Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

Bild:
<< vorherige Seite

ker des Gewehrs, immer gewärtig, daß er auch auf
mich losspringen werde.

Sonst klang es wohl unheimlich, wenn ich Nachts
auf äußerstem vorgerückten Posten bis dicht am Festungs-
graben stand, und stündlich das wie ein Lauffeuer rund
um den Wall tönende: sentinelle, prenez garde a
vous! der Französischen Wachten still anhören mußte.
Jn dieser Nacht war mir der Ruf willkommen. Er
rief mich aus der furchtbaren Welt meiner Träume in
eine minder schreckliche Wirklichkeit zurück. Mein erstes
war, als ich bei dämmerndem Morgen abgelöst wurde,
nach dem Leichnam meines Freundes zu fragen. Man
hatte ihn bereits in das Lager gebracht, und als ich
dorthin am nächsten Abende zurückkam, fand ich ihn
eben zur Erde bestattet. Seine Sachen waren schon
durch mehrere Hände gegangen. Nachdem es mir end-
lich gelungen sie vor der, einige Tage darauf erfolgen-
den, Versteigerung bei'm Feldwebel zu untersuchen, fand
sich keine Spur jenes Papiers. Man neckte mich we-
gen meiner Fragen. Jch hielt für Pflicht über ***
letzte Rede Anzeige zu machen, aber man lächelte.
"Was will das bedeuten, sagte der Obrist, er hat
etwas sagen wollen und hat nichts gesagt! Einen Tod-
ten kann man nicht inquiriren, am wenigsten über
nichts. Auch haben die Chirurgen angezeigt, daß er
auf gutem Wege war, toll zu werden. Darum beru-

ker des Gewehrs, immer gewärtig, daß er auch auf
mich losſpringen werde.

Sonſt klang es wohl unheimlich, wenn ich Nachts
auf äußerſtem vorgerückten Poſten bis dicht am Feſtungs-
graben ſtand, und ſtündlich das wie ein Lauffeuer rund
um den Wall tönende: sentinelle, prenez garde à
vous! der Franzöſiſchen Wachten ſtill anhören mußte.
Jn dieſer Nacht war mir der Ruf willkommen. Er
rief mich aus der furchtbaren Welt meiner Träume in
eine minder ſchreckliche Wirklichkeit zurück. Mein erſtes
war, als ich bei dämmerndem Morgen abgelöſt wurde,
nach dem Leichnam meines Freundes zu fragen. Man
hatte ihn bereits in das Lager gebracht, und als ich
dorthin am nächſten Abende zurückkam, fand ich ihn
eben zur Erde beſtattet. Seine Sachen waren ſchon
durch mehrere Hände gegangen. Nachdem es mir end-
lich gelungen ſie vor der, einige Tage darauf erfolgen-
den, Verſteigerung bei’m Feldwebel zu unterſuchen, fand
ſich keine Spur jenes Papiers. Man neckte mich we-
gen meiner Fragen. Jch hielt für Pflicht über ***
letzte Rede Anzeige zu machen, aber man lächelte.
„Was will das bedeuten, ſagte der Obriſt, er hat
etwas ſagen wollen und hat nichts geſagt! Einen Tod-
ten kann man nicht inquiriren, am wenigſten über
nichts. Auch haben die Chirurgen angezeigt, daß er
auf gutem Wege war, toll zu werden. Darum beru-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0019"/>
ker des Gewehrs, immer gewärtig, daß er auch auf<lb/>
mich los&#x017F;pringen werde.</p><lb/>
        <p>Son&#x017F;t klang es wohl unheimlich, wenn ich Nachts<lb/>
auf äußer&#x017F;tem vorgerückten Po&#x017F;ten bis dicht am Fe&#x017F;tungs-<lb/>
graben &#x017F;tand, und &#x017F;tündlich das wie ein Lauffeuer rund<lb/>
um den Wall tönende: sentinelle, prenez garde à<lb/>
vous! der Franzö&#x017F;i&#x017F;chen Wachten &#x017F;till anhören mußte.<lb/>
Jn die&#x017F;er Nacht war mir der Ruf willkommen. Er<lb/>
rief mich aus der furchtbaren Welt meiner Träume in<lb/>
eine minder &#x017F;chreckliche Wirklichkeit zurück. Mein er&#x017F;tes<lb/>
war, als ich bei dämmerndem Morgen abgelö&#x017F;t wurde,<lb/>
nach dem Leichnam meines Freundes zu fragen. Man<lb/>
hatte ihn bereits in das Lager gebracht, und als ich<lb/>
dorthin am näch&#x017F;ten Abende zurückkam, fand ich ihn<lb/>
eben zur Erde be&#x017F;tattet. Seine Sachen waren &#x017F;chon<lb/>
durch mehrere Hände gegangen. Nachdem es mir end-<lb/>
lich gelungen &#x017F;ie vor der, einige Tage darauf erfolgen-<lb/>
den, Ver&#x017F;teigerung bei&#x2019;m Feldwebel zu unter&#x017F;uchen, fand<lb/>
&#x017F;ich keine Spur jenes Papiers. Man neckte mich we-<lb/>
gen meiner Fragen. Jch hielt für Pflicht über ***<lb/>
letzte Rede Anzeige zu machen, aber man lächelte.<lb/>
&#x201E;Was will das bedeuten, &#x017F;agte der Obri&#x017F;t, er hat<lb/>
etwas &#x017F;agen wollen und hat nichts ge&#x017F;agt! Einen Tod-<lb/>
ten kann man nicht inquiriren, am wenig&#x017F;ten über<lb/>
nichts. Auch haben die Chirurgen angezeigt, daß er<lb/>
auf gutem Wege war, toll zu werden. Darum beru-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] ker des Gewehrs, immer gewärtig, daß er auch auf mich losſpringen werde. Sonſt klang es wohl unheimlich, wenn ich Nachts auf äußerſtem vorgerückten Poſten bis dicht am Feſtungs- graben ſtand, und ſtündlich das wie ein Lauffeuer rund um den Wall tönende: sentinelle, prenez garde à vous! der Franzöſiſchen Wachten ſtill anhören mußte. Jn dieſer Nacht war mir der Ruf willkommen. Er rief mich aus der furchtbaren Welt meiner Träume in eine minder ſchreckliche Wirklichkeit zurück. Mein erſtes war, als ich bei dämmerndem Morgen abgelöſt wurde, nach dem Leichnam meines Freundes zu fragen. Man hatte ihn bereits in das Lager gebracht, und als ich dorthin am nächſten Abende zurückkam, fand ich ihn eben zur Erde beſtattet. Seine Sachen waren ſchon durch mehrere Hände gegangen. Nachdem es mir end- lich gelungen ſie vor der, einige Tage darauf erfolgen- den, Verſteigerung bei’m Feldwebel zu unterſuchen, fand ſich keine Spur jenes Papiers. Man neckte mich we- gen meiner Fragen. Jch hielt für Pflicht über *** letzte Rede Anzeige zu machen, aber man lächelte. „Was will das bedeuten, ſagte der Obriſt, er hat etwas ſagen wollen und hat nichts geſagt! Einen Tod- ten kann man nicht inquiriren, am wenigſten über nichts. Auch haben die Chirurgen angezeigt, daß er auf gutem Wege war, toll zu werden. Darum beru-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-07-16T12:57:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-07-16T12:57:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/19
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/19>, abgerufen am 21.11.2024.