen-
veſte Charlemont, wohin ſich die übrige Garniſon zu-
zückgezogen, fortzuſetzen. Es ward indeſſen nachgege-
ben, daß wir Jäger einzeln die Stadt beſuchten. Welch’
ein dürftiger Flecken war dieſes Givet, das uns von
außen zauberhaft angelacht! Ein Marktplatz und we-
nige Straßen mit ſchlechten Häuſern. Und doch ſprach
ſelbſt der Berliner mit ſtolzer Luſt von dem Stadtle-
ben, wenn er die Krämerladen beſuchte und in der
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/34>, abgerufen am 16.02.2025.
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