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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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Tuberkulose, zystische Degeneration, Nephrolithiasis, Nephralgie hema-
turique, renale Hämaturie, Wanderniere, Aplasie und Hypoplasie und
analoge Erkrankungen im Nierenbecken und Ureter. Wäre noch hinzu-
zufügen, daß auch der genetische Entwicklungsgang bei den Sekundär-
erkrankungen durchaus nicht mit dem Hinweis auf die causa movens
als erschöpft anzusehen ist, daß vielmehr auch in diesen Fällen die
Auswahl der Niere auf vorläufig unerklärten Wegen sich vollzieht.

Sieht man von einem Erklärungsversuch ab, der sich nur auf rein
lokale, in der Niere gelegene Krankheitsursachen beschränkt, so kann
man die Auffassungen über Krankheitslokalisation in den Nieren über-
sichtlich in drei Gruppen zusammenfassen, von denen sich jede sowohl
auf sekundäre als auf primäre Erkrankungen bezieht. Die eine Hy-
pothese
sucht unter Hinweis auf die "nephrotoxische" Wirkung man-
cher Gifte die Wahl der Niere zum Krankheitsherd erklärlich zu machen.
Ihre Stärke ist das Experiment sowie eine Anzahl von Erfahrungstat-
sachen, die den Gedanken an eine speziell die Nieren schädigende Noxe,
wie bei Scarlatina, Diphtherie und anderen Infektionen nahelegen. Da-
gegen ist sie auf eine größere Reihe von Nierenaffektionen nicht an-
wendbar, läßt eine Erklärung für das Freibleiben der Niere bei Auf-
treten von "Nierengiften" nicht zu und sollte nur mit Vorsicht vom
Tierexperiment aus verallgemeinert werden. Jedenfalls ist uns ein Gift,
das regelmäßig die Nieren und zugleich nur die Nieren schädigt, vor-
läufig nicht bekannt. Eine zweite Auffassung erblickt in der expo-
nierten Stellung der Niere als Exkretionsorgan, das ununterbrochen von
Abfallsstoffen des Körpers durchflossen wird, die Ursache der meisten
Nierenerkrankungen. Diese Hypothese soll als zureichende Erklärung
für die meisten der Nierenaffektionen genügen. Sicherlich ist ihre An-
wendbarkeit eine größere und ihre Tragweite steht außer Frage, da sie
nicht nur mit echten Toxinen, sondern auch mit der Vermehrung von
Abfallsprodukten und mit gesteigerten äußeren Anforderungen an die
Nieren rechnet. Wir sind aber auch mit dieser Auffassung nicht in der
Lage, befriedigende Aufschlüsse zu geben. Auch sie läßt uns im Stiche,
wenn wir die Frage aufwerfen, warum bei Vorhandensein der Prä-
missen, bei Anwesenheit von Bakterien im Blute, von Toxinen und
Giften, bei chronischen Stoffwechselanomalien, bei Alkoholismus,
Schwangerschaft, Erkältung die Nieren so häufig gesund gefunden
werden. Sie versagt auch beim Erklärungsversuch einseitiger Erkran-
kung der Nieren, wie im Falle von Tuberkulose, Lues und Geschwül-
sten. -- Diese und andere Unzulänglichkeiten zwingen zu einer dritten
Anschauung
, die auch in dieser Arbeit, wie ich glaube, mit guten

Tuberkulose, zystische Degeneration, Nephrolithiasis, Nephralgie héma-
turique, renale Hämaturie, Wanderniere, Aplasie und Hypoplasie und
analoge Erkrankungen im Nierenbecken und Ureter. Wäre noch hinzu-
zufügen, daß auch der genetische Entwicklungsgang bei den Sekundär-
erkrankungen durchaus nicht mit dem Hinweis auf die causa movens
als erschöpft anzusehen ist, daß vielmehr auch in diesen Fällen die
Auswahl der Niere auf vorläufig unerklärten Wegen sich vollzieht.

Sieht man von einem Erklärungsversuch ab, der sich nur auf rein
lokale, in der Niere gelegene Krankheitsursachen beschränkt, so kann
man die Auffassungen über Krankheitslokalisation in den Nieren über-
sichtlich in drei Gruppen zusammenfassen, von denen sich jede sowohl
auf sekundäre als auf primäre Erkrankungen bezieht. Die eine Hy-
pothese
sucht unter Hinweis auf die „nephrotoxische“ Wirkung man-
cher Gifte die Wahl der Niere zum Krankheitsherd erklärlich zu machen.
Ihre Stärke ist das Experiment sowie eine Anzahl von Erfahrungstat-
sachen, die den Gedanken an eine speziell die Nieren schädigende Noxe,
wie bei Scarlatina, Diphtherie und anderen Infektionen nahelegen. Da-
gegen ist sie auf eine größere Reihe von Nierenaffektionen nicht an-
wendbar, läßt eine Erklärung für das Freibleiben der Niere bei Auf-
treten von „Nierengiften“ nicht zu und sollte nur mit Vorsicht vom
Tierexperiment aus verallgemeinert werden. Jedenfalls ist uns ein Gift,
das regelmäßig die Nieren und zugleich nur die Nieren schädigt, vor-
läufig nicht bekannt. Eine zweite Auffassung erblickt in der expo-
nierten Stellung der Niere als Exkretionsorgan, das ununterbrochen von
Abfallsstoffen des Körpers durchflossen wird, die Ursache der meisten
Nierenerkrankungen. Diese Hypothese soll als zureichende Erklärung
für die meisten der Nierenaffektionen genügen. Sicherlich ist ihre An-
wendbarkeit eine größere und ihre Tragweite steht außer Frage, da sie
nicht nur mit echten Toxinen, sondern auch mit der Vermehrung von
Abfallsprodukten und mit gesteigerten äußeren Anforderungen an die
Nieren rechnet. Wir sind aber auch mit dieser Auffassung nicht in der
Lage, befriedigende Aufschlüsse zu geben. Auch sie läßt uns im Stiche,
wenn wir die Frage aufwerfen, warum bei Vorhandensein der Prä-
missen, bei Anwesenheit von Bakterien im Blute, von Toxinen und
Giften, bei chronischen Stoffwechselanomalien, bei Alkoholismus,
Schwangerschaft, Erkältung die Nieren so häufig gesund gefunden
werden. Sie versagt auch beim Erklärungsversuch einseitiger Erkran-
kung der Nieren, wie im Falle von Tuberkulose, Lues und Geschwül-
sten. — Diese und andere Unzulänglichkeiten zwingen zu einer dritten
Anschauung
, die auch in dieser Arbeit, wie ich glaube, mit guten

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[2/0014] Tuberkulose, zystische Degeneration, Nephrolithiasis, Nephralgie héma- turique, renale Hämaturie, Wanderniere, Aplasie und Hypoplasie und analoge Erkrankungen im Nierenbecken und Ureter. Wäre noch hinzu- zufügen, daß auch der genetische Entwicklungsgang bei den Sekundär- erkrankungen durchaus nicht mit dem Hinweis auf die causa movens als erschöpft anzusehen ist, daß vielmehr auch in diesen Fällen die Auswahl der Niere auf vorläufig unerklärten Wegen sich vollzieht. Sieht man von einem Erklärungsversuch ab, der sich nur auf rein lokale, in der Niere gelegene Krankheitsursachen beschränkt, so kann man die Auffassungen über Krankheitslokalisation in den Nieren über- sichtlich in drei Gruppen zusammenfassen, von denen sich jede sowohl auf sekundäre als auf primäre Erkrankungen bezieht. Die eine Hy- pothese sucht unter Hinweis auf die „nephrotoxische“ Wirkung man- cher Gifte die Wahl der Niere zum Krankheitsherd erklärlich zu machen. Ihre Stärke ist das Experiment sowie eine Anzahl von Erfahrungstat- sachen, die den Gedanken an eine speziell die Nieren schädigende Noxe, wie bei Scarlatina, Diphtherie und anderen Infektionen nahelegen. Da- gegen ist sie auf eine größere Reihe von Nierenaffektionen nicht an- wendbar, läßt eine Erklärung für das Freibleiben der Niere bei Auf- treten von „Nierengiften“ nicht zu und sollte nur mit Vorsicht vom Tierexperiment aus verallgemeinert werden. Jedenfalls ist uns ein Gift, das regelmäßig die Nieren und zugleich nur die Nieren schädigt, vor- läufig nicht bekannt. Eine zweite Auffassung erblickt in der expo- nierten Stellung der Niere als Exkretionsorgan, das ununterbrochen von Abfallsstoffen des Körpers durchflossen wird, die Ursache der meisten Nierenerkrankungen. Diese Hypothese soll als zureichende Erklärung für die meisten der Nierenaffektionen genügen. Sicherlich ist ihre An- wendbarkeit eine größere und ihre Tragweite steht außer Frage, da sie nicht nur mit echten Toxinen, sondern auch mit der Vermehrung von Abfallsprodukten und mit gesteigerten äußeren Anforderungen an die Nieren rechnet. Wir sind aber auch mit dieser Auffassung nicht in der Lage, befriedigende Aufschlüsse zu geben. Auch sie läßt uns im Stiche, wenn wir die Frage aufwerfen, warum bei Vorhandensein der Prä- missen, bei Anwesenheit von Bakterien im Blute, von Toxinen und Giften, bei chronischen Stoffwechselanomalien, bei Alkoholismus, Schwangerschaft, Erkältung die Nieren so häufig gesund gefunden werden. Sie versagt auch beim Erklärungsversuch einseitiger Erkran- kung der Nieren, wie im Falle von Tuberkulose, Lues und Geschwül- sten. — Diese und andere Unzulänglichkeiten zwingen zu einer dritten Anschauung, die auch in dieser Arbeit, wie ich glaube, mit guten

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/14>, abgerufen am 23.11.2024.