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[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

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Hirnschleiffer.
seyn: Ist er redselig vnd freundlich/ so muß
er der Leut schmaichler seyn:

Ander iudiciren vnd vrtheilen nit so sehr
auß einem bösen willen/ als vilmehr auß einer
liderlichen ignorantz vnd vnwissenheit/ vnd
dise schetzen die Menschen für gerecht vnnd
weise nach beschaffenheit der Klaider/ Wort/
Sitten vnd Geberden: Solcher aller iudi-
cium,
vrtl vnd mainung aber ist füreilendt
vnd falsch/ dann man findet vil species vnd
gestalten vnder den Heuchlern/ betriegern/
vnd Ignoranten, welche das Angesicht vnd
den schein der Weißheit/ Gerechtigkeit vnd
Frombkeit haben. Dann wie gemeinklich vn-
der einem guldenen oder gemahlten Bild ein
wurmstichiges Holtz steckt/ also steckt vil-
mals vnderm schein der Frommkeit vnd Weiß-
heit ein grobe ignorantz, vnwissenheit vnd
thorheit: Daher sagt der H. Joannes am 7.
Cap. Richtet nit nach dem ansehen. Wer
nun also dem blossen eusserlichen schein vnd
gestalt nach vrtheilet/ der wird bald betrogen/
vnd in seinem eignen Vrtl zuschanden ge-
macht/ derwegen soll ein weiser Mann nit
vrtheilen/ weder ex ignorantia rerum, noch

ex so-

Hirnſchleiffer.
ſeyn: Iſt er redſelig vnd freundlich/ ſo muß
er der Leut ſchmaichler ſeyn:

Ander iudiciren vnd vrtheilen nit ſo ſehr
auß einem boͤſen willen/ als vilmehr auß einer
liderlichen ignorantz vnd vnwiſſenheit/ vnd
diſe ſchetzen die Menſchen fuͤr gerecht vnnd
weiſe nach beſchaffenheit der Klaider/ Wort/
Sitten vnd Geberden: Solcher aller iudi-
cium,
vrtl vnd mainung aber iſt fuͤreilendt
vnd falſch/ dann man findet vil ſpecies vnd
geſtalten vnder den Heuchlern/ betriegern/
vnd Ignoranten, welche das Angeſicht vnd
den ſchein der Weißheit/ Gerechtigkeit vnd
Frombkeit haben. Dann wie gemeinklich vn-
der einem guldenen oder gemahlten Bild ein
wurmſtichiges Holtz ſteckt/ alſo ſteckt vil-
mals vnderm ſchein der From̃keit vnd Weiß-
heit ein grobe ignorantz, vnwiſſenheit vnd
thorheit: Daher ſagt der H. Joannes am 7.
Cap. Richtet nit nach dem anſehen. Wer
nun alſo dem bloſſen euſſerlichen ſchein vnd
geſtalt nach vrtheilet/ der wird bald betrogen/
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[620[619]/0635] Hirnſchleiffer. ſeyn: Iſt er redſelig vnd freundlich/ ſo muß er der Leut ſchmaichler ſeyn: Ander iudiciren vnd vrtheilen nit ſo ſehr auß einem boͤſen willen/ als vilmehr auß einer liderlichen ignorantz vnd vnwiſſenheit/ vnd diſe ſchetzen die Menſchen fuͤr gerecht vnnd weiſe nach beſchaffenheit der Klaider/ Wort/ Sitten vnd Geberden: Solcher aller iudi- cium, vrtl vnd mainung aber iſt fuͤreilendt vnd falſch/ dann man findet vil ſpecies vnd geſtalten vnder den Heuchlern/ betriegern/ vnd Ignoranten, welche das Angeſicht vnd den ſchein der Weißheit/ Gerechtigkeit vnd Frombkeit haben. Dann wie gemeinklich vn- der einem guldenen oder gemahlten Bild ein wurmſtichiges Holtz ſteckt/ alſo ſteckt vil- mals vnderm ſchein der From̃keit vnd Weiß- heit ein grobe ignorantz, vnwiſſenheit vnd thorheit: Daher ſagt der H. Joannes am 7. Cap. Richtet nit nach dem anſehen. Wer nun alſo dem bloſſen euſſerlichen ſchein vnd geſtalt nach vrtheilet/ der wird bald betrogen/ vnd in ſeinem eignen Vrtl zuſchanden ge- macht/ derwegen ſoll ein weiſer Mann nit vrtheilen/ weder ex ignorantia rerum, noch ex ſo-

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Zitationshilfe: [Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 620[619]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/635>, abgerufen am 15.09.2024.