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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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die Nase singt, vor Anreiz den Urin nicht bei sich halten." Wir müssen
bezüglich unseres Standpunktes auf das an entsprechender Stelle Ge-
sagte verweisen und betonen nochmals, daß die Enuresis wie jeder
andere Kinderfehler die funktionelle Seite der Organminder-
wertigkeit darstellt
. Dem mangelhaft dem Milieu gehorchenden
Organ ist ein ursprünglich minderwertiger psychomotorischer Überbau
übergeordnet, der bei jeder psychischen Mehrbelastung, auch beim Spiel
oder Lernen, versagen kann, der eine Zeitlang nur dann zur kulturellen
Funktion des Organes ausreicht, wenn ein dauerndes Interesse, eine
Binnenaufmerksamkeit, die sonst spielerische Tätigkeit des Organes
überwacht. Die Erledigung des Kinderfehlers geschieht durch Kom-
pensation im zugehörigen psychomotorischen Überbau und seinen Bahnen,
was zu bedeutsamen Verstärkungen der Gesamtpsyche, aber auch zu
vielerlei Störungen führen kann, die im Wesen der Kompensation ge-
legen sind. Immer aber trägt die Psyche die Spuren der enuretischen
Konstitution an sich und dies auch in Fällen, wo sich die Konstitution
nicht im Kinderfehler äußert, sondern bloß in den anderen Zeichen der
Organminderwertigkeit. Dem überstürzten, gesteigerten Ausbau der
Reflexbahnen fallen das Zappeln mit den Beinen, das Harnstottern, die
Dysurie, die Harnretention, die unwillkürliche Entleerung der Kinder
zur Last, Erscheinungen, die wir bei Hysterie wiederfinden, soferne sie
der Minderwertigkeit der Harnorgane ihren Ursprung verdankt, während
uns die Astasie und Abasie der Hysterischen zuweilen die motorische
Schwäche des Segmentes aufdeckt, die ursprünglich auch der Blasen-
funktion anhaftete. Die Enuresis der Idioten zeigt uns die ganze Un-
fähigkeit ihres minderwertigen Zentralnervensystemes zur Kompensation.

Dem Zusammenhang von Enuresis und Epilepsie dürfte eine ein-
seitige Überkompensation im gesamten zentralen Reflexmechanismus
zugrunde liegen, der sich aus dem Kompensationszwang infolge von
mehrfachen Organminderwertigkeiten herleitet. Das große Schlafbedürf-
nis, die besondere Schlaftiefe der Enuretiker entspricht nur dem ge-
steigerten Verbrauch psychischer Kraft, die normale Arbeit der Schule,
des Lebens kann sich oft schon als Überbürdung fühlbar machen. Pa-
vor nocturnus in der Kindheit, der recht häufig bei enuretischer Kon-
stitution auftritt, entspringt dem übergroßen Zärtlichkeitsbedürfnis dieser
Kinder, das sich des Nachts, im Schlafe, im Finstern in Angst und
Schreien entladet. Die Ängstlichkeit, die fast jedem Enuretiker in der
Kindheit anhaftet, ist ein allgemeiner Ausdruck seiner Hilflosigkeit dem
minderwertigen Organ gegenüber und haftet oft auch dem Erwachsenen
noch an. Zu seinen sonstigen Charakteren im späteren Leben, Furcht

die Nase singt, vor Anreiz den Urin nicht bei sich halten.“ Wir müssen
bezüglich unseres Standpunktes auf das an entsprechender Stelle Ge-
sagte verweisen und betonen nochmals, daß die Enuresis wie jeder
andere Kinderfehler die funktionelle Seite der Organminder-
wertigkeit darstellt
. Dem mangelhaft dem Milieu gehorchenden
Organ ist ein ursprünglich minderwertiger psychomotorischer Überbau
übergeordnet, der bei jeder psychischen Mehrbelastung, auch beim Spiel
oder Lernen, versagen kann, der eine Zeitlang nur dann zur kulturellen
Funktion des Organes ausreicht, wenn ein dauerndes Interesse, eine
Binnenaufmerksamkeit, die sonst spielerische Tätigkeit des Organes
überwacht. Die Erledigung des Kinderfehlers geschieht durch Kom-
pensation im zugehörigen psychomotorischen Überbau und seinen Bahnen,
was zu bedeutsamen Verstärkungen der Gesamtpsyche, aber auch zu
vielerlei Störungen führen kann, die im Wesen der Kompensation ge-
legen sind. Immer aber trägt die Psyche die Spuren der enuretischen
Konstitution an sich und dies auch in Fällen, wo sich die Konstitution
nicht im Kinderfehler äußert, sondern bloß in den anderen Zeichen der
Organminderwertigkeit. Dem überstürzten, gesteigerten Ausbau der
Reflexbahnen fallen das Zappeln mit den Beinen, das Harnstottern, die
Dysurie, die Harnretention, die unwillkürliche Entleerung der Kinder
zur Last, Erscheinungen, die wir bei Hysterie wiederfinden, soferne sie
der Minderwertigkeit der Harnorgane ihren Ursprung verdankt, während
uns die Astasie und Abasie der Hysterischen zuweilen die motorische
Schwäche des Segmentes aufdeckt, die ursprünglich auch der Blasen-
funktion anhaftete. Die Enuresis der Idioten zeigt uns die ganze Un-
fähigkeit ihres minderwertigen Zentralnervensystemes zur Kompensation.

Dem Zusammenhang von Enuresis und Epilepsie dürfte eine ein-
seitige Überkompensation im gesamten zentralen Reflexmechanismus
zugrunde liegen, der sich aus dem Kompensationszwang infolge von
mehrfachen Organminderwertigkeiten herleitet. Das große Schlafbedürf-
nis, die besondere Schlaftiefe der Enuretiker entspricht nur dem ge-
steigerten Verbrauch psychischer Kraft, die normale Arbeit der Schule,
des Lebens kann sich oft schon als Überbürdung fühlbar machen. Pa-
vor nocturnus in der Kindheit, der recht häufig bei enuretischer Kon-
stitution auftritt, entspringt dem übergroßen Zärtlichkeitsbedürfnis dieser
Kinder, das sich des Nachts, im Schlafe, im Finstern in Angst und
Schreien entladet. Die Ängstlichkeit, die fast jedem Enuretiker in der
Kindheit anhaftet, ist ein allgemeiner Ausdruck seiner Hilflosigkeit dem
minderwertigen Organ gegenüber und haftet oft auch dem Erwachsenen
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[78/0090] die Nase singt, vor Anreiz den Urin nicht bei sich halten.“ Wir müssen bezüglich unseres Standpunktes auf das an entsprechender Stelle Ge- sagte verweisen und betonen nochmals, daß die Enuresis wie jeder andere Kinderfehler die funktionelle Seite der Organminder- wertigkeit darstellt. Dem mangelhaft dem Milieu gehorchenden Organ ist ein ursprünglich minderwertiger psychomotorischer Überbau übergeordnet, der bei jeder psychischen Mehrbelastung, auch beim Spiel oder Lernen, versagen kann, der eine Zeitlang nur dann zur kulturellen Funktion des Organes ausreicht, wenn ein dauerndes Interesse, eine Binnenaufmerksamkeit, die sonst spielerische Tätigkeit des Organes überwacht. Die Erledigung des Kinderfehlers geschieht durch Kom- pensation im zugehörigen psychomotorischen Überbau und seinen Bahnen, was zu bedeutsamen Verstärkungen der Gesamtpsyche, aber auch zu vielerlei Störungen führen kann, die im Wesen der Kompensation ge- legen sind. Immer aber trägt die Psyche die Spuren der enuretischen Konstitution an sich und dies auch in Fällen, wo sich die Konstitution nicht im Kinderfehler äußert, sondern bloß in den anderen Zeichen der Organminderwertigkeit. Dem überstürzten, gesteigerten Ausbau der Reflexbahnen fallen das Zappeln mit den Beinen, das Harnstottern, die Dysurie, die Harnretention, die unwillkürliche Entleerung der Kinder zur Last, Erscheinungen, die wir bei Hysterie wiederfinden, soferne sie der Minderwertigkeit der Harnorgane ihren Ursprung verdankt, während uns die Astasie und Abasie der Hysterischen zuweilen die motorische Schwäche des Segmentes aufdeckt, die ursprünglich auch der Blasen- funktion anhaftete. Die Enuresis der Idioten zeigt uns die ganze Un- fähigkeit ihres minderwertigen Zentralnervensystemes zur Kompensation. Dem Zusammenhang von Enuresis und Epilepsie dürfte eine ein- seitige Überkompensation im gesamten zentralen Reflexmechanismus zugrunde liegen, der sich aus dem Kompensationszwang infolge von mehrfachen Organminderwertigkeiten herleitet. Das große Schlafbedürf- nis, die besondere Schlaftiefe der Enuretiker entspricht nur dem ge- steigerten Verbrauch psychischer Kraft, die normale Arbeit der Schule, des Lebens kann sich oft schon als Überbürdung fühlbar machen. Pa- vor nocturnus in der Kindheit, der recht häufig bei enuretischer Kon- stitution auftritt, entspringt dem übergroßen Zärtlichkeitsbedürfnis dieser Kinder, das sich des Nachts, im Schlafe, im Finstern in Angst und Schreien entladet. Die Ängstlichkeit, die fast jedem Enuretiker in der Kindheit anhaftet, ist ein allgemeiner Ausdruck seiner Hilflosigkeit dem minderwertigen Organ gegenüber und haftet oft auch dem Erwachsenen noch an. Zu seinen sonstigen Charakteren im späteren Leben, Furcht

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/90>, abgerufen am 21.11.2024.