[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Hirnschleiffer.

teste/ da er spricht: Minime iudica, das ist/
Keins wegs vrtheile: Hierdurch gibt er den
Richtern zuuerstehen/ daß sie nit leichtglau-
big seyn/ noch von wegen etwa einer schlech-
ten suspicion vnd verdachts/ noch auch auß
falschen vermutungen vnd einbildungen iu-
diciren, vrtheilen/ od nach dem blossen schein/
oder auß falschen einbildungen/ vnd nach jh-
rem selbst wolgefallen handlen sollen/ Dann
gemeinlich seynd solche vrtl oder meinungen
falsch vnd vngerecht: wider solche aber ist vnd
redet der H. Chrysostomus vnnd spricht:
Man findt Leut/ die halten alles/ was sie se-
hen/ für böß/ reden den frommen vbel nach/
deuten vnd legen das gute vnd die tugent zu
einer boßheit auß: befleißt sich einer der de-
mut/ so muß er ein Heuchler seyn: Ist er gern
frölich/ so muß er ein Fresser vnd ein liderli-
cher Gesell seyn: Ist er gedultig/ so muß er
ein verzagter vnnd forchtsamer Haaß seyn:
Befleißt er sich schlecht vnd gerecht zu seyn/
so muß er einfaltig vnd ein Narr seyn: Be-
fleißt er sich der Weißheit/ so muß er ein hof-
fertiger Hans seyn: Ist er andechtig vnd ge-
wissenhafft/ so muß er stützig vnd eigensinnig

seyn:

Hirnſchleiffer.

teſte/ da er ſpricht: Minimè iudica, das iſt/
Keins wegs vrtheile: Hierdurch gibt er den
Richtern zuuerſtehen/ daß ſie nit leichtglau-
big ſeyn/ noch von wegen etwa einer ſchlech-
ten ſuſpicion vnd verdachts/ noch auch auß
falſchen vermutungen vnd einbildungen iu-
diciren, vrtheilẽ/ oď nach dem bloſſen ſchein/
oder auß falſchen einbildungen/ vnd nach jh-
rem ſelbſt wolgefallen handlen ſollen/ Dann
gemeinlich ſeynd ſolche vrtl oder meinungen
falſch vnd vngerecht: wider ſolche aber iſt vnd
redet der H. Chryſoſtomus vnnd ſpricht:
Man findt Leut/ die halten alles/ was ſie ſe-
hen/ fuͤr boͤß/ reden den frommen vbel nach/
deuten vnd legen das gute vnd die tugent zu
einer boßheit auß: befleißt ſich einer der de-
mut/ ſo muß er ein Heuchler ſeyn: Iſt er gern
froͤlich/ ſo muß er ein Freſſer vnd ein liderli-
cher Geſell ſeyn: Iſt er gedultig/ ſo muß er
ein verzagter vnnd forchtſamer Haaß ſeyn:
Befleißt er ſich ſchlecht vnd gerecht zu ſeyn/
ſo muß er einfaltig vnd ein Narꝛ ſeyn: Be-
fleißt er ſich der Weißheit/ ſo muß er ein hof-
fertiger Hans ſeyn: Iſt er andechtig vnd ge-
wiſſenhafft/ ſo muß er ſtuͤtzig vnd eigenſinnig

ſeyn:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0634" n="619[618]"/><fw place="top" type="header">Hirn&#x017F;chleiffer.</fw><lb/>
te&#x017F;te/ da er &#x017F;pricht: <hi rendition="#aq">Minimè iudica,</hi> das i&#x017F;t/<lb/>
Keins wegs vrtheile: Hierdurch gibt er den<lb/>
Richtern zuuer&#x017F;tehen/ daß &#x017F;ie nit leichtglau-<lb/>
big &#x017F;eyn/ noch von wegen etwa einer &#x017F;chlech-<lb/>
ten <hi rendition="#aq">&#x017F;u&#x017F;picion</hi> vnd verdachts/ noch auch auß<lb/>
fal&#x017F;chen vermutungen vnd einbildungen <hi rendition="#aq">iu-<lb/>
diciren,</hi> vrtheile&#x0303;/ o&#x010F; nach dem blo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chein/<lb/>
oder auß fal&#x017F;chen einbildungen/ vnd nach jh-<lb/>
rem &#x017F;elb&#x017F;t wolgefallen handlen &#x017F;ollen/ Dann<lb/>
gemeinlich &#x017F;eynd &#x017F;olche vrtl oder meinungen<lb/>
fal&#x017F;ch vnd vngerecht: wider &#x017F;olche aber i&#x017F;t vnd<lb/>
redet der H. <hi rendition="#aq">Chry&#x017F;o&#x017F;tomus</hi> vnnd &#x017F;pricht:<lb/>
Man findt Leut/ die halten alles/ was &#x017F;ie &#x017F;e-<lb/>
hen/ fu&#x0364;r bo&#x0364;ß/ reden den frommen vbel nach/<lb/>
deuten vnd legen das gute vnd die tugent zu<lb/>
einer boßheit auß: befleißt &#x017F;ich einer der de-<lb/>
mut/ &#x017F;o muß er ein Heuchler &#x017F;eyn: I&#x017F;t er gern<lb/>
fro&#x0364;lich/ &#x017F;o muß er ein Fre&#x017F;&#x017F;er vnd ein liderli-<lb/>
cher Ge&#x017F;ell &#x017F;eyn: I&#x017F;t er gedultig/ &#x017F;o muß er<lb/>
ein verzagter vnnd forcht&#x017F;amer Haaß &#x017F;eyn:<lb/>
Befleißt er &#x017F;ich &#x017F;chlecht vnd gerecht zu &#x017F;eyn/<lb/>
&#x017F;o muß er einfaltig vnd ein Nar&#xA75B; &#x017F;eyn: Be-<lb/>
fleißt er &#x017F;ich der Weißheit/ &#x017F;o muß er ein hof-<lb/>
fertiger Hans &#x017F;eyn: I&#x017F;t er andechtig vnd ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enhafft/ &#x017F;o muß er &#x017F;tu&#x0364;tzig vnd eigen&#x017F;innig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eyn:</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[619[618]/0634] Hirnſchleiffer. teſte/ da er ſpricht: Minimè iudica, das iſt/ Keins wegs vrtheile: Hierdurch gibt er den Richtern zuuerſtehen/ daß ſie nit leichtglau- big ſeyn/ noch von wegen etwa einer ſchlech- ten ſuſpicion vnd verdachts/ noch auch auß falſchen vermutungen vnd einbildungen iu- diciren, vrtheilẽ/ oď nach dem bloſſen ſchein/ oder auß falſchen einbildungen/ vnd nach jh- rem ſelbſt wolgefallen handlen ſollen/ Dann gemeinlich ſeynd ſolche vrtl oder meinungen falſch vnd vngerecht: wider ſolche aber iſt vnd redet der H. Chryſoſtomus vnnd ſpricht: Man findt Leut/ die halten alles/ was ſie ſe- hen/ fuͤr boͤß/ reden den frommen vbel nach/ deuten vnd legen das gute vnd die tugent zu einer boßheit auß: befleißt ſich einer der de- mut/ ſo muß er ein Heuchler ſeyn: Iſt er gern froͤlich/ ſo muß er ein Freſſer vnd ein liderli- cher Geſell ſeyn: Iſt er gedultig/ ſo muß er ein verzagter vnnd forchtſamer Haaß ſeyn: Befleißt er ſich ſchlecht vnd gerecht zu ſeyn/ ſo muß er einfaltig vnd ein Narꝛ ſeyn: Be- fleißt er ſich der Weißheit/ ſo muß er ein hof- fertiger Hans ſeyn: Iſt er andechtig vnd ge- wiſſenhafft/ ſo muß er ſtuͤtzig vnd eigenſinnig ſeyn:

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): Distributed under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Generic (German) License.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/634
Zitationshilfe:	[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 619[618]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/634>, abgerufen am 22.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.