aber nirgends fand sich eine Spur von dem Franzo- sen. Dagegen traten Soldaten und Jäger an den Wachtfeuern zusammen, und raunten sich zu, dieser und jener habe längst einen Spion gemerkt. Ein Kerl, so und so gekleidet, sey schon oft, den Posten vorbei in die Stadt und aus der Stadt geschlichen. Ohne Einverständniß sey das nicht möglich, und es müsse im Lager mancher schlechte Preuße seyn. Meine zu Protokoll genommene Aussage ward an den Chef des Belagerungskorps gesandt. Als wir am andern Mittage zum Appell versammelt standen, spazirten die Officiere kopfschüttelnd vor der Fronte. Die Reihe kam auch an uns. Wir mußten einen engen Kreis schließen und der Major theilte uns den eben erhalte- nen, gemessenen Befehl mit:
"Wenn sich ein Mann von der und der Ge- stalt bei unsern Vorposten zeige, solle, sobald er das Losungswort gegeben, ihn Niemand an- halten, sondern still passiren lassen, als habe man ihn gar nicht bemerkt. Uebrigens werde Jedermann Schweigen hierüber anbefohlen."
So mancher meinte: Das zeige wieder klar, wie der Franzose immerfort auch den gescheutesten Deutschen betrüge. Andre äußerten, sie würden sich nicht daran kehren, sondern dem Spion Arme und Beine zerschla- gen, wo er ihnen in die Hände laufe. Es herrschte
aber nirgends fand ſich eine Spur von dem Franzo- ſen. Dagegen traten Soldaten und Jäger an den Wachtfeuern zuſammen, und raunten ſich zu, dieſer und jener habe längſt einen Spion gemerkt. Ein Kerl, ſo und ſo gekleidet, ſey ſchon oft, den Poſten vorbei in die Stadt und aus der Stadt geſchlichen. Ohne Einverſtändniß ſey das nicht möglich, und es müſſe im Lager mancher ſchlechte Preuße ſeyn. Meine zu Protokoll genommene Ausſage ward an den Chef des Belagerungskorps geſandt. Als wir am andern Mittage zum Appell verſammelt ſtanden, ſpazirten die Officiere kopfſchüttelnd vor der Fronte. Die Reihe kam auch an uns. Wir mußten einen engen Kreis ſchließen und der Major theilte uns den eben erhalte- nen, gemeſſenen Befehl mit:
„Wenn ſich ein Mann von der und der Ge- ſtalt bei unſern Vorpoſten zeige, ſolle, ſobald er das Loſungswort gegeben, ihn Niemand an- halten, ſondern ſtill paſſiren laſſen, als habe man ihn gar nicht bemerkt. Uebrigens werde Jedermann Schweigen hierüber anbefohlen.“
So mancher meinte: Das zeige wieder klar, wie der Franzoſe immerfort auch den geſcheuteſten Deutſchen betrüge. Andre äußerten, ſie würden ſich nicht daran kehren, ſondern dem Spion Arme und Beine zerſchla- gen, wo er ihnen in die Hände laufe. Es herrſchte
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aber nirgends fand ſich eine Spur von dem Franzo-
ſen. Dagegen traten Soldaten und Jäger an den
Wachtfeuern zuſammen, und raunten ſich zu, dieſer
und jener habe längſt einen Spion gemerkt. Ein
Kerl, ſo und ſo gekleidet, ſey ſchon oft, den Poſten
vorbei in die Stadt und aus der Stadt geſchlichen.
Ohne Einverſtändniß ſey das nicht möglich, und es
müſſe im Lager mancher ſchlechte Preuße ſeyn. Meine
zu Protokoll genommene Ausſage ward an den Chef
des Belagerungskorps geſandt. Als wir am andern
Mittage zum Appell verſammelt ſtanden, ſpazirten die
Officiere kopfſchüttelnd vor der Fronte. Die Reihe
kam auch an uns. Wir mußten einen engen Kreis
ſchließen und der Major theilte uns den eben erhalte-
nen, gemeſſenen Befehl mit:
„Wenn ſich ein Mann von der und der Ge-
ſtalt bei unſern Vorpoſten zeige, ſolle, ſobald
er das Loſungswort gegeben, ihn Niemand an-
halten, ſondern ſtill paſſiren laſſen, als habe
man ihn gar nicht bemerkt. Uebrigens werde
Jedermann Schweigen hierüber anbefohlen.“
So mancher meinte: Das zeige wieder klar, wie der
Franzoſe immerfort auch den geſcheuteſten Deutſchen
betrüge. Andre äußerten, ſie würden ſich nicht daran
kehren, ſondern dem Spion Arme und Beine zerſchla-
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/28>, abgerufen am 16.02.2025.
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